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1965

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 2

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der Universität für drei Jahre durch den Walter Freytags frühen
Tod vakanten Lehrstuhl für Missionswissenschaft eingenommen.
Durch die persönliche Form der Darstellung macht Stephen Neill
auch einem Nichtfachmann den Zugang zu anglikanischer Frömmigkeit
und Kirche leicht. Er schreibt mit großer pädagogischer
Einfühlungsgabe, die er besonders in den Jahren 1924—1944 in
der Arbeit der Ausbildung südindischer Pfarrer und Katecheten
unter Beweis stellte; er lehrte und predigte — wie wenige
Missionare vor ihm — stets in der Landessprache Tamil. Ein
gleiches Feingefühl beweist er nach seiner indischen Arbeitszeit
jetzt als Hauptverantwortlicher für die allgemein-verständliche,
in Englisch herausgegebenen Buch-Reihe der „Christian-Books".
Daß gerade hier ein Missionsauftrag in der heutigen Welt des
rasch lesenden und Lesen lernenden Zeitgenossen vorliegt,
macht Stephen Neill jede Mühe zur Freude; die Reihe hat bislang
größte Verbreitung und Aufnahme gefunden. Hier in
diesem Buch geht Bischof Neill einen ähnlichen Weg, er führt
vom Persönlichen zur Sache, über seine Biographie, mit nur gelegentlichen
Exkursen über dogmatische und kirchengeschichtliche
Themen, zur Kennzeichnung der für einen anglikanischen
Christen eigentümlichen und ihm besonders wichtigen Ausprägung
christlichen Glaubens. Behutsam wird auf Dinge, die
einem römisch-katholischen Leser als abweichend oder befremdend
erscheinen müssen, dennoch klar eingegangen. Zwischenüberschriften
erleichtern den Überblick. Da Stephen Neill durch
seine große Team-Arbeit über die Geschichte der Oekumene
,.A history of the ecumenical Movement 1517—1948", die er
mit Miß Ruth Rouse 1954 im SPCK-Verlag London 1954
(deutsch in 2 Bdn 1958 bei Vandenhoeck & Ruprecht) herausgab
, bekannt geworden ist, nimmt sich ein Satz wie dieser aus
seinem Munde höchst bedeutsam aus: ,,So machen wir ebenso
Geschichte, wie wir sie schreiben" (S. 245 hier). Aus seiner
oekumenischen Erfahrung und Begegnung mit vielen Pionieren
dieser Arbeit in unserm Jahrhundert kann er seine anglikanische
Kirche viel besser als andere in rechter Konfrontierung mit andern
Kirchen sehen und darstellen.

Drei Dinge fallen dabei auf: die anglikanische Kirche versteht
sich mit Recht als Fortsetzerin der Tradition von Heiliger
Schrift, den drei altkirchlichen Bekenntnissen und der vier Konzile
der ungeteilten Kirche (S. 78 u. ö.). Papst Leo XIII.' Kritik
(1896 in seiner Bulle Apostolicae curae) an der apostolischen
Sukzession wird gründlich und leidenschaftlich zurückgewiesen:
der Papst als des Englischen unkundig sei unzureichend über die
Umstände der Weihe Bischof Parkers wie über die „Intentionen"
des damals wie heute gebrauchten Weihe-Formulars informiert.
Die römischen Weihen selbst erschienen bedeutend unsicherer
(S. 141-146).

Erstaunlich offen und biblisch klar ist auch Stephen Ncills
Kritik an der Dogmatisierung der Ascensio Mariae durch Papst
Pius XII.: „Nicht viele römisch-katholische Christen scheinen
erkannt zu haben, wie sehr die Trennung durch die Verkündigung
der Lehre von der leiblichen Aufnahme der Gottesmutter
in den Himmel verfestigt wurde .. . Hier muß der Anglikaner
demütig, aber ganz unumwunden sagen, was er selbst von
diesem Dogma hält. Er glaubt, daß die Lehre von der leiblichen
Aufnahme Mariens historisch falsch und in theologischer Hinsicht
gefährlich ist. .. Der Anglikaner, der alles am Wort
Gottes prüft, fühlt sich zu der Aussage gedrängt, daß das
kirchliche Lehramt jetzt etwas Falsches lehrt..." (S. 244/245).
Diese Sätze realisieren, was der Verf. von der Wahrheit als
Höchstwert (S. 58/59 u. ö.) sagt, und was die 39 Artikel als
Glaubensbekenntnis im Common Prayer Book in ihrem
6. Artikel (den der Herausgeber dankenswerterweise im engl.
Wortlaut seinem Leser mitteilt) von der Heil. Schrift als Richtmaß
aller Lehre fordert (ebendort).

An vielen Stellen geht er auf Verbindung oder Abweichung zur
römisch-katholischen Lehre ein (so S. 82; S. 96: sie sei eher doketisch
als ganz der Inkarnation gerecht werdend); S. 119: die Evangelischen
haben in Missionsarbeit die Bibelübersetzungsarbeit und Sprache der
Einheimischen im Gottesdienst den Römischen Missionen voraus;
S. 135: die römisch-katholischen Missionare standen dem Volksleben
verhältnismäßig fern; S. 148: Päpste revidierten Entscheidungen ihrer
Vorgänger: Clemens XIV. verbot Jesuiten-Orden 1773, Pius VII. hob

dieses Verbot 1814 wieder auf). Ähnliche deutliche Kritik übt Verf.
später auch an einigen Erscheinungen seiner eigenen Kirche wie der
Lambeth-Konferenz-Äuswahl 1948 (S. 22) und der Ökumen. Arbeit
heute: bei Sektion II d.i. die Frage der Evangelisation „war eine klare
Linie kaum herauszufinden" in Amsterdam 1948, eine Großstadt als
Tagungsort war unpassend: „der Lärm und die Hast dieses Lebens
wirken bis in die Sitzungsarbeit hinein. Ich werde niemals wieder an
einer solchen Tagung teilnehmen" (S. 235).

Das dritte Eigentümliche dieses spannenden Buches liegt in der
Intimität, mit der hier Glaubensentscheidungen in das allgemeine
Kirchenbewußtsein eines anglikanischen Kirchenchristen hineingenommen
und doch wieder erkennbar und nacherlcbbar herausgearbeitet
werden. Mit welcher Liebe wird die College-Schul-Methode mit ihren
schweren Wissensanforderungen, aber der so persönlichen Leitung der
Schüler durch Tutoren und mit ihnen zusammenwohnenden Professoren
aufgedeckt. Wie ist dieses Wissen tief in die praktizierte Frömmig-
keits- und Gottesdienstübung hineingenommen: „Sofort nahm ich
meine Gewohnheit auf, jeden Sonntag und auch an Heiligenfesten zur
heiligen Kommunion zu gehen. In der Regel besuchte ich sonntags
noch einen zweiten Gottesdienst und ging wochentags fast regelmäßig
zur Vesper" (S. 60). Freilich nicht bloß im Trinity-College, 6ondern
auch in der Kapelle des Westcott-House, das mehr evangelischen oder
gar freikirchlichen Charakter trug. Dieser hochbegabte Juristen- und
Missionars-Sohn, der in der Schulzeit auch Italienisch lernte, um Dante
lesen zu können (S. 65), hat eine glänzende Professoren-Laufbahn ausgeschlagen
, um einfacher Missionar in Indien zu werden (1924). Mit
zu dem Ergreifendsten und Instruktivesten sind seine dortigen Erfahrungen
, aus denen eine ungefärbte Liebe zu den Einheimischen Südindiens
spricht (S. 112 ff.). Seine Arbeitsmethoden als gewählter Bischof
dort (ab 1934) erinnern stark an den ihm auch sonst geistig artverwandten
Missionar und ökumeniker Leslie Newbigin und sein „Südindisches
Tagebudi" (London 19511, i9605, deutsch Stuttgart: Ev.
Missionsverlag).

Was er uns dann später von seinen Kenntnissen und
Begegnungen in der großen Anglikanischen Weltgemeinschaft
berichtet, aus der Protestant Episcopal Church Amerikas (S. 205),
aus Mittelamerika und Südamerika (in Brasilien ist Portogiesisch
auch die Gottesdienstsprache geworden für die dortigen 3 Bistümer
; S. 207), Japan, China (S. 208/209), den Missionsbemühungen
in Neuguinea von Australien her, wo mangelnde
Ausbildung der Priester gerügt wird (S. 210 ff.), mit besonderer
Wärme dann weiter von der afrikanischen raschen Aufwärtsentwicklung
in Nigeria, Ost-Afrika mit Kenya und Tanganyika
(S. 212 ff.) gehört zum Instruktivsten und Aktuellsten, was man
über diesen großen Teil der Oekumene heute lesen kann.

Es ist nur auffällig, daß sich auch die Anglikaner — hier in
merkwürdiger Parallele zu den Lutheranern und Reformierten
nach ihren Verlautbarungen auf Konferenzen ihrer Weltbünde —
als in der „Fülle" rechten christlichen Glaubens stehend fähig
fühlen, Sammel- und Treffpunkt zur Wiedervereinigung der
Christen aus anderen Konfessionen werden zu können. Was man
aber hier bei einem Anglikaner eher vernimmt als bei den anderen
genannten Protestanten ist die echt oekumenische Bereitschaft
, die „bereit ist, wenn nötig unterzugehen, damit die volle
Einheit der Kirche Christi sichtbar wird" (S. 250).

Corrigenda: S. 201 statt 1958 1948, S. 150 und 160 Druckfehler:
die und Bischof.

Berlin Gunter Gloede

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