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Ausgabe:

1966

Spalte:

351-354

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Blumenkranz, Bernhard

Titel/Untertitel:

Juifs et chrétiens dans le monde occidental 1966

Rezensent:

Bammel, Ernst

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 5

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The author is a liturgiologist with competent access to das Einströmen bestimmter Vorstellungen vermuten, wodurch

rabbinical literature, who is therefore unusually equipped for such wieder auffällige geistige Entwicklungen ihre Erklärung finden

a study as he here offers. After surveying the early connections mögen.

between the Church and the Synagogue and the growing rift Bl. gliedert seine Darstellung systematisch. Er beginnt mit

between the two communities, he turns to the study of the ser- einem Überblick über die Stellung der Juden in der sie umgebenden

vices of the Synagogue, and especially of the parts of the liturgy Gesellschaft. Ihre verschiedenen Berufe werden angeführt, ihre

which may go back to the Second Temple. In an Appendix he gi- Rolle im Wirtschaftsleben wird beschrieben und — vielleicht zu

ves the modern Prayer Book form of the Shemoneh 'Esreh, together sehr — abgetönt. Verf. stellt fest, daß die Existenz gesonderter

with an English translation, and the Palestinian 'Amidah found jüdischer Quartiere nicht vor dem ll.Jahrh. belegt ist (37 f) —

among the Cairo Geniza fragments by Schechter, where we have ein höchst interessantes Ergebnis angesichts der Tatsache, daß die

its oldest known form, together with an English translation. His (Selbst)beschränkung auf spezielle Viertel im Osten von alters her

argument is based especially on the latter, for which he accepts a das Übliche war. Bl. informiert über Ämter und Spezialmissionen,

date before the destruction of the Temple, though this is not die Juden anvertraut wurden, und verweilt bei den Beziehungen

certainly established. He next turns to the early development of zu kirchlichen Würdenträgern. Er schildert die Vermittlung jüdi-

the Christian week and its Services, paying particular attention scher Exegese an christliche Theologen und die seltenen Versuche

to the observance of the Jewish sabbath and the Lord's day and bei den letzteren (Agobard von Lyon und Reginbald von Eichstätt

the growth of the canonical hours. Finally he studies the early sind insbesondere zu nennen p. 49), sich Kenntnisse im Hebrä-

outline of the Pro-Anaphora and its development in the fourth ischen zu verschaffen (vielleicht hätte sich noch mehr erzielen

and fifth centuries, and the Jewish influence that can be discerned lassen, wenn der Verf. etwa die Nachrichten über die Bibliotheks-

in it. Verhältnisse in Lyon, über die wir recht gut Bescheid wissen, für

The principal difficulty the author had to face was the seine Frage in Betracht gezogen hätte),
paucity of relevant material, and the temptation to read back Mit besonderer Ausführlichkeit behandelt Verf. die Konver-
to an early age the evidence from a later date. He was well aware titenfrage. Wichtig ist seine Feststellung, daß in der gefügten
of this difficulty, and throughout his work he shows caution in Gemeinschaft des frühen Mittelalters die Hinwendung zum Chri-
assessing the evidence he examines. This caution is well shown stentum für den Juden von wirtschaftlichem Nachteil war (156 ff;
in his final conclusion that „the influence of the Synagogue upon Ähnliches hatte schon L. Lucas, Zur Geschichte d. Juden im
the worship of the Church is to be seen in the type of worship 4. Jahrh. 1910 für den von ihm behandelten Zeitraum festgestellt)
and the times at which public prayer was held. Such early und der Neubekehrte nicht nur vom Haß seiner früheren Religions-
Christian prayers as have survived do not suggest any wholesale genossen verfolgt war, sondern unter dem Mißtrauen der Christen
borrowing from the liturgy of the Synagogue. Individual phrases, zu leiden hatte. Dementsprechend schlägt Bl. den Verlust, den die
and occasionally whole sentences, are reminiscent of the wording Juden durch Konversionen erlitten, als gering an.

of Jewish prayers. But the Christians' debt to the past is revealed vv, . . _ im. , A, ,. ... ,. , ...

i . J_ i_. . t .1__. j ,t r , r 1 Uberaus interessant ist der Abschnitt zur jüdischen Mission-

rather in the subjects of their prayers and the general framework ^ Unterschied zu der verbreiteten Anschauung, nach der die

of their Services than in the phraseology employed in their peti- .^.^ propaganda berdts im 2 Jahrh „j.^* betont m den

jüdischen Willen zur Ausbreitung, gibt Belege für den Erfolg —
den er hoch einschätzt (S. 210 f) — bei Sklaven, bei noch heid-
nischen und schon christlichen Bevölkerungsteilen und verweilt aus-

Blumenkranz, Bernhard: Juifs et Chretiens dans le Monde Occu führlich bei dgn berühmten Konvertiten Bodo-Eleazar, Andreas und

dental 430—11P96. Paris—La Haye: Mouton & Co. 1960. XX, 440 S. , , m. 1. n 11 [ 1 . . J' • ..• a__i-L i,,,fc

gr. 8» = ficole Pratique des Haute« Etudes - Sorbonne, 6. Section: Johannes-Obadjah. Der Verf betont die geistige Anziehungskraft

Sciences economiques et sociales. Etudes Juives, 2. df« Judentums (bei den .judaisierenden Strömungen muß man

A ,, . , , ,, j d •* •• « allerdings noch mehr differenzieren als es Bl. selber schon tut; sie

An wohlmeinenden und weniger wohlmeinenden Beitragen , , ., . . , , . , , . , . ,

, ~. . „ , . , D . „ .. , °. . haben teilweise rein innertheologische Grunde) und fuhrt in bewe-

und Darstellungen zum christlich-jüdischen Religionsgesprach ist , ... . , ./ , _ , . ■„

1 . ka 11 • c i_s_i.j_.jj -u j- t j«. gender Weise den Martyrertod zweier Proselyten, des einen i»

kein Mangel; ebensowenig an spezialstudien über die Lage der ?. . , . . ' , _, . . , ' ' , „c

T, . 1.. • -r .. „__ .__1 ..__. . Mainz, des anderen in Xanten als Zeugnis datur an. Hat der Verr.

Juden zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort. , .. ,. .... . , „ 6 , ... . „

in 11 1 i 11. r , n , 11 j„ 1. .1.1 ...j. recht, so wäre die völkische Zusammensetzung des europaiscnen

Wohl aber fehlt es fast ganz an Darstellungen des chnstlich-judi- . , ' , x , . . 6 .. , ,„r

1 „ 1,1. . ..1 . ,.. ry . __1. n Judentums, deren Änderung zumeist erst im spaten Mittelaltei

sehen Verhältnisses über eine längere Zeitspanne hinweg. Der ,.' ...1r,6 ■ 1 , M
Verf. leistet dies für einen Zeitraum von nahezu 600 Jahren. Er und im osteuropaischen Raum angenommen wird (s. etwa M-
beginnt mit dem Tode Augustins, also dem Zusammenbruch der Lidzbarsk, Auf rauhem Wege 1927 S. 84 f), schon damals nicht
antiken Welt und setzt somit M. Simons, L. Goppelts wie eigene unwesentlich beeinflußt worden. Ob es nicht doch möglich wäre,
Arbeiten fort, wobei er vor den genannten Autoren die feste Be- eme soldle statistisch genauer zu begründen?
gründung in der Geschichte voraus hat. Der Verf. schließt seine Weites Interesse dürfen Bl.s Ausführungen zur christlich-
Darstellung mit dem Jahre 1096, also dem Beginn der Kreuzzüge jüdischen Kontroverse beanspruchen; dies zumal der Verf. si*
ab. Innerhalb dieser Zeitspanne beschränkt er sich auf den Raum, auf neues von ihm zuvor veröffentlichtes Quellenmaterial zu
den er die westliche Welt nennt, der indes besser als der germanisch stützen vermag (Zu den Aus Sylvestri vgl. inzwischen den Verbestimmte
Kulturkreis zu bezeichnen ist. In der Tat, es war zum such einer Neudatierung durch A. Ehrhardt, Bull. John Ryl. Libr.
guten Teil der Einfluß germanischen Denkens, der dieser Welt ihr 1959/60 S. 288 ff). Der Ton der Auseinandersetzung ist durchweg
Gepräge gab und sie zu einer eigenständigen Größe gegenüber ein freier; Bl. hebt hervor, daß sie das lebendige Leben wider'
dem byzantinischen Osten werden ließ, einer Welt, die dem Juden- spiegeln (S. 376). Es geht um Klarstellung, nicht um Demütigung
tum mit einer erstaunlichen Großzügigkeit entgegentrat, wie sie der Juden. Das Ziel ist nicht unbedingt die Bekehrung des K°nt^
sich bereits in dem Prinzip Theoderichs d. Gr. (religionem imperare henten; es kann auch der Gewinn einer Wette sein. Damit hebt sich
non possumus, quia nemo cogitur ut credat invitus MPL 69, 561) der Stil der Kontroverse deutlich von der Art der späteren von
ausgedrückt findet und für deren praktische Handhabung Bl. selbst christlicher Seite erzwungenen förmlichen Disputation ab. — Uber'
zahlreiche Belege gibt. aus interessant ist die Erörterung der Exegese und Relevanz von
Bl. schreibt nicht eigentlich eine Geschichte der Juden in den p«n. 49, 10. Bringt die Diskussion des Gesetzes nur auf der chnst-
Germanenreichen, sondern setzt diese voraus. Das schließt nicht Seite interessante Einzelheiten zu Tage (antigesetzne.
aus, daß in engerem Sinne historisch relevantes Material vorgelegt Argumentation more Manichaeorum S. 240 wie christlichen babc
wird, etwa zur Wirtschaftsgeschichte der Juden. Aber kritische tiamsmus), so führt die Messianologie zur Behandlung von mess
Fragen wie die, ob etwa schon Karl d. Gr. die Juden aus Wirtschaft- nischen Wellen im Judentum , der Erwähnung einer messianiscn
liehen Erwägungen an den Rhein brachte oder dies erst später ge- i) Hier wäre ein deutlicheres Bild zu erreichen gewesen, wenn, die
schah, bleiben unerortert. Das hat seine Nachteile. Denn natürlich literarischen Nachrichten mit allen in der jüdischen Welt aufgestellten
läßt der Nachweis von Wanderungsbewegungen aus dem Osten Kalkulationen (dazu zahlreiche, wenngleich stark ergänzungsbedürftig

tions.

Stroud/Glo* H. H. R o w 1 e y