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Ausgabe:

1966

Spalte:

204-205

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Kottwitz, Hans Ernst von

Titel/Untertitel:

Baron H. E. von Kottwitz und die Erweckungsbewegung in Schlesien, Berlin und Pommern 1966

Rezensent:

Delius, Walter

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203

Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 3

204

Zunächst wird das Leben Sirletos geschildert, „freilich
weithin nur in regestenartiger Form". Dagegen sind keine grundsätzlichen
Bedenken zu erheben, da man für Einzelheiten auf
Paschinis Darstellungen zurückgreifen kann. Der Verfasser
schildert Sirleto als Humanisten und Historiker, der, aus einfachen
Verhältnissen stammend, mit Treue zur römischen Kirche und
großem Fleiß seinen Weg Stufe für Stufe erklomm. Als Familiär
Marcello Cervinis, des späteren Papstes Marcellus IL, als Kustos
der päpstlichen Bibliothek, als apostolischer Protonotar und
schließlich als Kardinal (ab 1565) diente er seinen Auftraggebern
bis zu seinem Tod (15 8 5) gewissenhaft.

Die Darstellung der Biographie Sirletos wird' allerdings
davon belastet, daß der Verfasser die Kapitel unter thematischen
Gesichtspunkten und nicht rein zeitlich ordnet. Dadurch kommt
es zu unnötigen Überschneidungen und Wiederholungen (z. B.
Kap. 2 u. 3), die bei einer konsequent historischen Gliederung
hätten vermieden werden können. Zu begrüßen ist es dagegen,
daß die erwähnten Personen in den Anmerkungen kurz charakterisiert
und ihre wichtigsten Lebensdaten genannt werden, weil es
hier weitgehend um Männer geht, die — mindestens im deutschen
Sprachbereich — nicht sonderlich bekannt sind.

Sirleto ist vor allem durch zweierlei wichtig geworden: er
sammelte für zwei Präsidenten des Trienter Konzils, für die Kardinäle
Cervini und Seripando, 1546/47 bzw. 1562/63 biblisches
und historisches Material und unterstützte dadurch die Arbeit
der Konzilsväter in hohem Maß. An der römischen Kurie war er
hierfür „nahezu der einzig zuständige Fachmann". Seine gute
Kenntnis der im päpstlichen Besitz befindlichen Bücher und
Manuskripte kamen ihm dabei sehr zustatten. Zum anderen hat
er die tridentinische Reform nach Kräften unterstützt, die durch
das Konzil in die Hände des Papsttums gelegt worden war. Er
besorgte nicht nur die endgültige Redaktion des Römischen
Katechismus und dessen Drucklegung, sondern war auch an der
Revision des Decretum Gratiani, des Breviers, des Missale, des
Martyrologiums, des Index, des Kalenders und der Vulgata beteiligt
. In all diesen Fragen hielt man ihn für eine anerkannte
Autorität, deren Meinung schwer wog. Er war dabei häufig nicht
übermäßig kritisch, was gegen die „wissenschaftliche" Hochschätzung
Sirletos durch den Verfasser spricht. Überhaupt kann
man sich nicht des Eindrucks erwehren, daß die Aussagen der
Quellen zugunsten Sirletos überbewertet werden. So folgert der
Verfasser z.B. aus „spärlichen Angaben . . . , wie aktiv sich der
Kardinal" betätigt habe (S. 111). Vielmehr ist festzuhalten, daß
Sirleto recht konservativ-traditionalistisch eingestellt und kein
„eigentlicher Theologe" war. Erst nach seiner Kreierung zum
Kardinal erhielt dieser sittlich offenbar tadelfreie Mann die
höheren Weihen.

Die fremdsprachigen Zitate wurden im allgemeinen zufriedenstellend
wiedergegeben. Man hätte sich allerdings eine Normalisierung im
Gebrauch der Akzente (z. B. steht S. 113 Z. 18 „udirö", Z. 19 aber „sara")
und der Zeichensetzung gewünscht. Leider sind einige archivalische Abkürzungen
nicht aufgelöst worden, die in dem beigefügten Abkürzungsverzeichnis
fehlen, z. B. S. 106, Z. 13 „s.te" (= ,,sante"), S. 110, Z. 9
„Can.co" (= „Canonico") oder S. 133, Z. 28 „Cong.ne" (= „Congre-
gazione") usw. An wichtigeren Druck- oder Lesefehlern, die mit Hilfe
des Deutschen Historischen Instituts in Rom ermittelt wurden, sind zu
nennen: S. 3 8, Z. 3 u. 2 v. u. ist zu lesen: „Gennaio in letto et sto
anchora, sperando che col tempo bono possi rehaverme se piacerä a nostro
Signor Idio" statt: „Gennario in letto et sto ancora. Speramo che col
tempo bono possi vehaverme se piace . . . a nostro Signor Idio". S. 84,
Anm. 5, Z. 1 u. 2 muß es heißen „con il" statt „col i". Da die Schreibung
von u oder v gemäß vokalischem oder konsonantischem Gebrauch
normalisiert wurde, hätte auch S. 134 Z. 2 „voriano" statt „uoriano" gedruckt
werden sollen. Drei Dokumente wurden der Arbeit als Anhang
hinzugefügt, die aber teilweise schon anderweitig publiziert worden
waren.

Der Verfasser ist sich dessen bewußt, daß er keine endgültige
Biographie vorgelegt hat. Manche seiner Quellen mußte
er unbearbeitet lassen, „und manches wurde wohl noch gar nicht
entdeckt" (S. 2). Es ist ihm aber zuzugestehen, daß er auf einen
Mann aufmerksam gemacht hat, dessen Bedeutung für die Arbeit
des Konzils von Trient und die tridentinische Reform lange
unterschätzt wurde.

Marburg Gerhard Müller

Beza, Theodor: De iure Magistratuum, hrsg. v. K. Sturm, Neukirchen:
Neukirchener Verlag d. Erziehungsvereins 1965. 93 S. 8° = Texte z.
Geschichte d. evangelischen Theologie, hrsg. v. E. Bizer u. J. F. C.
Goeters, 1. Kart. DM 5.40.

Fraenkel, Pierre: Einigungsbestrebungen in der Reformationszeit.
Wiesbaden: Steiner 1965. 70 S. kl. 8° = Institut f. Europäische Geschichte
Mainz. Vorträge, 41. DM 7.40.

Lienhard, Marc: La doctrine du Saint-Esprit chez Luther (Verbum
Caro 19, 1965 S. 11—38).

M o e 11 e r , Bernd: Probleme der Reformationsforschung (ZKG LXXVL
1965 S. 246—257).

Rehfeldt, Mario L.: O Conceito da Igreja de Lutero ate 1521
(Igreja Luterana XXVI, 1965 S. 188—221).

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Kantzenbach, F. W.: Baron H. E. von Kottwitz und die Erweckungsbewegung
in Schlesien, Berlin und Pommern. Briefwechsel eingel. u-
hrsg. v. F.W. Kantzenbach. Ulm/Donau: Unser Weg [1963]-
262 S. 8° = Quellenhefte zur Ostdeutschen und Osteuropäischen
Kirchengeschichte, 11/12. Kart. DM 26.50.

Die dankenswerte Einleitung des Herausgebers unter dem
Thema: „Baron Flans Ernst v. Kottwitz, sein Briefwechsel als
Quelle für die Geschichte der Erweckungsbewegung" gibt zunächst
einen Überblick über den Bestand des Briefwechsels Kottwitzs-
Von den bisher noch nicht veröffentlichten Briefen ediert Kantzenbach
eine Auswahl. Linter ihnen sind 63 Briefe, dessen Absender
Kottwitz ist. Von ihnen sind 29 an Wichern gerichtet. In den
Anmerkungen werden die erstmals veröffentlichten Briefe in die
Reihe der bereits an verschiedenen Stellen abgedruckten anderen
Kottwitzbriefe eingeordnet. Es folgen die an Kottwitz gerichteten
Briefe: 40 Briefe von August Tholuck, 29 Briefe von Leonhard
Heubner, 23 Briefe der Gebrüder Adolf und Franz Zahn, 10 Briefe
von Gustav Knak und 11 Briefe von verschiedenen Absendern.
Linter den letzteren befinden sich 7 Briefe von A. Neander und
je einer von Gossner und Franz Delitzsch.

Die Gruppeneinteilung der Briefe erleichtert den Überblick
und kennzeichnet die Charaktere der Briefschreiber. Der Herausgeber
hat jede Briefgruppe mit Anmerkungen versehen. Wichtig
sind die jeweiligen biographischen Angaben über die Briefschreiber
und über die in den Briefen genannten Persönlichkeiten. Der
Herausgeber hat ferner ein Verzeichnis der zum Kottwitz-Kreis
gehörenden Männer und Frauen aufgestellt. Diese Hinweise sowie
ein Namens- und Ortsverzeichnis erleichtern die Benutzung
der Publikation.

Wichtig ist in der Einleitung des Herausgebers die Würdigung
der geschichtlichen Bedeutung des Baron v. Kottwitz für die Berliner
und darüber hinaus für die gesamtdeutsche Erweckungsbewegung
. Sie ist literarisch mehrfach, auch vom Herausgeber (S. 30)
gewürdigt worden.

Der vorliegende Kottwitz-Briefwechsel gibt ein lebendiges
Bild der Berliner Erweckungsbewegung und deren Ausstrahlung
nach Schlesien, Pommern, Ostpreußen, Danzig, Mecklenburg,
Schleswig-Holstein und Bremen. Es überrascht nicht, daß der
Freundeskreis von Kottwitz sich aus Pfarrern, einigen Theologieprofessoren
und adligen Männern und Frauen zusammensetzt. Das
Bürgertum steht abseits, aber der Einfluß der Tätigkeit Kottwitzs
auf den Bauern- und Arbeiterstand war beachtlich.

Der Herausgeber schildert dann die Geschichte der Familie
und den Lebensgang des Barons, seine schlesische und Berliner
Tätigkeit, die Quellen seiner sozialen Unternehmungen und Gedanken
. Es ist bemerkenswert, daß Kottwitz nach der Niederlage
Preußens bei Jena (1806) angesichts der durch sie ausgelösten Arbeitslosigkeit
bereits Ende Januar 1807 spontan und als Einzelgänger
seine Spinnanstalt eröffnete. Sie fand bei den „gebildeten
Schichten Berlins Ablehnung. Auch das Ministerium des Inneren
machte ihm im Jahre 1810 Schwierigkeiten. Im Jahre 1817 sollte
Kottwitz die ihm einst vom französischen Stadtkommandanten
übergebene Kaserne, in der sich sein Linternehmen befand, räumen
. Kottwitz konnte sich schließlich den Militärbehörden gegenüber
durchsetzen.

Vom Jahre 1823 ab war an der Anstalt, welche zunächst einen
königlichen, dann einen staatlichen Zuschuß erhalten hatte, der