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Ausgabe:

1966

Spalte:

299-300

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Willems, Bonifac A.

Titel/Untertitel:

Karl Barth 1966

Rezensent:

Jüngel, Eberhard

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 4

300

Willems, B. A., Dr., O. P.: Karl Barth. Eine Einführung in sein Den- der KD kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß Barth in der Sache

ken. Übers, v. M. Pfändler. Zürich: EVZ-Verlag [1964]. 120 S. 8°. hier nicht nachgegeben hat. „Heil ist mehr als Sein" (KD IV/l,

Kart. DM 8.70. S. 7)1 Es bedarf hier offensichtlich eines im Blick auf den Seins-

^ ,,, ,. . , ti j j • l. dj. - £ begriff selbst differenzierenden Denkens, um einsichtig zu machen,

A n ',dl,eSeSumltle'tT HundugCut"! R"?" m a inwiefern Barths Analogia fid« ™ar ontologisch relevant ist (im

dem Buchdeckel neben Karl Barth abgebildet Das Buch will an- Sjnne ^ &V(ll iaT0~v dvai)> ohne deshalb dodl Anal i3

schaulich machen. Deshalb stellt sich die „Einfuhrung in sein Den- ,. c. ■ • i / ' - » .

, ■ i j it j. -ti. l-u entis (im sinne einer ara/oyta tov ovtoc) zu sein,

ken zugleich als der Versuch vor, „ein Lebensbild von Karl ' ' ^/

Barth" (9) zu zeichnen. Die als Bedingung dafür vom Vf. postu- Der vom Vf. gegebene Aufweis der theologischen Entwick-

lierte „einfühlende Sympathie" (9) wird man ihm nicht absprechen hing Barths ist treffend. Daß Barths Verständnis für die Schola-

können. Ebensowenig wird man ihm bestreiten können, daß eine stiker besonders herausgestellt wird, ist verständlich. Der Ver-

solche Zeichnung nur als „das notwendigerweise unvollkommene wandtschaft zu den Titanen der Scholastik braucht sich auch der

Lebensbild" (11) des großen „alten" Mannes gelten kann, dessen evangelische Theologe nicht unbedingt zu schämen; vor allem

Größe ja nicht zuletzt in seiner erstaunlich jung gebliebenen Kraft dann nicht, wenn er auch dort die Theologie unter eschatolo-

des theologischen Denkens und Umdenkens immer wieder er- gischem Vorbehalt sich vollziehen sieht (cf. KD I/l, S. 21). Ob

fahren wurde. Gerade Barths Verhältnis zur katholischen Theologie freilich der Torsocharakter der theologischen Summe des Thomas

darf als ein beredtes Beispiel dafür angesehen werden. Und eben von Aquin im Blick auf Barths Werk zu assoziieren erlaubt, es sei

dieses Verhältnis macht es verständlich, daß von katholischer Seite „nicht unmöglich, daß auch das Werk von Barth ein Torso

nach den von Hans Urs von Balthasar, Henri Bouillard und Hans bleibt..." (44) — das ist eine Frage des Geschmacks.
Küng vorgelegten großen kritischen Untersuchungen, die von den

eindringlichen fundamentaltheologischen Einzelanalysen Gottlieb Die Theologie Barths bringt der Vf. in vier Segmenten zur
Söhngens vorbereitet und begleitet wurden, nun auch eine in mehr Kenntnis, wobei es ihm gelingt, jeweils im Teil das Ganze aufpopulärer
Form gehaltene Einführung in Barths Denken angeboten leuchten zu lassen. Dabei wird das systematische Problem jeweils
wjrd. durch typische Begebenheiten aus dem Leben Barths illustriert, so

daß auch die kompaktesten Probleme der Dogmatik sich erstaun-

Das Buch ist aus dem Holländischen übersetzt von Marcel lieh locker anbieten. Unter der Überschrift „Barth und die Politik"
Pfändler. Der ev. Basler Kirchenhistoriker Max Geiger hat der (45—58) wjrd Barths politisches Verhalten gegenüber National-
deutschen Ausgabe ein Vorwort vorausgeschickt, das dem Vf. Sozialismus, Kapitalismus und Kommunismus als Konsequenz
die „Kunst demütigen Hörens" (5) dankbar bescheinigt. Vor allem seines theologischen Ansatzes, das Wesen des Staates von der
wird gelobt, daß der Vf. „die ökumenische Tragweite der Barth- Rechtfcrtigungslehre her zu begreifen, verständlich gemacht: da?
sehen Theologie in besonderer Weise durchdenkt und beleuchtet" Verhältnis von Kirche und Staat ist in dem Maße kritisch, in dem
(6). Wie geschieht das? es positiv ist; ist es doch „die Aufgabe der Kirche, den zukünftigen

Von einer Einleitung und einem Epilog eingerahmt, wird in ,Staat ,zu P^digen" (52) - Daß „Christus im Zentrum" des theo-
drei Abschnitten Barths theologischer Entwicklung und in vier Wischen Denkens Barths steht macht der folgende Abschnitt (59
weiteren Abschnitten seiner Theologie (in Beschränkung auf ent- ~72).J0r lm ™* auf, die *ristologische Begründung der
scheidende Kristallisationspunkte) nachgedacht. „Im Banne des Erwahlungslehrc und der Lehre von der Sünde klar. Vf. meint
Liberalismus" (13-21) erscheint der Student, der den Wünschen allerdings, daß Barth „sich selbst zum Trotz doch noch an Verdes
konservativen Vaters entgegen von Bern über Berlin und schiedenen Punkten mit einer idealistisch infiltrierten Philosophie
Tübingen nach Marburg strebte und also in Adolf von Harnack arbeitet" (70). Die Beschränkung, die sich der Vf. auferlegt hat,
und Wilhelm Herrmann seine theologischen Lehrer fand. Herr- ™acht s,dl hier sowohl ln der positiven Darstellung des chnsto-
manns These, „daß der Glaube sich selbst legitimiert und keine logischen Zusammenhangs der ganzen KD als auch in der kritischen
anderen Wissenschaften nötig hat", wurde von Barth als „das Frage nach den die KD bestimmenden Denkformen Barths beson-
Rattengift gegen alle Spitzfindigkeiten in der Theologie" (18) be- ders schmerzlich bemerkbar. - Die „ökumenische Bedeutung" der
grüßt. Und dieses Erbe des liberalen Lehrers wurde denn auch Theologie Barths wird durch ein Referat der wichtigsten katho-
später trotz aller Modifikation nicht aufgegeben. Allerdings führt lischen Untersuchungen zur KD aufgewiesen (73-93). An der
das im Pfarramt erfahrene Ungenügen der liberalen Theologie zum weitgehenden Übereinstimmung der KD mit katholischer Lehre
radikalen Bruch mit ihr, der sich dem Vf. vor allem als „Abschied können nach Meinung des Vf. auch Barths verschiedene Polemiken
von Schleiermacher" (23—32) darstellt. Die Epoche der dialek- gegen den römischen Katholizismus nichts ändern. Ja, in der Nähe
tischen Theologie, die Barths zweite Auflage des Römerbrief- Barths erfährt man selbst, „daß kläffende Hunde selten beißen >
kommentars heraufführt, steht im Zeichen des Paradoxes und meint der Vf. (78). — Schließlich untersucht der Vf. „Die Lehre
unter dem Einfluß Sören Kierkegaards. Aber les extremes se von der Kirche" (95—114). Dabei werden wir stärker mit des V'-
touchent. . . ! Der radikale Bruch mit dem Liberalismus führt eigenen Erwägungen bekannt gemacht. Die in der Ekklesiolog'e
Barth schließlich auch von dieser bloßen Gegenposition weg zu der auftretende Differenz wird vom Vf. auf ein verschiedenes VerEinsicht
, daß „auf die objektiven Elemente der Theologie — Tri- ständnis des Menschseins Jesu Christi zurückgeführt, das Barth
nität, Prädestination, Christologie — neues Gewicht zu legen" zwar richtig „als eine fortdauernde Tat Gottes" (112) versteht'
(31 f) ist. Und so führt sein Weg „Von Kierkegaard zu Anselm" von dem her nun aber auch die Kirche als „die Heilsaktivität selbst
(3 3-44), also in die unmittelbare Nähe der Analogia entis. in erschaffener und also verschleiert offenbarender Gestalt" (H^

, verstanden werden müßte. Diese Konsequenz zieht Barth jedocn

Daß Barth freilich die Konzeption der Analogia entis ver- nidlt und deshalb kann er auch njcht das Mensch]iche in der

wirft und ihr auch i n der Analogia fidei keinen P atz einräumen Kirche jm Licht der einzigartigen begnadigten Menschheit unseres

will, erscheint dem Vf. als unsachgemäß Es ist allerdings wohl Erlösers" (U3) sehen In der TatI Barths Lehre von dcr AnhyP"'

auch etwas zu harmlos geurteilt, wenn Vf. meint, Barth habe im stasje dßr menschlidlen Natur Jesu christi ist eben auch für sei*

Vorbeigehen (!) die natürliche Theologie zu verurteilen die ,,Gc- Kirchenverstandnis bedeutsam. Und so llt denn des Vf. i"1

legenheit ergriffen; was dem Vf. dann „etwas zu weit gehen mag £ , .. () 5_UQ) hem WcTsi(h Barth ,nicht vorzeitig

derr,durch B*»hs/nse mbudi axiomatisch vorbereiteten kanonisicren<. (l20 Bzlf wol,en, nicht nuron katholischer Seite

Kirchlichen Dogmatik wird ja die Analogia entis gerade als Inbc- her vcrständlich> sondern fur de„ cvangeIischen Leser auch einiget'

griff natürlicher Theologie der Erfindungsgabe des Antichristen ß ermuti d Denn dje Bcdcut eincs ökumenischen f

zugewiesen (KD I/l, S VIII). Und der Vf. gesteht ^elbs daß die ^ ^ ^ ^ ^ ^ daß

Lektüre dieses Satzes „kein ungeteiltes Vergnügen (10) bereitet. „ ^ sq ^ sdn wie „ jsf Das Buch des Dom>"'-

Man mußte doch wohl Barth hier selbst so ernst nehmen, wie er k tcrs g A Wi„cms jsf audl jn dicsgr Hinsicht svmpathisch-

es meinte. Und daß er es heute anders meint, hat er bislang nicht „ . . . . . ... . , . ,

1 u aj.jt-1^. j __i. ,..„ Der Vf. verlangt vom Leser in keiner Hinsicht zuviel.

zu erkennen gegeben. Auch das Zurücktreten der expliziten 6 .

Polemik gegen die Analogia entis in den bislang letzten Bänden Berlin Eberhard junge