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1966

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 3

226

«Gesangbuch-Reformen in Schwedisch-Pommern im 18. Jahrhundert
" ein neuer Beweis dafür, mit welch geringen Auswirkungen
sich das Gesangbuch der Aufklärungszeit in den Gemeinden
hat durchsetzen können. Einen zusammenfassenden Bericht über
hymnologische Standardwerke aus der Schweiz liefert Ernest
Muller.

Der Literaturbericht zur Liturgik ist durch einen Abschnitt
über wissenschaftliche Bibelauslegung, Konkordanzen, Übersetzungen
, Untersuchungen erweitert worden, den das Institut für nt.
Textforschung in Münster zusammengestellt hat. Da der Raum,
der für den Literaturbericht zur Verfügung steht, nur knapp besessen
ist, kann die erstrebte Vollständigkeit nicht immer erreicht
werden. Mit Recht wird das Schwergewicht auf die für die Forschung
wichtigen großen Veröffentlichungen und schwer-erreichbare
fremdsprachige Literatur gelegt. Ausländische Forscher
behandeln die Literatur aus Dänemark, Schweden, Finnland, der
Niederlande, der Tschechoslowakei, Frankreich und Nordamerika.
Völlicr neu ist die Berichterstattung über Kalender- und Perikopen-
fragen (August Strobel) aufgenommen worden.

Der Literaturbericht zur Hymnologie erfolgt wieder in Form
einer kommentierten Bibliographie. Dabei bleibt vorbehalten,
daß Standardwerke in besonderen Besprechungen zur angemessenen
Behandlung kommen. Auch hier wird die hymnologische
Forschung des Auslands — diesmal in Finnland, Frankreich, der
Tschechoslowakei und Ungarn — dargestellt.

Jeder, der an liturgischer und hymnologischer Forschung
interessiert ist, wird es sowohl dem Verlag wie den evangelischen
Landeskirchen danken, daß das Jahrbuch nun bereits zum achten-
mal seinen Dienst in Theologie und Kirche tun darf.

Groifswald William N a ge 1

Gülden, Josef: Johann Lcisentrits Bautzener Meßritus und Meßgesänge
. Münster/W.: Aschendorff 1964. 68 S. gr. 8° = Katholisches
Leben und Kämpfen im Zeitalter der Glaubensspaltung. Vereinsschriften
der Gesellschaft zur Herausgabc des Corpus Catholicorum, 22.
Kart. DM 5.80.

Das vorliegende Heft, dem Hubert Jedin ein Geleitwort vorangestellt
hat, gibt einen vom Verfasser selbst hergestellten und
bearbeiteten Auszug aus seiner weit umfangreicheren Veröffentlichung
„Johann Leisentrits pastoralliturgische Schriften" (Leipzig:
St- Benno-Verlag 1963, 304 S. = Studien zur katholischen Bistums
- und Klostergeschichte, Bd. 4). Aus dem größeren Werk
wurden speziell jene Abschnitte ausgewählt, die einen Einblick in
die Bemühungen L.'s um Theologie und Gestaltung der Meßfeier
gewähren. Die Einleitung, die L.'s geistesgeschichtlichen und theologischen
Ort „zwischen der innerkirchlichen, humanistischen Reformbewegung
und der nachtridentinischen Regeneration" zu bestimmen
sucht, ist im wesentlichen ungekürzt aus dem größeren
Werk übernommen; ebenso das 1. Kapitel, das L.'s Bautzener Meßtitus
von 1570 ediert und kommentiert. Der Kommentar zu „De
modo Missae audiendae" von 1571 erscheint jedoch nur anhangsweise
und ist stark gekürzt; auf einen Abdruck der Quelle ist ganz
Verzichtet. Kapitel 4 der vorlaufenden Veröffentlichung („Um
die Erlaubnis deutscher Gesänge zum Hochamt") ist demgegenüber
wieder vollständig mit Texten und Kommentaren abgedruckt.
üie zusammenfassenden „Ergebnisse" (Kap. 12, hier Kap. 3) beschränken
sich naturgemäß auf die Fragen, die im vorliegenden
Extrakt berührt werden.

Es ist deutlich, daß diese und ähnliche Arbeiten, die sich
"euerdings mit der Person und dem Werk L.'s befassen (W. Gerb-
'ieb, J. L. und die Administratur des Bistums Meißen in den Laufen
, Leipzig 1931/1959; W. Lipphardt, J. L.'s Gesangbuch von
}567, Leipzig 1963), nicht einem rein lokalhistorischen Interesse
ihre Entstehung verdanken, sondern von der Absicht getragen
werden, diesen hervorragenden „Vertreter der kirchlichen und
speziell liturgischen Erneuerungsbewegung des 16. Jahrhunderts"
tfr die gegenwärtigen Erneuerungsbestrebungen im Katholizismus
fruchtbar zu machen. Die Gestalt des Bautzener Stiftsdekans (seit
1559), Generalkommissars und Administrators des Bistums Meis-
^n in den beiden Lausitzen, der während eines verzweifelten
j^arnpfes um die Erhaltung des römischen Kirchenwesens in seinem
JUrisdiktionsgebict mehr von seinen Gegnern lernte, als viele seiner
Zeitgenossen und spätere Generationen billigen und begreifen
konnten, ist in der Tat für einen solchen Versuch durchaus geeignet
.

Es erscheint nicht ausgeschlossen, daß L. mit seinem Bautzener
Meßritus, den er 1570 veröffentlichte, dem pianischen Missale,
das im gleichen Jahre erschien, zuvorkommen wollte, um so den
Bautzener Ritus für die Zukunft zu retten. Inhaltlich ist das Meßformular
nach Gülden ein „Sammelbecken von spätmittelalterlichen
Sonderriten innerhalb der römischen Meßliturgie" und steht
in engem Zusammenhang mit dem süddeutschen, böhmischen und
ungarischen Liturgieraum. Eröffnungsriten und Stufengebet haben
den dreifachen Umfang des jetzigen römischen Stufengebetes und
zeichnen sich durch einen besonderen Reichtum an Versikeln, Ora-
tionen und Benediktionen aus. Die „Praeparatio calicis" kann
vor oder nach der Lesung des Evangeliums bzw. des Credo vorgenommen
werden. Als Bestandteile des sog. „Canon minor"
nennt L. nur die Antiphon „Veni sanete Spiritus", das Gebet „In
spiritu humilitatis", das „Orate pro me fratres" und die Sekret
(mit vorausgehender Salutation!). Die Händewaschung erfolgt
erst nach dem Sanctus-Benedictus; Begleittext ist Jes. 53, 7, der
ja in der Proskomidie der Chrysostomusliturgie eine Rolle spielt.
Beim Auszug nach dem „Pontifikalsegen" und dem Schlußevangelium
wird das Nunc dimittis rezitiert; Gülden glaubt auch hier
„Erinnerungen an eine frühere ostkirchliche Meßliturgie" entdeckt
zu haben. Ein Blick auf die zahlreichen frühreformatorischen Gottesdienstordnungen
, die mit dem Canticum Simeonis die Kommunion
abschließen, wäre hier naheliegender gewesen: „In plerisque
protestantium ecclesiis tota actio celebrationis sacrae coenae Domini
clauditur hoc hymno . . ." (Casaubonus). Interessanter als
dieses Meßformular ist für die lutherische Liturgik der (gescheiterte
) Versuch L.'s, beim Apostolischen Stuhl die Erlaubnis zu erwirken
, die Verba testamenti laut in deutscher Sprache rezitieren
zu dürfen. Mit handgreiflichem Nachdruck verlangen L.'s Diöze-
sanen von ihren noch verbliebenen römischen Gemeindehirten
ein derartiges Verfahren, wie sie es aus den lutherischen Gottesdiensten
kennen. Nicht die neue Lehre, sondern die neue und
„volksnahe Gestaltung" des Gemeindegottesdienstes wird für
den Bestand des Katholizismus in den Lausitzen gefährlich. Der
Kampf zwischen altem und neuem Glauben wird in der Praxis
auf liturgischem Gebiet ausgetragen. Es spricht für die pastorale
Klugheit L.'s, wenn er in seinem Gesangbuch von 1567 dem ins
Deutsche übertragenen paulinischen Einsetzungsbericht — genau
wie Luther in seiner „Deutschen Messe"! — eine Melodie unterlegt
; nach seiner Vorstellung, die er sicher auch eine Zeitlang
praktiziert hat, soll sich der Priester nach Abschluß des (lateinisch
vollzogenen) Kanons dem Volk zuwenden, eine Abendmahlsvermahnung
vortragen und danach (wieder ad altare) die „Verba
historica que sunt apud Paulum" öffentlich singen.

In der gleichen Linie liegt es, wenn L. eigene deutsche Taufund
Trauungsformulare veröffentlicht, um die Formulare Luthers,
die „seit mehr als vierzig Jahren hier und anderwärts bei den Katholischen
als auch bei den Augsburgischen Konfessionsverwandten
" in Gebrauch stehen, zu ersetzen und zu verdrängen. Während
der Messe (auch der Missa cantata!) läßt er zwischen den
Lesungen, zum Credo, beim Offertorium und während der Kommunion
deutsche Lieder singen und gibt so Anregungen für ein
„Deutsches Hochamt". In seinen liturgietheologischen Schriften
betont er stark den Gemeinschaftscharakter der Messe und strebt
eine intensivere innere und äußere Beteiligung der Laien an der
Opferfeier an.

Etwas störend wirkt auf den Leser (vor allem in der grösseren
Veröffentlichung) das wiederholte Bemühen Güldens, L.
gegen Verdächtigungen „protestantischer Neigungen" zu verteidigen
; dabei geschieht es, daß Quellen evangelischer Herkunft, aus
denen L. offensichtlich geschöpft hat, nicht in ausreichendem Maße
gewürdigt und ausgewertet werden.

Sagard/Rügen Karl-Heinridi Bieritz

Auf derbeck, Hugo: Die liturgische Versammlung in der Diaspora
(Concilium 2, 1966 S. 114—116).

Dreher, Bruno: Die häusliche Bibelandacht (Bibel und Kirdie 20,
1965 S. 76—81).