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1966

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Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 4

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der Besetzung kirchlicher Ämter durch Kandidaten sehr verschiedener
sozialer Herkunft. Überhaupt kehrt Verf. immer wieder zu Problemen
zurück, die sich an die Verbindung römischen Wesens mit der katholischen
Kirche, an die Beeinflussung der Massen durch die „christlich-
weltflüchtige Haltung vieler Hochgestellter" (S. 141) u. a. m. knüpfen.

Verf. kommt zu der zwingenden Schlußfolgerung, daß das römische
Nordafrika eine leichte Beute der Vandaleninvasion wurde (S. 144, vgl.
150), während in den römisch gebliebenen Restgebieten dieses Landes
wohhibgcwogene Maßnahmen zugunsten der Grundbesitzer ,,sicherlich
beruhigend und fördernd im Sinne der Erhaltung der Sklavenhaltergesellschaft
gewirkt" haben (S. 146).

„Ansturm der afrikanischen und germanischen Barbaren und Untergang
des römischen Nordafrika" betitelt sich das 4. Kapitel. Im Mittel-
Punkt des ersten Abschnitts, der den afrikanischen Barbaren gewidmet
ist, stehen Betrachtungen über die Entwicklung der gesellschaftlichen Verhältnisse
bei den einheimischen Stämmen und deren Zusammenwirken
mit der mehr oder weniger romanisierten Bevölkerung bei gemeinsamen
Aktionen gegen die römische Ordnung, die mit der Zeit zu Einbußen des
römischen Machtbcreichs führten. Der zweite Abschnitt, der über die
Vandalen handelt, holt zunächst etwas weiter aus und beschäftigt sich
mit der Urgeschichte der Vandalen bis zu ihrem Auftreten in Spanien,
danach mit der Vorgeschichte und Problematik der Aggression Nordafrikas
, um schließlich „Wirkung und Ergebnisse des Vandaleneinfalls"
zusammenzufassen. Besonderes Interesse verdient der Exkurs über die
Politischen Ansichten Augustins und seine Stellungnahme zur Völkerwanderung
. Verf. setzt sich in diesem Exkurs mit Meinungen moderner
Gelehrter auseinander (Lohse, Straub u. a. m.) und unterstreicht Augustins
Bedeutung als die eines offenen Verteidigers des Römischen Reichs,
mit dessen Problematik er sich in Jahrzehnten auseinandergesetzt habe
(S. 175 ff). Während Salvian und Orosius den Germanen gegenüber eine
aufgeschlossenere Haltung eingenommen hätten, könne man bei Augustin
keineswegs von einer Legitimierung der sich bildenden Germanenstaaten
sprechen.

Verf. handelt weiterhin von der politischen Vernichtung Roms in
Nordafrika, neben der eine kulturelle und sozialökonomische Schwächung
des bisher maßgeblichen Einflusses einherging. Dabei betont Verf. später,
daß die Kontinuität der sozialökonomischen Struktur von der römischen
über die vandalische bis zur byzantinischen Zeit weit besser gewahrt
blieb als beim Übergang von der letzteren Zeit zur Periode des Islam
(S. 195).

Wie Rezensent bereits eingangs hervorhob, hat sich Verf. im
vorliegenden Buch ein Thema gestellt, auf das ihn seine früheren
Arbeiten folgerichtigerweise hinführten. Mit großer Sachkenntnis
und ausgerüstet mit einem weiten Überblick über die gesamten
Quellen geht Verf. an die Behandlung der schwierigen Problematik
heran. Seine Schlußfolgerungen zieht er mit der ihm eigenen
Vorsicht und in ständiger Auseinandersetzung mit der modernen
Wissenschaftlichen Literatur.

Wie ein roter Faden durchzieht das ganze Werk des Verf.s
das Problem, inwiefern der Katholizismus und als sein Haupt-
Vertreter Augustin zwangsläufig zu Verteidigern römischer Ordnung
und römischen Wesens wurden, während die frühere revolutionäre
Haltung des Christentums, die Tertullian vertrat, Cyprian
aber bereits in gewissem Ausmaß mit Zügen der römischen
Sklavcnhalterordnung durchsetzte, auf die Schismatiker überging.

Merkwürdigweise hört man im ganzen Buch nichts über den
dichter Commodian, dei wie kein zweiter den revolutionären Gedanken
des Christentums Ausdruck verliehen hat. Zugegeben, daß
9rt und Zeit seines Wirkens bis auf den heutigen Tag nicht mit
Sicherheit festgestellt sind. Immerhin spricht viel Wahrscheinlichkeit
für Afrika als Stätte seines Wirkens, und seine Werke bieten
eirie ausgezeichnete Illustration für die Verbindung christlich-
evolutionärer Propaganda mit den sozialen Forderungen und
"Wartungen der radikalsten Volksschichten.

Verf. beschäftigt sich wiederholt und eingehend mit sozialökonomischen
Problemen, so der Lage der Curialen, dem Prozeß
9tt Verarmung breiter Schichten in den Städten u. a. m. Ein Wiehres
Problem scheint dem Rezensenten in diesem Zusammenhang
*twas zu kurz zu kommen, nämlich das Problem des Mangels an
Arbeitskräften auf den großen Besitzungen.
v Man kann dem Verf. nur Recht geben, wenn er feststellt, die
Klassengegensätze auf dem Lande seien fast stets mit religiösen
yoblcmen verbunden gewesen (S. 108). Desto größere Verwundung
erwecken Äußerungen, die die Bedeutung des Klassenkampfes
für die Spätzeit herabmindern (S. 105), obwohl wenig

später von offenen Widerstandsaktionen neben einer — offenbar
als latent anzusehenden — zweiten Widerstandsform die Rede ist
(S. 111).

Irreführend ist der Passus über die „Anerkennung des katholischen
(homoiousischen) Christentums" (S. 11), besonders im
Hinblick auf die in der Zeittafel zu den Ereignissen der Jahre 325
und 381 gegebenen Erklärungen (S. 203). Verf. stand vor der
Wahl — wenn er schon an dieser Stelle einen Zusatz zu „katholischen
" für notwendig hielt — entweder „homoousischen"
hinzuzufügen oder „homoiousischen" zu sagen und dieses
Wort durch einen Zusatz oder in der Zeittafel oder durch eine
Anmerkung zu erläutern. Das Buch ist nicht allein für Theologen
geschrieben, sondern wendet sich vor allem an Historiker und
historisch interessierte Leser, und bei diesen lassen sich nicht eingehende
Kenntnisse der komplizierten kirchlichen Kontroversen
des 4. Jahrhunderts voraussetzen.

Immerhin vermögen die im Vorstehenden zum Ausdruck gebrachten
Erwägungen dem Wert des Buchs als solchen keinen
Abbruch zu tun. Es ist sehr begrüßenswert, daß Verf. die Aufmerksamkeit
der gelehrten Welt auf die besonderen Verhältnisse
Nordafrikas zur Zeit der großen Wende lenkt, die Europa während
der sogen. Völkerwanderung durchmachte. Gegenüber den gemeinsamen
Entwicklungstendenzen, die für das ganze römische Weltreich
zu erkennen sind, treten die besonderen Entwicklungslinien
deutlich hervor, die die nordafrikanischen Gebiete vor den übrigen
Teilen des Orbis Romanus auszeichneten. Es wäre verfehlt, irgendwelche
Parallelen ziehen zu wollen, aber es liegt zu deutlich auf
der Hand, daß die Geschichte der nordafrikanischen Besitzungen
Roms in ihren letzten Jahrhunderten in unserm Zeitalter besonderes
Interesse verdient, in dem die europäische Kolonialherrschaft
in ebendenselben Gebieten zu Ende gegangen ist. So kommt dem
vorliegenden Werk eine besondere Aktualität zu.

Bemerkenswert ist die Reichhaltigkeit des Literaturverzeichnisses
, das dem Buch vorangestellt ist und manchem Leser nützen
wird. Die Zeittafel am Ende des Buchs erleichtert es dem Leser,
sich in den Zeitverhältnissen zurechtzufinden. Sieben Karten im
Text vermitteln ein Bild von den geographischen Verhältnissen
Nordafrikas in der zur Debatte stehenden Zeit und von den Veränderungen
, denen die verschiedenen Machtsphären unterworfen
waren.

Berlin Wolfsang Seyfartli

Daniel ou, Jean: L'Adversus Arium et Sabellium de Gregoire de
Nysse et l'Origenisme cappadocien (RechSR LIV, 1966 S. 61—66).

Hyldahl, Niels: Zum Titel Fleoi JJdnxn bei Meliton (Studia Theo-
logica 19, 1965 S. 55—67).

Isnenghi, Alfons: Textkritisches zu Augustins „Bekenntnissen"
(Augustiniana IS, 1965 S. 361—388).

Kretzschmar, Georg: Wahrheit als Dogma — Die alte Kirche
(Was ist Wahrheit? Hamburger theologische Ringvorlesung. Göttingen
: Vandenhoeck & Ruprecht 1965 S. 94—120).

Tscholl, Josef: Augustins Aufmerksamkeit am Makrokosmos
(Augustiniana 15, 1965 S. 389—413).

W i n s 1 o w , Donald F.: Gregory Nazianzus and Love for the Poor
(Anglican Theological Review 47, 1965 S. 348—3 59).

KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

S e i f e r t h , Wolfgang: Synagoge und Kirche im Mittelalter. München:
Kösel-Verlag [1964]. 247 S., 65 Abb. a. Taf. 8°. Lw. DM 19.50.

„Ecclesia und Synagoge sind durch die Plastiken am Straßburger
Münster und im Dom zu Bamberg jedermann geläufige
Allegorien des Mittelalters. Welche theologischen, künstlerischen
und literarischen Überlegungen diesen Personifizierungen des
Alten und des Neuen Bundes zugrundeliegen, versucht der Verfasser
anhand von bisher nur wenig bekannten Dokumenten zu
erhellen". Dieser Ankündigung auf der ersten Umschlagseite folgt
auf der letzten die Formulierung: „Christentum und Judentum bemühen
sich unter dem Eindruck der Erlebnisse der jüngsten Vergangenheit
um ein rechtes Verständnis. Dieses Buch macht Antworten
zugänglich, die das mittelalterliche Christentum auf
heutige Fragestellungen bereithält." Der Verfasser ist offenbar
Kunsthistoriker; die im Anhang gebotenen Abbildungen zum