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1965

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Kirchengeschichte: Reformationszeit

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 2

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iudicium vor. Zwar hat Luther auch hier die Möglichkeit nicht
ausgeschlossen, daß sich jemand durch ein Gelübde bindet, nur
darf dieses keinen ewig verpflichtenden Charakter haben. Aber
im ganzen geht er ins Gericht mit dem monastischen Ideal des
Mittelalters. Das Mönchtum steht im Widerspruch zu Schrift,
Glauben, christlicher Freiheit, zu den Geboten und auch zur
menschlichen Vernunft. Deshalb sind die Mönchsgelübde null
und nichtig.

Das Mönchtum ist somit die letzte große Einrichtung der
katholischen Kirche seiner Zeit, die Luther überwunden hat.
Die Basis dafür ist allerdings schon in der ersten Psalmenvorlesung
da. Die bruchlose Entwicklung Luthers seitdem ist
erstaunlich. Verf. sieht in diesem Ergebnis ein« Bestätigung dafür
, daß Luther bereits in der Zeit der ersten Psalmenvorlesung
zu seiner reformatorischen Theologie gelangt sei.

Erstaunlich sei es auch, daß Luther in keiner der erwähnten
Schriften, selbst nicht in den „Randbemerkungen", das
traditionelle Mönchsideal in seinem vollen Umfang vertrat,
wenn sich selbstverständlich auch in manchen anderen Punkten
in der Frühzeit noch diese oder jene mittelalterliche Anschauung
findet. Verf. folgert daraus, daß Luther von seinen Anfängen
an in einem ganz neuen Sinne von der Schrift her Theologie
getrieben und sich in vielem von der Tradition freigehalten
habe.

Bis zu diesen allgemeinen Erkenntnissen hin überzeugt
Lohses Buch, das gründlich gearbeitet, übersichtlich angelegt und
klar geschrieben ist. Die Einzelschriften sind gut ausgewählt und
treffend interpretiert. Viele Quellenzitate veranschaulichen und
erhärten die Feststellungen des Verf.s. Auch der besonnenen
Auseinandersetzung mit der Forschung älteren und neuesten
Datums folgt man gern. Zum Methodischen bliebe allerdings zu
fragen, ob für eine Darstellung des Mönchsideals des Mittelalters
das chronologische Vorgehen einem systematischen vorgezogen
werden mußte. Nicht nur, daß das dadurch fortwährend notwendige
Wiederaufgreifen der Probleme ermüdet, es läßt sich
bei dem gesteckten Ziele auch eine gewisse Schematisierung der
Meinungen der einzelnen Theologen nicht vermeiden, vor allem
aber wünschte man sich ein geschlosseneres Bild der Vorstellungen
vom Mönchtum, die zu Luthers Zeit in seiner Umgebung
lebendig waren samt aller vorhandenen eventuellen Kritik an
einzelnen Auffassungen. In sachlicher Hinsicht würde sich allerdings
auch auf diesem Wege kaum mehr finden lassen, als Verf.
dankenswerterweise zeigen konnte.

Leipzig Ingetraut L u d o I p h y

Wo ude, C. van der, Dr.: Sibrandus Lubbertus. Leven en werken,
in het bijzonder naar zijn correspondentie. Kampen: Kok 1963.
623 S., 4 Taf. gl. 8°. hfl. 32.-.

Der Verfasser, seit einigen Jahren Professor der Kirchengeschichte
an der Theologischen Hochschule in Kampen, war
dort in der Lage, sein Werk über Sibrandus Lubbertus, woran
er während einiger Jahrzehnte gearbeitet hat, zu vollenden. An
sich war es nicht so erstaunlich, daß Lubbertus nie früher
einen Biographen gefunden hatte. Seine theologischen Schriften
waren ja meistens polemischer Art und seine Persönlichkeit war
nicht sehr einnehmend. Er hat aber die calvinistische Reformation
energisch verteidigt und seine Geistesverwandten haben
ihn oft zu Rate gezogen und immer geschätzt wegen seiner Gelehrtheit
. Lubbertus stammte aus einem Patriziergeschlecht in
Butjadingen, studierte in Bremen, Wittenberg, Genf, Marburg,
Neustadt, und promovierte 1587 in Heidelberg. Schon 1582
war er als Krarkenbesucher nach Emden gerufen worden. Dit
Lutherischen dort bewirkten seine Entlassung. Dann ging er
nach Friesland, wo er bald als Professor an der neugegründeten
Akademie in Franeker ernannt wurde. Dort hat er von 1 585 ab
gearbeitet. 1625 starb er und wurde in der Martinskirche zu
Franeker begraben.

Die Zeitgenossen haben Lubbertus gewürdigt wegen seiner
sechs Hauptschriften wider Bellarminus und Gretzerus. Mit
vielen Syllogismen, ganz nach neu-scholastischer Methode, versuchte
er diese katholischen Theologen zu widerlegen. In
gleicher Weise hat er auch gegen den Sozinianismus gekämpft

in seinem Buche über die Versöhnungslehre. Später war es ihm
nicht mehr möglich, sich dieser Polemik zu widmen, weil
holländische Verhältnisse seine Aufmerksamseit auf sich zogen.
Allmählich hat er Front gemacht gegen Arminius und dessen
Nachfolger Vorstius, weil er Verwandtschaft zwischen Remon-
strantismus und Sozinianismus zu spüren meinte. Besonders
wurde Lubbertus gekränkt, als Hugo Grotius bewirkte, daß
Hollands Staaten ein Büchlein von Lubbertus über das Magistratsrecht
in kirchlichen Angelegenheiten verboten. Um so mehr
hat er in diesen Jahren die Sache der Kontraremonstranten mit
seinen Briefen gefördert. Als Gomarus sich etwas zurückzog,
hat Lubbertus den Gesinnungsgenossen unablässig Rat gegeben.
Auf der Synode von Dordrecht ist er oft sehr leidenschaftlich
vorgegangen. Lubbertus war ein schwieriger Mensch; das zeigt
sich auch in seiner Theologenfehde mit Drusius und später mit
Maccovius.

Man gewinnt den Eindruck, daß Lubbertus nicht in Diskussionen
, sondern in seinen Vorlesungen, nicht im Gespräch,
sondern im Briefwechsel seine Gedanken am klarsten und friedlichsten
äußerte. Aus seinem Briefwechsel geht hervor, wie
Lubbertus die akademische Disziplin förderte und in Kirchenverfassungsfragen
tätig war. Van der Woude hat diesen Briefwechsel
eingehend untersucht und ihn so ausführlich dargestellt,
daß man sein Werk fast als Quellenausgabe betrachten darf.
Leider hat er die theologischen Schriften sehr kurz behandelt.
Darin ist Lubbertus allerdings nicht sehr originell, aber es wäre
doch möglich, z. B. von seinem Katechismuskommentar her,
seine aktuelle Bedeutung zu beleuchten. Aber auch in dieser
Form gibt Van der Woude ein gutes Bild dieses passionierten
Mannes, dessen Arbeit als kirchlicher Berater und Polemiker in
der damaligen Zeit erheblich gewesen ist.

Groningen Otto Jan de Jon i:

B i z e r, Ernst: Zur Methode der Melanchthonforschung (EvTh 24, 1964
S. 1-24).

Jackson, Eric W.: Parish Life in Sixteenth Century England (AThR
46, 1964 S. 54—70).

Noltensmeier, Hermann: Zum Schriftverständnis Luthers und
Calvins (KidZ 19, 1964 S. 362—366).

Quervain, Alfred de: Das Lob Gottes bei Calvin und seine Bedeutung
für die Welt heute (KidZ 19, 1964 S. 201—204).

Rothuizen, G. Th., Dr.: Tweeerlei Ethiek bij Calvijn? Kampen:
Kok [1964]. 31 S. gr. 8°.

KIRCHEN GESCHICHTE: NEUZEIT

L i n d t, Andreas: Protestanten — Katholiken — Kulturkampf. Studien
zur Kirchen- und Geistesgeschidite des Neunzehnten Jahrhunderts.
Zürich: EVZ-Verlag [1963]. 196 S. 8°. DM 13.80.

Der Verfasser der Monographie über Leonhard Ragaz und
den religiösen Sozialismus bietet in dem vorliegenden Buch eine
Darstellung des Kulturkampfes des vorigen Jahrhunderts vornehmlich
aus der Schweizer Perspektive. Er hat damit einen
wichtigen, ergänzenden Beitrag zu diesem Thema geliefert, das
bisher meist nur unter Berücksichtigung der Verhältnisse in
Deutschland zur Behandlung kam. — Nach einem Überblick über
den Katholizismus in der Welt des 19. Jahrh. und das Verhältnis
der Konfessionen in der Schweiz läßt Lindt in Einzelabschnitten
die Stellungnahmen von Jeremias Gotthelf, Gottfried
Keller und Jacob Burckhardt zum Katholizismus folgen, ferner
die der Theologen Alexander Schweizer, Alois Emanuel Biedermann
, Alexander Vinet, Karl Rudolf Hagenbach und Friedrich
Nippold. Er hat damit ein geistesgeschichtlich eindrucksvolles
Panorama gewonnen, um nun auch auf Bismarck und den deutschen
Kulturkampf einzugehen, der in den folgenden Abschnitten
im Lichte der schweizerischen protestantisch-kirchlichen Presse
verfolgt wird. Alle Ausführungen sind zuverlässig belegt, wie
überhaupt Benutzung und Auswertung der Literatur nichts zu
wünschen übrig lassen. Das Buch schließt mit einer historisch-
politischen Interpretation der Lage nach dem Ausklingen des
Kulturkampfes, der auch in der Schweiz zu einer Klärung der
Fronten und einem Abschleifen der radikalen Gegensätze geführt
hat. Der Kulturkampf in der Schweiz, wesentlich mit den