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1966

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

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301

Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 4

302

Moltmann, Jürgen [Hrsg.]: Anfänge der dialektischen Theologie. [.:

Karl Barth, Heinrich Barth, Emil Brunner. XVIII, 320 S. II.: Rudolf
Bultmann, Friedrich Gogarten, Eduard Thurneysen. 344 S. München:
Kaiser 1962/63. 8° = Theologische Bücherei. Neudrucke und Berichte
a. d. 20. Jh., Bd. 17: Systematische Theologie. Kart, je DM 14.50.

„Die Zeiten fielen auseinander und nun steht die Zeit still.
Einen Augenblick? Eine Ewigkeit?" (II; 100) — Wir müssen auf
diese fast ekstatisch fragenden Worte Gogartens zu allererst
einmal antworten: es sind vier, ja bald fünf Jahrzehnte seit jenen,
auch in der protestantischen Theologie „goldenen zwanziger
Jahren" dahingegangen. Die sogenannte dialektische Theologie ist
zu einem Abschnitt der jüngeren theologischen Vergangenheit geworden
, auch wenn ihre Hauptvertreter, die in den anzuzeigenden
Bänden zu Wort kommen, noch leben und gegenwärtig unter uns
sind. Gegenüber historischen Erscheinungen aber besteht für den
interessierten NichtZeitgenossen die Nötigung, sie möglichst
gründlich und an Hand der Quellen zu erforschen. Es ist darum ein
unbestreitbares Verdienst des Hrsg.s, daß er (besonders etwa für
den heutigen Theologiestudenten) in diesen zwei Bänden wichtige
Texte jenes theologischen Aufbruchs leicht zugänglich gemacht
hat, an die man sonst oft nur mit viel Mühe herankommt.
Gelegentlich hat er zu einer Äußerung auch wichtige Reaktionen
der Zeitgenossen hinzugestellt (z. B. Rezensionen zu Barths
Römerbrief i. und 2. Auflage oder die Auseinandersetzung
zwischen Gogarten und Troeltsch). So kann durch Rede und Widerrede
der erregende Dialog und die leidenschaftliche Sprache jener
Jahre dem heutigen Leser besonders greifbar werden.

Bei der Auswahl der Stücke ist Karl Barth mit selbstverständlichem
Recht der größte Raum gewährt worden. Danach rangieren Gogarten,
Bultmann, Thurneysen und E. Brunner, während Heinridi Barth nur mit
einem Vortrag vertreten ist, der zur philosophischen Einordnung der
beginnenden dialektischen Theologie dienen kann. Im „Ausklang" sind
schließlich einige Stücke abgedruckt (z. B. Barths „Abschied von .Zwischen
den Zeiten'" und Gogartens Einleitung zu „Gericht oder Skepsis"), die
das Auseinandergehen der Kampfgefährten und die beginnende gegenseitige
Polemik dokumentieren.

Im Blick auf die spätere Entwicklung der genannten Theologen
in je eigentümlicher und z. T. gegensätzlicher Richtung wird
sich beim Studium der vorliegenden Texte als zweiter Gesichtspunkt
die reizvolle und lohnende Frage nach den Anfängen dieser
je besonderen Wege innerhalb des gemeinsamen Anfangs stellen.
Besondere Beachtung verdient in dieser Hinsicht der (in „Glaube
und Verstehen" nicht aufgenommene) Aufsatz Bultmanns „Das
Problem einer theologischen Exegese des Neuen Testaments", der
eine frühe, aus dem Jahre 1925 stammende Form des späteren
Entmythologisierungsprogramms enthält. In seinem einleitenden
Vorwort gibt der Hrsg. für diese Fragestellung noch einen wichtigen
Hinweis, indem er auf die damals zunächst völlig ungeklärte
Doppeldeutigkcit des Wortbegriffes aufmerksam macht.
(I; XVII f).

Eine dritte Weise des Studiums der hier zusammengestellten
Texte ist schließlich die, sie zur Frage an unsere Gegenwart werden
zu lassen. Diese Absicht scheint dem Hrsg. besonders am Herzen
zu liegen, wenn er im Vorwort schreibt: „In einer Zeit, in der die
alten Geister des 19. Jahrhunderts in einem neuen Kulturprotc-
stantismus, in einem neuen Konfessionalismus, in einem wiedererwachten
exegetischen Historismus und — wie immer mit ihm
gepaart — in einer esoterischen Verinnerlichungsreligiosität wiederkehren
, erscheinen die Proteste, Randbemerkungen, Fragezeichen
und Hinweise ... aus den Jahren von 1919 bis 1923 überraschend
aktuell. Nachdem lange Zeit die Wiederentdeckung der geistigen
Landschaften des 19. Jahrhunderts nach dem Verlust ihrer Traditionen
eine vordringliche Aufgabe war, ist es an der Zeit, sich der
Anfänge der eigenen Gegenwart zu erinnern. Denn hier stehen
noch unerledigte Anfragen an das Geschäft des Theologen überhaupt
an." (Ii IX) Auch diese systematische Fragestellung ist
richtig und nötig. Aber man sollte sich hüten, sie zur allcinhcrr-
schenden zu machen. Das könnte unversehens dazu führen, daß
alle theologische Arbeit von dem „Abschied von .Zwischen den
Zeiten'" an bis heute negiert und zu einer verkrampften Repristi-
nierung jener Anfänge aufgerufen würde. Es kann vielmehr auch
gegenüber dem zweifellos epoche-machenden, keinesfalls nur
episodenhaften Ereignis der dialektischen Theologie nicht eine

kritiklose Übernahme, sondern nur ein dialogisch-kritisches Hören
und Fragen geben. Es war eine Einbildung, daß die Zeit still stehe.
Der gegenwärtige Augenblick läßt sich nicht halten, geschweige
denn ein vergangener zurückgewinnen. Es ist genug, wenn erhellendes
Licht oder auch aufschreckende Fragen von damals unser
Heute erreichen.

Es gibt einige harmlose Druckfehler, nur in Tillichs „Antwort"
könnten sie das Verständnis stören (I; 189 ist der zweite und I; 191 ist
der letzte Satz nicht in Ordnung), einige bibliographische Angaben
(Titelfassungen und Seitenangaben des Originals) sind nicht ganz korrekt.
Im übrigen und im ganzen ist die herausgeberische Arbeit vorzüglich:
neben einem umfassenden, einführenden und zugleich interpretierenden
Vorwort ist noch bei jedem Autor eine besondere kurze Einweisung
gegeben, außerdem ein 218 Titel umfassendes Literaturverzeichnis „Für
und wider die .dialektische Theologie'" angefügt.

Plaue/Thür. Martin Hensch el

Schmaus, Michael, Prof.: Katholische Dogmstik. IV. Band, 1. Halbband
: Die Lehre von den Sakramenten. 6., umgearb. u. erweit. Aufl.
München: Hueber 1964. XXXII, 902 S. gr. 8°. Kart. DM 39.— ; Lw.
DM 44.80.

Die 5. Auflage dieses Werkes wurde von mir in der ThLZ
1963, 8, Sp. 608 ff besprochen. Sie wurde in einer neuen Auflage
jetzt umgearbeitet und erheblich — um fast 200 Druckseiten —
erweitert. Diese wesentliche Erweiterung ist besonders dadurch
veranlaßt, daß im großen Umfang die neuen Ergebnisse der
dogmengeschichtlichen, liturgie-geschichtlichen und systematischen
Forschung weitgehend berücksichtigt werden. Dabei war es das
Bemühen des Verfassers, die so sich ergebenden gewaltigen Stoffmassen
stärker als vorher durchzugliedern, um auf diese Weise
die Übersichtlichkeit des Werkes zu steigern, und man muß sagen,
daß durch dies Bemühen der Gesamteindruck des Ganzen erheblich
günstiger ist als in der voraufliegenden Auflage. Dazu tritt
eine Erneuerung des Literaturverzeichnisses, das ausführlich die
seit der letzten Auflage erschienenen neuen Veröffentlichungen
heranzieht.

Der Verfasser bemerkt in seinem Vorwort, daß seine Darstellung
vielfach durch die Beschlüsse des 2. Vatikanischen Konzils
beeinflußt sei und zitiert auf etwa fünf Seiten einige Textpartien
der Constitutio „De sacra liturgia". Der protestantische
Leser geht daher zunächst mit hohen Erwartungen an die neue Auflage
dieses Werkes heran, etwa mit der Frage, ob vielleicht auch
inhaltliche Veränderungen der Grundkonzeption festzustellen sind.
Leider fühlt er sich in dieser Hinsicht enttäuscht. Er beobachtet hier
und da in der Auseinandersetzung mit entgegengesetzten Entscheidungen
— etwa wie sie im Protestantismus oder bei Luther
vorliegen — eine etwas konziliantere Tonart. Aber das Grundverständnis
des Sakraments ist in allen seinen Teilen unverändert
dasselbe geblieben. Und wer von dem Konzil eine wirkliche Annäherung
katholischer und evangelischer Haltung erhofft hat,
der sollte einmal dies Werk lesen, und er wird es bestimmt aus
der Hand legen mit der Erkenntnis, daß diese Haltungen wesentlich
so unterschiedlich sind, daß man jeweils von einer besonderen
Grundhaltung sprechen muß, die in dem Verhalten zueinander
nur ein permanentes kritisches Gespräch zulassen. Ich kann daher
auch bei der Anzeige dieser neuen Auflage nur auf das verweisen
, was von mir bei der Besprechung der 5. Auflage gesagt
wurde.

Kiel Werner Sch u 111.

Boeckh, Jürgen: Kreuzes-Opfer heute (Quatember 30, 1965/66
S. 55—59).

Ebeling, Gerhard: Hermeneutische Theologie? (KidZ 20, 1965
S. 484—491).

G 1 o e g e , Gerhard: Die Grundfrage der Reformation — heute (KuD 12.
1966 S. 1—13).

Joest, Wilfried: Erwägungen zur kanonischen Bedeutung des Neuen

Testaments (KuD 12, 1966 S. 27—47).
Kantzenbach, Friedrich Wilhelm: Theologie im Horizont der

Hoffnung (ZW 37, 1966 S. 165-173).
Kinder, Ernst: Was bedeutet „Wort Gottes" nach dem Verständnis

der Reformation? (KuD 12, 1966 S. 14—26).
Kreck, Walter: Eine „neue Reformation"? (KidZ 20, 1965 S. 530

—534).