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Ausgabe:

1966

Spalte:

340-341

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Nölle, Wilfried

Titel/Untertitel:

Helmuth von Glasenapp 1966

Rezensent:

Melzer, Friso

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 5

340

sprechenden Örtlichkeiten nur der angestellten Priesterschaft zugänglich
waren und nicht einem breiteren Publikum, auf das
politische Propaganda abzielen würde.

Der Zyklus kann nur als Illustrierung eines in älterer Zeit
entstandenen Mythos zu verstehen sein, nach welchem der König
Ägyptens eine sterbliche Mutter, aber den höchsten Gott des
Landes zum Vater hat, Gott und Mensch in einer Person ist. Der
Zyklus dürfte wahrscheinlich zu den kanonischen Tempelreliefs
gehören, und es ist eine Folge des Zufalls, daß nur zwei vollständige
Bilderfolgen erhalten sind. Da nachweislich bereits in der
4. Dynastie der Gedanke, daß der König Gottes Sohn ist, bekannt
gewesen und geglaubt worden ist, darf man bei Erwägungen über
das Alter des Mythos wohl bis in jene Zeit zurückgehen, wenn
auch bei unserer mangelnden Kenntnis der Königstheologie des
Alten Reiches eine bestimmte Aussage darüber nicht gewagt
werden kann.

G. Maspero und nach ihm Fr. Daumas u. A. haben die Ansicht
vertreten, daß der Bilderzyklus als Wiedergabe eines
rituellen Spiels zu verstehen sei, das man zu bestimmten Zeiten
in den Räumen des Tempels szenisch aufgeführt habe. Der Textbestand
erlaubt jedoch eine solche Deutung nicht, da die zitierten
direkten Reden der handelnden Personen ohne die erzählenden
Passagen des Textes unverständlich bleiben würden und keine
zusammenhängende Handlung ergeben. Der tragende Gedanke
des Zyklus ist ein Mythos, aber kein zur Aufführung bestimmtes
Ritual.

Der Verf. schließt seine Untersuchung mit dem Ende des
Neuen Reiches ab und läßt die weitere Entwicklung des Mythos
in der Ptolemäer- und Römerzeit unberücksichtigt, über die bereits
eine umfangreiche Arbeit vorliegt. (Fr. Daumas, Les Mammisis des
temples egyptiens, Paris 1958.) In der Spätzeit Ägyptens, also
etwa 600 Jahre nach der Entstehung der besprochenen Reliefs, ist
aus dem alten erzählten Mythos tatsächlich ein Ritual geworden,
das nach Daumas in den Tempeln der Ptolemäerzeit und später
aufgeführt worden ist, wobei an die Stelle der irdischen Mutter
des Gottkönigs eine unsterbliche Göttin getreten ist und mithin
eine radikale Umdeutung des Mythos stattgefunden hat.

Theologen und Religionshistoriker werden dem Verf. Dank
wissen für die Akribie, mit der die altägyptische Vorstellung der
Gottessohnschaft herausgearbeitet ist, und die erhaltenen Quellen
dargeboten und kommentiert sind. Niemand, der sich um das
Phänomen der Gottessohnschaft in den vorchristlichen Religionen
und um das Nachleben dieser Vorstellungen im Neuen Testament
bemüht, wird auf die Lektüre des Buches von H. Brunner verzichten
können.

Milnster/W. Herbert Oster

Hornung, Erik: Grundzüge der ägyptischen Geschichte. Darmstadt:
Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1965. 140 S., 1 Faltkte. 8" =
Grundzüge III.

„Die Bände in dieser Reihe sollen dem Studenten beim Studium
, dem Lehrenden beim Unterricht, dem allgemein Interessierten
, dem Politiker, dem Journalisten bei seiner Orientierung die
Möglichkeit geben, sich schnell, aber zuverlässig und ohne tiefen
Griff in seinen Geldbeutel über ein Gebiet zu unterrichten, das
nicht unmittelbar zu seinem Hauptstudium gehört." Mit diesen
Worten werden die „Grundzüge" im Katalog der Darmstädter
Buchgesellschaft angekündigt, und diesen Zweck erfüllt der von
E. Hornung verfaßte 3. Band der Reihe in vorbildlicher Weise.

Natürlich fragt man sich unwillkürlich, welche Aufgabe eine
neue, dazu noch so knapp gefaßte Darstellung ägyptischer Geschichte
erfüllen kann, nachdem in den letzten Jahren preiswerte
Taschenausgaben wie E. Ottos Ägypten — Der Weg des Pharaonenreichs
(Urban-Bücher Nr. 4) oder A. H. Gardiners Egypt of
the Pharaohs (Oxford Paperbacks Nr. 85) auf den Markt gekommen
sind. Doch anders als etwa J. Vercoutter, der in seinem
Büchlein L' Egypte Ancienne (Paris 1963) in der ähnliche Ziele
verfolgenden Reihe Que sais-je einen gleichfalls sehr knappen,
analytisch aufgebauten Abriß bietet, gestaltet E. Hornung das
Thema organisch. Dadurch gelingt es ihm, die Schilderung der
geschichtlichen Entwicklung von der Frühzeit bis zur Eroberung

durch Alexander mit einer Behandlung der ägyptischen Kultur und
ihrer Entfaltung zu verbinden. Daß bei aller gebotenen Kürze
Problematisches nicht verschwiegen und der letzte Stand der Forschung
stets berücksichtigt werden, verdient dankbare Anerkennung
. Man vermißt nichts Wesentliches und ist erfreut über so
viele Details. Er bietet nicht nur das Skelett historischer Tatsachen
und die Abfolge einzelner Dynastien, sondern verleiht
seinem Geschichtsbild durch Eingliederung religions- und kulturgeschichtlicher
Einzelheiten die notwendige Plastizität. So kommt
etwa beim Alten Reich die Wandlung des Königtums unter dem
Einfluß religiöser Strömungen ebenso zur Geltung, wie die Bedeutung
der Expeditionstätigkeit in der klassischen Epoche, die zugleich
ein lebendiges Bild vom Organisationstalent der Ägypter
vermittelt. Damit bietet das vorliegende Heft mehr als eine bloße
Kurzfassung von bereits Gewußtem und beruht auf einer eigenen
Konzeption ägyptischer Geschichte.

Göttingen Christa Müller

Noelle, Wilfried: Helmuth von Glasenapp, Interpreter of Indian
Thought. With a Preface by Dr. Zakir Husain. New Delhi: Max
Mueller Bhavan, German Cultural Institute 1964. VII, 108 S.,
1 Porträt 8° — Max Mueller Bhavan Publications, South Asian
Studies, ed. by H. Rau.

Prof. Helmuth v. Glasenapp (1891—1963), der Nestor der
deutschen Indologen, war mehr als jeder andere Indologe deutscher
Sprache in Indien hoch angesehen. Das beweist der Nachruf
aus Indien, den wir hier anzeigen.

Nach einigen Vorsprüchen wird das Lebenswerk beschrieben
und in den Gang der deutschen Indologie hineingestellt (11—37).
Diese geschichtliche Übersicht macht das Kapitel besonders wertvoll
.

Allerdings wird hier nur die indologische Fadiwisscnschaft berücksichtigt
. Was außerhalb des akademischen Fachs geforscht und veröffentlicht
worden ist, etwa durch Missionstheologen, bleibt ungenannt (von
Arbeiten aus theologischer Feder wird nur Rud. Ottos Gita-Ausgabe
genannt, S. 22, die anderen indologischen Werke des Marburger Theologen
bleiben ungenannt).

Während der Leser diesen Mangel noch bedauert, wird er plötzlich
freudig überrascht, denn S. 33—35 werden die wissenschaftlichen und
literarischen Verdienste deutscher Missionare im Tamulenland im 18. Jh.
aufgezählt (die Reihe deutscher Arbeiten im Tamulischen wird S. 3 5—37
bis zur Gegenwart fortgeführt: zu meinem Bedauern erfahre ich hier,
daß der einstige Missionar W. Graefe in Bangalore starb, ehe er seine
große Geschichte der Tamulischen Literatur beenden und veröffentlichen
konnte).

Später wird es einmal nötig werden, daß das gesamte literarische
Werk der deutschen ev. Missionare in Indien im Zusammenhang dargestellt
wird. Es sei etwa an die umfangreiche Lebensarbeit eines
Dr. Gundert im 19. Jh. in Malabar, an der Westküste Südindiens, im
Malayalam-Sprachgebiet. gedacht 1

Das nächste Kapitel (39—49) zeichnet v. Glasenapp ^s
Theologist (damit ist wohl Religionsforscher gemeint, denn
Theologe würde Theologian heißen). Daran schließt sich
eine Würdigung v. Glasenapps als Lehrer (51—57). Endlich wird
eine Übersicht über die Veröffentlichungen des fleißigen Gelehrten
geboten: „Selected Bibliography" (67—71) mit über
30 Schriften und Büchern; „Selected Essays" (73—76) mit über
30 Abhandlungen.

Im zweiten Teil der Schrift werden drei Essays von Prof-
v. Glasenapp abgedruckt: über Radhakrishnan (79_gl), über
Tagore (8 3—8 5) und über ,,ParalleIs and Contraste in Indian and
Western Metaphysics" (87—99). Ein ausführlicher Index (101—1°6'
beschließt das Buch.

Wie umfassend das Lebenswerk eines Gelehrten sein mag-
so hat auch das reichste Werk seine Grenzen. Auf diese Bit»
noch hingewiesen werden, damit nun eine die überkommene Indologie
ergänzende Bemühung einsetze:

1. Die soziale Not der indischen Völker hat eine ihrer Ursachen
in einer Religion, die den Nächsten nicht kennt. Hier sollte Indolog1
sich zur modernen Indienkunde erweitern und in kritischem Gespräch a
gegenwärtigen Leben und Ringen um eine bessere Zukunft teilhaben

2. Die Welt der dravidischen Völker mit ihrer eigenen Kultur niuß
deutlidicr gesehen werden. So ist es hoch erfreulich, daß das schon