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Ausgabe:

1965

Spalte:

145-146

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Rupprecht, Walter

Titel/Untertitel:

Die Predigt über alttestamentliche Texte in den lutherischen Kirchen Deutschlands 1965

Rezensent:

Voigt, Gottfried

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Seite 1

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145

Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 2

146

weils unverwechselbaren Gemeindesituation, wie Rezept. Ich habe
auf zwei willkürlich aufgeblätterten Seiten gezählt, wie oft dort
die Rede ist von „sollen" und „müssen", es war sieben- und
elfmal. Hinzu kommt, daß die einzelnen Verfasser, als Spezialisten
auf ihrem Gebiet, eben dies ihr Gebiet besonders pflegen
und deshalb nicht im Blick haben, wie man die verschiedenen
Anforderungen miteinander verbindet bzw. was wichtiger,
was weniger wichtiger ist.

2) Im Hintergrund der beiden Schriften steht der ungeklärte
Amtsbegriff. Zwar wird kräftig um Mitarbeit für den
Pfarrer geworben, aber er bleibt in vielen — nicht in allen —
Artikeln der treibende Keil. Besonders deutlich wird das in
Heft 1 „Überschaubare Gemeinden" (S. 14), wo die Gemeinde
so klein gehalten werden «oll, daß sie von einem Pfarrer zu
versorgen ist. Hier scheint vergessen worden zu sein, daß unser
heutiges Pfarramt von so vielen Anforderungen und Verpflichtungen
bedrängt ist, daß man die anstehenden Aufgaben auf
möglichst viele Schultern verteilen sollte.

3) Die gerade nach der Lektüre der Hefte besonders dringliche
Frage nach dem ersten Schritt ist übergangen.
Wie fängt man an, alte in neue Strukturen zu verwandeln? Darüber
sollte ein ganzes Heft der Schriftenreihe geschrieben
werden.

Die beiden Broschüren werden zweifellos einen guten, aber
nicht den vollen Dienst dessen tun können, was man unter einer
..Handreichung" wirklich versteht.

Karl-Marx-Stadt Dietrich Men d t

Rupprecht, Walter: Die Predigt über alttcstamentlichc Texte in
den lutherischen Kirchen Deutschlands. Stuttgart: Calwer [1962].
403 S. gr. 8° = Arbeiten zur Theologie, hrsg. m. A. Jepsen und
O. Michel v. Th. Schlatter, II, 1. Lw. DM 25.-.

Ein Ausschnitt aus der Geschichte der christlichen Predigt,
also eine historische Arbeit, aber gedacht „als Beitrag und Hilfe
für die Aufgabe der alttestamentlichen Predigt der Gegenwart
" (S. 11). Die uns heute aufgegebene hermeneutische Diskussion
kann nur gewinnen, indem, wie es in diesem Buche geschieht
, nicht nur zusammengestellt wird, was frühere Jahrhunderte
grundsätzlich über das Alte Testament gedacht und wie sie
sich Verkündigung auf Grund des Alten Testaments vorgestellt
haben, sondern auch, wie denn nun wirklich über alttestament-
liche Texte gepredigt worden ist. Treibt die Theologie ihre
Arbeit auf dem Boden der Kirche, dann muß sich auch in der
Kirche, in diesem Falle: in ihrer Verkündigung zeigen, was sie
taugt. Auf der Kanzel erweist sich, ob und wie die Theologie mit
der Schrift zurechtkommt. Es ist sehr lehrreich, sich von dem
vorliegenden Buche zeigen zu lassen, welche Fragen die Geschichte
alttestamcntlichcr Predigt uns stellt, welche Antworten
und Lösungen sie anzubieten hat, welche Wege und Irrwege gegangen
worden sind.

Ein kurzes Kapitel spricht von der Predigt über altestament-
liche Texte vor Luther. Umso ausführlicher werden Luthers Predigten
über alttestamentliche Texte (ausgewählte Perikopen oder
auch Reihenpredigten) besprochen. Was H. Bornkamm über
Luthers Verständnis des Alten Testaments erarbeitet hat, bewährt
sich am Gegenstand unseres Buches. Luther hat selbstverständlich
das A.T. als heilige Schrift angesehen und darum auch
über atliche Abschnitte und Bücher gepredigt, wenn auch die
Visitationserfahrungen die katechetische Aufgabe so dringlich
machten, daß er seit 15 30 den Brauch, am Sonntagnachmittag
über atliche Texte zu predigen, aufgab. Der historische Schrift-
sinn ist ihm maßgeblich, ohne daß ein fremder Umgang mit dem
Text — Allegorese, Typologese, Verständnis der Textaussage als
Gleichnis oder Exempel — damit grundsätzlich ausgeschlossen
wäre. Auf alle Fälle aber steht das Alte Testament im Lichte
des Neuen. Das Buch zeigt die Fülle der Gesichtspunkte auf,
unter denen Luther die Texte des Alten Testaments betrachtet;
er bewahrt uns durch sein Beispiel vor einem hermeneuti6chen
Schematismus, mit dem wir die Botschaft des A. T. nur verengen
und vergewaltigen würden. — Die Jahrhunderte nach Luther
weisen eine fortschreitende Verkümmerung der alttestamentlichen
Predigt in der lutherischen Kirche auf. Mancherlei Gründe

dafür werden aufgedeckt: liturgische, katechetische, frömmigkeitsgeschichtliche
, allgemein geistesgeschichtliche. Die (Verfalls-)
Geschichte der alttestamentlichen Predigt spiegelt die Theologie-
und Kirchengeschichte überhaupt wider. Es bedurfte erst einer
Wiederentdeckung des Alten Testaments im 19. Jahrhundert.
Das Buch zeigt auf, wie sie — unter sacheigenen und auch sachfremden
Gesichtspunkten und Motiven — vor sich gegangen ist.
Hierbei wird nicht nur auf die Perikopenordnungen eingegangen,
die im Laufe der Zeit entstehen und die man als Vorläufer
unserer neuen „Ordnung der Predigttexte" von 1957 anzusehen
hat; die leitenden Gesichtspunkte der einzelnen Entwürfe
werden herausgearbeitet (so z. B. die Prinzipien des Lehrsystems
, des heilsgeschichtlichen Ablaufs, des bibelkundlichen
Querschnitts, des liturgischen Propriums der einzelnen Sonn-
und Festtage). Was für die hermeneutische Diskussion heute
noch schwerer wiegt, ist das andere, was Verf. uns in guten
Querschnitten vorführt: die theologische Arbeit an der Frage
nach der rechten alttestamentlichen Predigt. Schleiermachcr, die
heilsgeschichtliche Theologie, die Erweckung, die historischkritische
Forschung — dies alles wird als Vorspiel zu unseren
Erwägungen über die Aufgabe alttestamentlicher Hermeneutik
dargestellt. Man kann wirklich von einer Wiederentdeckung
des Alten Testaments in unserem Jahrhundert sprechen. Die
historisch-kritische Forschung, von der Homiletik zunächst übergangen
, später unkritisch übernommen, wird in die Besinnung
über die Aufgabe der Predigt über alttestamentliche Texte aufgenommen
und dient vor allem dem Abbau einer falschen, nämlich
einer spekulativen oder entwicklungsgeschichtlich schematisierenden
Auffassung des Alten Testaments. Die Neubesinnung
auf das Wort Gottes als Offenbarung hat sowohl der alttestamentlichen
Forschung als Fachdisziplin als auch der homiletischen
Arbeit am Alten Testament neue Wege gewiesen und Aufgaben
gestellt. Die „Ordnung der Predigttexte", die von der VELKD
erarbeitet worden ist, trägt der neuen Lage Rechnung. Der
gegenwärtige Stand der Diskussion wird in unserem Buche —
in häufiger Rückerinnerung an Luther — dargestellt und gedeutet
.

Nachdrücklich sei auf den außerordentlich ergiebigen An-
merkungsteil (viele Zitate und Einzelverweise) und auf die
bibliographischen Angaben des Buches verwiesen. Hier ist, soweit
ich sehen kann, alles Einschlägige zusammengetragen und
verarbeitet. Die zunächst entmutigende Fülle wird sich jedem,
der im Sachbereich dieses Buches weiterarbeiten will, sehr bald
als unschätzbare Hilfe erweisen. Das Buch könnte als Wegweiser
noch bessere Dienste tun, wenn außer dem Namensregister noch
ein Stichwortregister und — dies vielleicht noch dringlicher —
ein Verzeichnis der erwähnten Bibelstellcn beigegeben wäre,
aus dem ersehen werden könnte, in wie vielfältiger Beleuchtung
ein bestimmter Text im Laufe der Geschichte der Predigt gesehen
worden ist. Daß dieser Wunsch angemeldet wird, mag
deutlich machen, daß aus diesem Buche viel zu holen ist.

Leipzig Gottfried Voigt

Barnds, William Joseph: Late Nineteenth Century Emphasis in
Pastoral Theology (AThR 46, 1964 S. 71—83).

B ä u m 1 e r, Christoph: Der Dienst des Pfarrers in der missionierenden
Gemeinde (EvTh 24, 1901 S. 291—311).

Beckmann, Klaus-Martin: Probleme der Theologiestudenten (KidZ
19. 1964 S. 261—264).

Bertinett i, Ilse: Repräsentation fixierter „Gottesbilder" oder sachgerechte
Verkündigung? (Evangelisches Pfarrerblatt 1964 S. 246—247).

D a h m, Karl-Wilhelm: Die Fluktuation der Theologiestudentenzahl
von 1800 bis 1962 (KidZ 19, 1964 S. 251-254).

Engelhardt, Klaus: Autorenkonferenz der Göttinger Predigtmeditationen
1964 (MPTh 53, S. 233-237).

Geiger, Max: Theologiestudent, Theologiestudium, Kirche (EvTh 24,

1964 S. 449—462).
G ö d a n, Hans: Der Mensch ohne Krankheit. Christlicher Auftrag und

medizinischer Fortschritt. Hamburg: Furche-Verlag [1964]. 98 S. kl. 8*

= Stundenbuch 43.
Goes sei, Hans-Hartwig von: Evangelisation als Aufgabe der ganzea

Kirche (KidZ 19, 1964 S. 473—477).