Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1966

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

197

Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 3

198

Situationsumschwung und die dadurch entstandenen neuen Aufgaben
und Schwierigkeiten für die Kirche hat der Verfasser kaum
ein Auge (vgl. S. 41 ff; 164 f; 170; 192 ff). Statt dessen verkündet
er, daß Tertullian den einzig richtigen Standpunkt eingenommen
habe und jede andere Entscheidung ein fatales Zugeständnis
an die Welt bedeute. Damit sei die Kirche vom
Imperium erorbert und dem Evangelium untreu geworden (S. 17;
17° ff). Die ganze nachkonstantinische Kirchengeschichte wird im
Grunde als Geschichte des Ungehorsams und des Scheiterns angeprangert
. Die kritische Einstellung unserer Zeit gegenüber der
Konstantinischen Epoche tritt deutlich zutage.

Bedenken sind auch gegen die Arbeitsweise des Autors im
einzelnen anzumelden. Die Reihenfolge, in der Homus altkirch-
';che Theologen zitiert, erscheint durchaus willkürlich (vgl. S. 22;
j>- 34 f; S. 61). Nach S. 48 hätte Cyprian sogar ein halbes Jahrhundert
später als Laktanz gewirkt. Die Traditionen und Schulen,
■M denen die einzelnen Theologen stammen, werden so gut wie
nie berücksichtigt. Auffällig dagegen ist die Verwendung von
meist problematischen Analogien (vgl. S. 62; 64; 65; 66; 102 u. a.)
bis hin zu kurzschlüssigen Vergleichen der Kirchenväter mit
neueren Autoren (S. 31; S. 68). Argumenta c silentio ersetzen
häufig eingehende historische Interpretation (vgl. S. 25; 119), und
moderne Urteile begegnen immer wieder, so wenn der Verfasser
von der Ableitung des kaiserlichen Machtanspruches aus dem
Volk spricht (S. 17 3), wenn er die „Ehrfurcht vor dem Leben" in
der alten Kirche betont (S. 16) oder den Mangel an patriotischem
Empfinden (S. 125). Die Bezeichnung Tertullians und Cyprians
a's Pazifisten (S. 154) berührt ebenfalls merkwürdig. Auch bei
der Qucllenexegese des Verfassers wird der Leser des öfteren ein
ungutes Gefühl nicht los. So unterscheidet der Verfasser durch-
weg nicht zwischen apologetischen bzw. martyrologischen Topoi
und der Meinung des Autors, so daß es z. B. Euseb persönlich
angekreidct wird, daß er die Niederlage der Verfolger mit
Genugtuung berichtet (S. 67; vgl. auch S. 23; S. 93). Andererseits
'ehnt sich Hornus oft allzu schnell an die Ergebnisse anderer
Autoren an, ohne sie kritisch zu überprüfen (z. B. Molnär
S. 1171M). Die deutsche Literatur hat der Verfasser nur sehr
sPoradisch benutzt. Für die Beurteilung des Christentums Konstantins
wären die LIntersuchungen von Dörries, Kraft, Vogt u. a.
wohl unentbehrlich gewesen. Die Arbeiten von Campenhausen
'S. 12) und Pcterson (S. 44) sind inzwischen in Aufsatzsammlungen
neu erschienen, von Mansis Konzilsakten (S. 44) liegt ein
Neudruck vor, und die Werke von Hefelc (S. 158) und Morreau
stammen entweder aus dem Deutschen oder sind ins Deutsche
übersetzt worden. Belege sucht man vergeblich S. 13, 32; 54181;
*01.2; 111,1; 127,26; 166,33; Druckfehler finden sich S. 43,
28; 44, 5; 55,8; 63,6; 74,21; 79lw, 1091'5'1; 133,35; 152,16.

Der Rezensent bedauert, die frisch geschriebene (auch gut
übersetzte) und in ihrer Grundhaltung sympathische Arbeit i n
jhrem wissenschaftlichen Wert nicht günstiger
beurteilen zu können. Aber Hornus entscheidet zu abstrakt und
Prinzipiell. Damit, daß er die Probleme der alten Kirche nicht
Jeweils aus der Situation heraus verstehen lehrt, hilft er auch in
unserer gegenwärtigen Situation nicht wesentlich weiter.

Heidelberg Gerhard R u h ba c h

' a 1 1 i n g e r , Kassius: Das Wahlrecht der Bcncdiktusregula (ZKG
LXXVI, S. 233-245).

' c h a r d , Marcel: La lettre de Saint Ircnee au pape Victor (ZNW 56,
1965 S. 260—282).

öttges. Ernst H.: Aus der Augustinus-Forschung des letzten Jahrzehnts
. Ein Literaturbericht (Theologie und Philosophie 41, 1966
S. 84—91).

eeb e rg , Alfred: Der Katechismus der Urchristenhcit. Mit einer Einführung
von F. Hahn. (Unveränd. Nachdruck d. Ausgabe v. 1903
<L Deichcrtschen Verlagsbuchhandl., Leipzig). München: Chr. Kaiser
•966. XXXIII, 281 S. 8° = Theologische Bücherei. Neudrucke u. Berichte
aus d. 20. Jahrh., 26. Neues Testament. Kart. DM 14.50.
braede, Klaus: Studien zu Sprache und Stil des Prudentius. Göttin-
Ren: Vandcnhoeck & Ruprecht [1965]. 143 S. gr. 8° = Hypomnemata.
Untersuchungen zur Antike u. zu ihrem Nachleben, hrsg. v. A. Dihle,
H.Erbse, W.-H. Friedrich, Ch. Habicht, B. Snell, 13. DM 19.80.
eber, Anton: Die Taufe Jesu im Jordan als Anfang nach Eusebius
Von Cäsarca (Theologie und Philosophie 41, 1966 S. 20—29).

KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

Becker, Alfons: Papst Urban II. (1088—1099). Teil I: Herkunft und
kirchliche Laufbahn. Der Papst und die lateinische Christenheit. Stuttgart
: Hiersemann 1964. XLIII, 254 S. gr. 8° = Schriften der Monu-
menta Germaniae historica (Deutsches Institut für Erforschung des
Mittelalters) Bd. 19/1. Lw. DM 58.—.

Seit über 60 Jahren ist keine Monographie über Urban II.
geschrieben worden. Die Quellen gestatten einen „meist nur indirekten
Zugang zur Persönlichkeit des Papstes" (VII); Becker
befürchtet, „daß diese Persönlichkeit, kaum erst in einigen oft
nur undeutlichen Umrissen erfaßt, schon wieder ins weite Feld
der allgemeinen Zeitgeschichte entschwindet" (VIII). Doch ist der
Verfasser in dem vorgelegten 1. Band dieser Gefahr gut begegnet
. Nach einer gründlichen Einleitung über die Quellen und
die bisherige Forschung wird der Weg des Odo von Chätillon
(= Urban) vor seiner Papstwahl nachgezeichnet. Die Anfänge
„liegen ganz im Dunklen" (31), seine Wirksamkeit als Archi-
diakon in Reims zeigt schon einen weiten Aufgabenbereich; Odo
hat „vermutlich bald nach 1067, spätestens wohl 1070" Reims
verlassen (39), — mehrere Jahre früher als bisher angenommen.
Entscheidende Prägung brachten die etwa 10 Jahre in Cluny, wo
Odo als Prior „eine Art .Staatssekretär' des clunyazensischen
Klosterreiches" war (49). „Der monastische Zug seiner Kirchenpolitik
, sein besonderes Interesse an den spanischen Verhältnissen
, das Kreuzzugsideal, dies alles liegt wenigstens zum Teil
in seiner Clunyazenserzeit begründet" (51). Zwischen 1079 und

1082 wurde er als Kardinalbischof nach Ostia berufen, wo er die
letzten Jahre Gregors VII. miterlebte. „Er konnte die Entwicklung
der kommenden Katastrophe jetzt aus nächster Nähe verfolgen
und sich bald Rechenschaft über die Möglichkeiten und Grenzen
der päpstlichen Politik geben" (56).

B. rekonstruiert vorsichtig die ersten Verhandlungen Odos mit
Heinrich IV. (57—59); über seine Tätigkeit in Ostia ist nichts überliefert.

1083 wird er von Hcinrch IV. verhaftet, jedoch bald freigelassen. Als

1084 viele Kardinäle zum Gegenpapst Clemens III. (Wibcrt) übergingen,
blieb Odo beim geflüchteten Gregor VII. und wurde in dieser fast aussichtslosen
Lage als Legat nach Deutschland gesdiiekt. Es gelang ihm eine
Bisdiofscinsetzung in Konstanz (64), er fand Anhänger in Süddcutsch-
land, in mönchischen Kreisen, bei sächsischen Bischöfen; 1085 hielt er
eine Synode in Quedlinburg ab (71 f). Leider bleibt das Buch von
O. H.Kost „Das östliche Niedersachsen im Investiturstreit" (1962) ungenannt
; dort wurde Genaueres inbesondere über Gebhardt von Salzburg
erarbeitet. Auch W. Schlesingers Kirchcngeschichte Sachsens im Mittelalter
(1962) fehlt im Literaturverzeichnis, wird jedoch S. 140, Anm. 501 nachgetragen
, ohne daß sie voll ausgewertet wäre. Zusammenfassend urteilt
B. über Odos Legation: Mehr als ein „Überleben der päpstlichen Partei
war im Augenblick und vielleicht noch auf längere Sidit gar nicht zu erreichen
; zu ihrem Fortbestehen hat seine Tätigkeit sicher wesentlich mit
beigetragen" (75). Nach dem Tode Gregors kehrte Odo nicht gleich
zurück; 1085 ist er in Cluny, „seine Anwesenheit in Italien läßt sich mit
Sicherheit erst für das Jahr 1087 feststellen" (79).

Die unglückliche Lage des Papsttums wird besonders im Abschnitt
„Odo von Ostia und Viktor III." deutlich (78—90). B. hält
Nachrichten über die Designation Odos durch Gregor für zutreffend
, obwohl Odo sich erst später darüber äußerte. Viktor III.
war „der Kandidat der italienischen Normannen" (8 3). Odo hat
ihm nach langem Bedenken seine Hilfe nicht versagt. Den Vorwurf
des Opportunismus weist B. zurück; Odo sah die Gefahr,
daß der päpstlidie Stuhl dem Gegenpapst überlassen blieb, während
im Lager der Grcgorianer ein zusätzliches Schisma drohte
(89). Nadi Viktors Tod 108 8 wurde Odo zum Papst gewählt,
freilich nicht im kaiserlichen Rom, sondern in Terracina, wo
„man ganz offenkundig sich möglichst weitgehend an die Papstwahlordnung
von 1059 zu halten" suchte (94). Daneben berief
man sich darauf, daß sowohl Gregor VII. wie auch Viktor III.
ihn als Nachfolger designiert hätten (95). Im 3. Kapitel „Urbi et
orbi" (97—2 54) wird das Verhältnis des Papstes zu den verschiedenen
Größen des Abendlandes dargestellt. Rom blieb ihm
lange verschlossen, doch „gelang es, die abendländische Christenheit
praktisch daran zu gewöhnen . . . Die meisten seiner Bullen
sind nicht in Rom ausgestellt: wichtige Entscheidungen fielen
nicht mehr in Rom sondern in Süditalien, in Oberitalicn, in
Frankreich; und mit einer oder zwei Ausnahmen hat Urban alle
seine Konzilien, vor allem die bedeutenden (z. B. Piacenza, Cler-