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Ausgabe:

1966

Spalte:

288-290

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Rahner, Hugo

Titel/Untertitel:

Ignatius von Loyola als Mensch und Theologe 1966

Rezensent:

Loewenich, Walther

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 4

288

Thema sind instruktiv. Viele Einzeldarstellungen sind bekannt,
aber es wird hier die Möglichkeit geboten, die Abbildungen hintereinander
betrachten und vergleichen zu können. Es ergibt sich ein
eindrücklicher Überblick, für den man zu danken hat. Etwa ein
Drittel des Buches beruht auf Erklärungen der Bilder. Mehrere
Kapitelüberschriften sind von daher geprägt und lassen den Fortgang
erkennen: Kap. 1 Die Frauen unter dem Kreuz, Kap. 9 Der
Schleier der Synagoge, Kap. 10 Sinnbilder der Eintracht, Kap. 11
Ecclesia universalis, Kap. 12 Das Ende des großen Symbols. Leider
ist dem in den USA lehrenden Autor einige Literatur entgangen.
Es fehlt die Arbeit von Weis, Die „Synagoge" am Münster zu
Straßburg („Münster", 1947, Heft 3/4), unerwähnt bleibt Oepkes
Buch ,,Das neue Gottesvolk" (Gütersloh 1950). Besonders bedauerlich
ist es aber, daß Seiferth die Arbeit von A. Raddatz „Die
Entstellung des Motivs Ecclesia und Synagoge" nicht kennt. Diese
theologische Dissertation (Berlin, Humboldt-Univ., 1959) ist zwar
ungedruckt, doch wurde über sie in Kunst und Kirche, 1960, Heft 4
berichtet. So führt S. die Entstehung des Ecclesia-Synagoge-Motivs
— wie schon Weber und Künstle — auf eine Darstellung der Con-
cordia beider Testamente zurück, sieht in der „Synagoge diu
Vorläuferin" und in der „Ecclesia die Erfüllung" (S. 18). Zum
Beweis bringt S. aus dem Zusammenhang gelöste Bibel- und Väterzitate
. Dagegen hatte Raddatz gezeigt, daß das Motiv, als es um
8 50 im Westfränkischen Reich in der Werkstatt Pseudoisidors
entsteht, eine eng umrissene, zeitlich bezogene und von der hochkirchlichen
Partei dieses Reiches ihm gestellte Aufgabe hat. Unter
dem Kreuz stellt das Motiv Ecclesia und Syngoge als fides und
perfidia gegenüber und will so zur Beachtung der kanonischen Bestimmungen
über die Juden zurückführen.

Es seien einige kritische Hinweise zu Einzelheiten gestattet. Mit
dem Greis unter dem Kreuz in der Initiale O des Drogosakramentars
ist nicht „wohl eine Gestalt des Judentums gemeint, von dem sich
Christus abwendet" (S. 16), sondern der Prophet Hosea, der hinweist auf
die Erfüllung seiner Prophetie „ero mors tua o mors, morsus tuus ero
inferne" (Hos. 13, 14), dargestellt durch die um den Fuß des Kreuzes sich
windende Schlange und Auferstehende (Raddatz, S. 5). Das Nicasius-
Diptychon (Goldschmidt) scheidet aus der Gruppe der Elfenbeinarbeitcn
mit Ecclesia-Synagoge-Darstellungen aus, denn es zeigt nicht die Synagoge
, sondern die trauernde Tyche von Jerusalem (Raddatz S. IX gegen
Seiferth S. 17). Die Bamberger Tafel (Goldschmidt I, Abb. 41) wurde von
S. um 870 datiert (S. 20), obwohl Raddatz wegen des hier erstmals auftretenden
Altercatio-Motivs die Datierung um 850 sehr wahrscheinlich
gemacht hat. Unglücklich sind die Versuche von S. bezüglich der Roma-
Gestalt. Auf der Bamberger Tafel zwischen Oceanus und Gäa handelt es
sich um den Propheten Hosea (Raddatz, S. 6). Auch am Fuße des Kreuzes
auf dem Budideckel von Codex lat. 93 83, Paris (Goldschmidt 1, Abb. 83)
thront nicht die Roma, wie S. auf S. 22 meint, sondern die Ecclesia, die
den Thron der Synagoge eingenommen hat und nun deren „hasta signi-
fera" führt, entsprechend der Altercatio: ego sum regina, quae te de
regno deposui (Migne, PL 42, 1135); es handelt sich also um ein „Herrschaftsbild
" der Kirche (Raddatz S. 9 gegen Seiferth S. 22). Leider halten
die über die Kunstgeschichte hinausgehenden Kapitel wissenschaftlichen
Ansprüchen vielfach noch weniger stand. Dafür seien die Anmerkungen
aus dem 2. Kapitel genannt: Auf S. 32 wird Paulin von Nola zitiert, als
Beleg liest man Anm. 1: Hortus deliciarum der Herrad von Landsberg,
12. Jhdt. Die 2. Anmerkung soll einige Augustin-Zitate belegen: A. v.
Harnack, Augustin. Reflexionen und Maximen, Tübingen, 1922. Auf
S. 3 5 wird Isidor von Sevilla zitiert, die Anmerkung nennt den Fundort:
Ch. Cahiers — A. Martin, Vitraux paints I, 66. Nicht besser ist es auf
S. 36, wo eine hochinteressante Typologie auf Gregor d. Gr. zurückgeführt
wird; der Beweis in der Anmerkung lautet: So bei Hugo von
St. Viktor, dem deutschen in Paris lehrenden Mystiker C* 1141) nach
dem Vorbild Gregors d. Gr., zitiert nach R. Reiners — W. Ewald, Kunstdenkmäler
Nr. 128, 139. Die Reihe solcher Belege aus Sekundär-Literatur
ließe sich beliebig fortsetzen. Auf S. 109 wird ein Origenes-Zitat nicht
einmal aus Sekundär-Literatur belegt; S. 111 wird aus einer 1590 erschienenen
Schrift zitiert, ohne daß der Titel, der Verfasser oder der konfessionelle
Standort jener Quelle genannt würde. Es ist offenkundig,
daß der Autor einige Lesefrüchte zusammengetragen hat und eine Überprüfung
der Quellen nicht für nötig hielt.

Bei solcher Arbeitsweise überrascht es kaum, daß sich eine Reihe
recht großzügiger und eigenwilliger Urteile findet. Da heißt es z.B.:
„Synagoge ist eine Schöpfung prophetischer Poesie; sie wurde konzipiert
von Jeremias, beschworen in Matth. 23, von Paulus in die typologische
Auslegung der Schrift verwoben und von den Kirchenvätern und
Hymnendichtern in dieser Stellung bestätigt" (S. 52). Ganz sicher wird
auf S. 57 erklärt: „Die Aufnahme der Altercatio in die Osterliturgie

fällt in die gleiche Zeit". Wo sind die Beweise? Das Kapitel 5 hat die
Überschrift „Christen und Juden im Mittelalter"; es umfaßt knapp
13 Seiten und reicht bis ins 9. Jhdt hinein. Über die Germanen, die in
der Völkerwanderungszeit in das Römerreich kamen und Christen
homöischer Konfession wurden, sagt S.: Es ist „Tatsache, daß die erobernden
Germanen der arianischen Lehre anhingen, einer seit dem
Konzil von Nicäa (325 n.Chr.) als ketzerisch geltenden Irrlehre, welche
die Göttlichkeit Jesu in Abrede stellte und sich damit, wenn auch
absichtslos, der jüdischen Auffassung näherte" (S. 74). Mit dieser kühnen
Schau verbindet S. den Erlaß des Gotenkönigs Theoderich, der den Juden
den Wiederaufbau einer Synagoge erlaubte. (Beleg ist nicht Cassiodor,
sondern Bühler, Die Germanen in der Völkerwanderung, 192S, S. 280.')-
Johannes Scotus Eriugena wird S. 81 als Nachfolger Alkuins bezeichnet,
was man nur bedingt sagen kann; Bodo als Beichtvater Ludwigs des
Frommen (S. 82) ist vollends ohne Beweis. Die Kaiserin Judith war wirklich
nicht das „Rückgrat der schwindenden Zentralgewalt" (S. 87). Über
Agobard von Lyon (9. Jhdt) schreibt S.: „Auch ist er einer der ersten,
der die Gültigkeit des priesterlichen Amtes auch in den Händen eines
unwürdigen Priesters verteidigt" (S. 96). Gemeint ist offensichtlich die
Wirkungskraft der Sakramente unabhängig von der jeweiligen moralischen
Qualifikation des Spendenden, — ein Thema, das im 4.1$. Jahrhundert
zwischen Augustin und den Donatisten umkämpft war, wenn
man nicht sogar bis zum Ketzertaufstreit des 3. Jahrhunderts zurückgehen
will. Auf S. 96 findet sich das Pauschalurteil, daß die Könige Deutschlands
„seit Karl d. Gr. Römisdie Kaiser waren". Weiß S. wirklich nichts
von der Problematik, die hier vorliegt? Die scböngeistig-fculletonistiscbe
Darstellungsweise kommt im Schlußkapitel unter der Überschrift „Humanistisch
-protestantisches Nachspiel" besonders zum Zuge. Auf 12 Seiten
werden Luther, Thomas von Aquino, Dante, Raffael, Bach und Kant
zitiert bzw. erwähnt, denen auf der letzten Seite noch die Namen Martin
Buber, Franz Werfe!, Romano Guardini, Gertrud Le Fort, Wilhelm
Maurer, Hans Joachim Schoeps und endlich Blaise Pascal folgen.

Dem Verfasser gebührt Dank für die Zusammenstellung der
Bilder. Nützlich sind auch die Kapitel 6 Agobards Briefe und 8
Das Drama vom Antichrist und das Prophetenspiel; in diesen
Kapiteln wird ein bestimmtes, relativ kleines Material gründlicher
behandelt. Die übrigen Kapitel enthalten eine Fülle von Anregungen
, die jedoch meist unbewiesen bleiben und nur zum Teil richtig
sind. Methode und Inhalt des Textes halten wissenschaftlichen
Ansprüchen nicht stand. Das ist gerade bei einem so wichtigen
Thema zu bedauern.

Rostock Gert Ilaend I e r

R a h n e r , Hugo: Ignatius von Loyola als Mensch und Theologe. Freiburg
—Basel—Wien: Herder [1964]. 528 S., 1 Taf. 8°. Lw. DM 49.80.
Hugo Rahner gilt mit Recht als einer der führenden deutschen
Ignatius-Forscher der Gegenwart. Sein Werk über den Briefwechsel
des Ignatius von Loyola mit Frauen hat Aufsehen erregt-
Daneben sei an sein Buch „Ignatius von Loyola und das geschieht'
liehe Werden seiner Frömmigkeit" (1949 2) erinnert. Aber
H. Rahner hat sich darüber hinaus in vielen anderen Studien mit
der Gestalt des Ignatius beschäftigt. Man greift darum mit großen
Erwartungen zu dem jetzt vorliegenden Band gesammelter Aufsätze
über Ignatius. Von den gesammelten 20 Beiträgen erscheinen
der erste („Aus der Geschichte des Hauses Loyola") und der
siebente („Das Charakterbild des Ignatius nach den Konstitutionen
") hier zum erstenmal. Bei den übrigen handelt es sich um
einen Neudruck von früheren Veröffentlichungen in Zeitschriften
und Festschriften. Es ist an sich schon begrüßenswert, daß diese
wichtigen Aufsätze nunmehr bequem greifbar sind. Aber es handelt
sich um mehr als um eine handliche Zusammenstellung von bisher
verstreuten Einzeluntersuchungen. Dem Leser dieses Buches wir"
sehr bald deutlich, daß er es mit diesen 20 Beiträgen mit einem 'n
sich geschlossenen Gesamtbild des Ignatius zu tun bekommt. DaS
Werk des Ignatius wird als „gelebte Theologie" verstanden. Igr>3'
tius war nicht nur der soldatisch geschulte Willensmensch, nicht
nur der überragende Organisator, nicht nur der nach Heiligu"?
strebende Ordensgründer, nicht nur der leidenschaftliche Kämpfe
für den Bestand der durch die Zeitereignisse bedrängten römische^
Kirche, sondern er war als „Heiliger" zugleich Theologe, freili*
nicht im eigentlich wissenschaftlichen Sinn, sondern eben al
Vertreter einer gelebten Theologie. Als Mitte und Motiv dieser
Theologie arbeitet Rahner die „Christozentrik des hl. Ignatius
heraus. Das Wesen dieser Theologie wird nach R. nur in Gcgen'
Sätzen erfaßt: „in der Einheit von Weltlichem und Geistlichem-
zwischen der Innerlichkeit der mystischen Begnadung und dem