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Ausgabe:

1966

Spalte:

177-178

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Kapelrud, Arvid S.

Titel/Untertitel:

The Ras Shamra discoveries and the Old Testament 1966

Rezensent:

Eissfeldt, Otto

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Seite 1

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177

Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 3

178

..Hätte ich nach Menschenweise zu Ephesus mit wilden Tieren
gekämpft, was hätte ich für Nutzen davon? Wenn die Toten
nicht auferstehen, so lasset uns essen und trinken, denn morgen
sind wir tot!" (1. Kor. 15, 32).

Wenn seitens des Gesetzes in seinem „Gespräch" mit dem
Evangelium diese 6 Punkte auf die Tagesordnung gesetzt werden,
so weiß das Evangelium mit einer stattlichen Anzahl von Punkten
aufzuwarten, die es unbedingt berücksichtigt haben will. Die aufbrechende
Problematik ist bekanntlich eine über den Rahmen
dieses Referats weit hinausführende. Nur einige Striche möchte
ich ausziehen 2.

Eine Rechtfertigung aus Gesetzeswerken anzunehmen, ist
schon deshalb unmöglich, weil — wie bereits deutlich gesagt —
das Gesetz unerfüllbar ist. So ist jeder, der vor Gott bestehen
will, auf Gnade und Sündenvergebung angewiesen. Niemand kann
sich sein Heil verdienen. Schuld und Sünde sind auch nicht durch
Kultwerke zu sühnen; sie können nur vergeben werden. Die
Gnade setzt jedoch nicht die Verbindlichkeit des Gesetzes außer
Kraft, sondern vielmehr immer voraus. Nur derjenige, der sich
wirklich als Sünder erkennt, kann um die Heilsnotwendigkeit der
Gnade wissen. Und diese Sündenerkenntnis darf nicht bloß theoretisch
, sondern muß stets existentiell sein. Deshalb steht auch
statt eines ständigen Sich-an-die-Brust-Schlagens der in die Höhe
Weisende Imperativ bei Paulus im Vordergrund. Ein Erleben der
eigenen Schwachheit kann immer nur dann vorliegen, wenn Anstrengungen
unternommen werden. Nur an der Kraft, die in der
Schwachheit wächst, wird auch die Schwachheit als solche deutlich.
■>o ist der von der Rechtfertigung geforderte oder angebotene
Glaube, der um die Notwendigkeit göttlicher Vergebung existentiell
wissen muß, nur innerhalb eines sittlichen Ringens überhaupt
realisierbar. Dann ist aber Vergebung nur dort, wo die
Glinde im Kampf um die Überwindung erkannt, empfunden und
erlitten wird. Luther sagt in seiner Römerbriefvorlesung (München
1935. S. 286): „Gott rechnet nur denen die Sünde nicht zu,

J) Lösungsversuche und Auseinandersetzung mit der Literatur:
**t Haufe, Die sittliche Rcchtfcrtigungslchrc des Paulus, Halle, 1957.

die mannhaft den Kampf mit ihren Fehlern aufnehmen und
ihn unter Anrufung der Gnade Gottes durchfechten." Trifft dies
zu, gehört das Ringen um den Gehorsam so eng mit dem echten
Glauben zusammen, daß man beides überhaupt nicht trennen
darf. Paulus kann ja auch vom „Glaubensgehorsam" sprechen.
Zum Glauben gehört wohl auch ein „Ernstnehmen Gottes" —
vielleicht könnte man den Glaubensbegriff geradezu so definieren
—; dies schließt aber ein Ernstnehmen des göttlichen
Willens ein. Es gibt keinen Glauben an Christus ohne die ernste
Absicht, seinen Willen zu erfüllen. Wer sagt: Lasset uns sündigen
, kann nicht gerettet werden, hat wohl auch nicht den rechten
Glauben. Ein sola fide enthält somit durchaus den Willen zum
Gehorsam, die ständige Erkenntnis des hinter dem Ziel Zurückbleibens
, aber auch den durch Vertrauen auf die Gnade nicht
erlahmenden Mut, dem Ziel immer wieder nachzujagen; denken
wir nur an die Bilder von Wettkampf und Rüstung bei Paulus.
Hier mag sich nun auch der Lohngedanke ansiedeln. Von einer
Verdienstlehre kann dabei überhaupt nicht die Rede sein, ist das
Ziel doch unerreichbar. Sola gratia geschah es, daß den Sündern
durch Christus dennoch das Heil angeboten wurde. Diese Gnade
vergibt, was nimmermehr der Mensch zu leisten imstande ist.
Würde sie aber dadurch größer und erhabener, wenn sie auch das
dem Menschen durchaus Mögliche von diesem nicht getan wissen
will, nicht für seine Beurteilung angerechnet haben will, sondern
ebenfalls vergeben will? Dann hätten die recht, die sagen: Lasset
uns sündigen, damit die Gnade um so größer werde!

Obwohl der Christ in seinem sittlichen Ringen auf Lohn
hoffen darf — auf einen Lohn, der wirklicher Lohn und nicht
willkürliche Gnade ist —, muß er doch wissen, daß trotz aller
Mühe letztlich die Gnade ihn trägt, die sein Mühen überhaupt erst
als Tüchtigkeit vor Gott gelten läßt.

Nach Paulus besteht die aufgrund der Gnade auch mit dem
Lohn rechnen könnende Vollkommenheit des Christen darin, daß
er eingedenk ist, noch nicht vollkommen zu sein, und dennoch
nach dem Ziele jagt (Phil. 3, 12.15). Luther hat es formuliert
(a.a.O. S. 181): „Gerecht sein wollen ist die ganze Gerechtigkeit
."

ALTES TESTAMENT Feststellung, daß die alttestamentlichen Psalmen viele kana-

anäische Motive enthielten, gewiß allgemeine Zustimmung fin-
K a P e 1 r u d , Arvid S.: The Ras Shamra Discoveries and the Old den, aber die auf sie folgende Behauptung, in den prophetischen
Testament. Translated by G.W.Anderson. Oxford: Blackwell 1965. Büchern, insbesondere bei Joel, sei das noch mehr der Fall, kann
»IL 88 S., 1 Kte., 8Taf. 8°. Kart. 14 s. kaum auf denselben Beifall rechnen. Indes behält das vorliegende
Dieses mit zwei Kartenskizzen, „Der Vordere Orient" und Buc" ohne Zweifel recht, wenn es von den Funden in Ras Schamra
"Die Umgebung von Ras Schamra" und acht vorzüglichen Tafeln auf S. 82-83 sagt: „They reveal the beliefs, the coneeptions,
ausgestattete Buch bietet nach einem Überblick über die Aus- and tne customs which were also prevalent in Canaan at the time
grabungen von Ras Schamra (S. 1-14) eine Beschreibung der dort when the Israelites settled there . . . Many sharp contrasts are
gefundenen mythologischen Texte (S. 15-26), Ausführungen «vealed between Canaanite and Yahwistic religion; but there
"her die bei dem Versuch, ihre Aussagen besserem Verständnis arf also manv c]ear instances of close connection and direct
°er israelitischen Religion dienstbar zu machen, einzuschlagende mfluence . . There may be disagreement about details of interMethode
(S. 27-29), Gegenüberstellung der im Alten Testament pretation; but that basic fact is no longer open to dispute".
|jber die kanaanäischen Gottheiten gemachten Angaben und Halle/Saale ottoEififeldt
essen, was die ugaritischen Dokumente und Monumente über
*'e zu sagen haben (S. 30-64), Vergleichung des ugaritisch-kana- E i 8 f e 1 d t, Otto: Kleine Schriften. II. Bd. Hrsg. v. R. Sellheim u.
naischen Kultes mit dem israelitischen (S. 65—79) sowie kurze F. Maaß. Tübingen: Mohr 1963. VIII, 557 S. m. 9 Abb. i. Text,
err|erkungen über die Eingliederung des Ugaritischen in die 12 Abb. a. Taf. gr. 8°. DM 60.—; Lw. DM 65.—.
^"mischen Sprachen (S. 80—82) und schließt mit einer Zu- Der stattliche Band von 5 57 Seiten mit neun in den Text
arnrnenfassung (S. 82—8 3) und einem Index (S. 84—88). Seinen eingefügten und zwölf weiteren auf sechs Tafeln vereinigten Ab-
p eck, einen weiteren Leserkreis mit der Bedeutung, die den bildungen bietet insgesamt fünfzig Arbeiten von O. Eißfeldt aus
nden von Ras Schamra für besseres Verständnis des Alten den Jahren 1933 bis 1945. Einige Arbeiten sind auch aus jüngerer
estaments zukommt, vertraut zu machen, hat das vorliegende Zeit in den Band eingefügt worden, wenn die inhaltliche
ch vollauf erreicht, wozu wesentlich beiträgt, daß G. W. Zusammengehörigkeit es erforderte. So ist z. B. der Aufsatz aus
£ cjerson das norwegische Original in ein ganz vorzügliches AfO 16, 1952/53, 116—122 über Ras Schamra: „Die keilschrift-
g'isch übersetzt hat. In Einzelheiten wird man wohl die alphabetischen Texte der Kampagnen 1948/51" auf S. 365—374,
tu Zeilte hier und da anders setzen können, als es Kapelrud hier ferner der Aufsatz „The alphabetical Cuneiform texts from Ras
gisch Wirt* ^' 64 unc* sonst ^er Zusammenhang der mytholo- Shamra published in „Le Palais Royal d'Ugarit" Vol II, 1957"
dorh " ^exte mit dem Kultus, genauer: mit dem Neujahrsfest, aus ISST 5. 1960, 1—49 auf S. 375—415 und „Ugaritisches 4"
wi* Zu stark betont und dabei übersehen, daß die Texte, aus ZDMG 99 (1945-49), 1950 S. 29-42 eingefügt. Von den
ab J Uns v°rliegen, zwar kultische Handlungen voraussetzen, speziellen Arbeiten zur alttestamentlichen Wissenschaft sind fort-
r doch freie Dichtungen sind. Weiter wird die S. 79 gemachte gelassen einige Berichte über Kongresse und Aufsätze zur Ver-