Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1965

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

125

Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 2

126

tetc Übersicht über die zahlreichen Bepfründungen der Marienkanoniker
in anderen Stiften ist hierfür besonders dankenswert.

Zwei kleinere Abschnitte über die soziale Herkunft und das
Wirken der Prälaten und Kapitulare runden den allgemeinen
Teil ab. Das Bild der sozialen Struktur bietet nichts Auffälliges:
ein Vorherrschen des (thüringischen) Ministerialadels, dem sich
dann zunehmend der bürgerlichen Aristokratie entstammende
Persönlichkeiten zugesellen. Weder durchführbar noch sinnvoll ist
hier indessen der Versuch einer Scheidung in Angehörige patri-
zischer und sog. bürgerlicher Familien. Auch sei angemerkt, daß
in dem anschließenden Abschnitt nicht, wie die Überschrift angibt
, von einem Wirken des Kapitels insgesamt die Rede ist,
sondern nur von einem Tätigwerden einzelner seiner
Glieder, so etwa in der weltlichen Verwaltung der Erzdiözese, im
Rahmen der erzbischöflichen potestas iurisdictionis, im Dienst
der Kurie, der Wissenschaft u. a. Am weitgehendsten war dabei
die Beteiligung am Erfurter Generalgericht, was schon G. Mays
grundlegende Arbeit hierüber deutlich machte (vgl. ThLZ 8 3,
1958, Sp. 542 ff.).

In dem für die Geschichte des Stiftes gewiß recht wertvollen biographischen
Teil wird man leider in vielen Fällen eine Konzentrierung
auf das Wesentliche vermissen. So werden in zahlreichen Viten bei der
Wiedergabe von Urkundeninhaltcn Dinge geschildert, die für die
Kenntnis der Lebensumstände und des Wirkens der Betreffenden ohne
jeden Belang sind (z.B. S. 1 14, 122, 135 f.). Kaum wird auch von Verweisungen
Gebrauch gemacht, so daß immer wieder bereits im allgemeinen
Teil Gesagtes hier mit fast denselben Worten, mitunter sogar
mehrfach wiederholt wird (z.B. S. 40 u. 130 f., 46 u. 122, 85 u. 195).
Es entsteht darum der Eindruck, daß eine letzte Ausfeilung des Textes
unterblieben ist. was auch sonst in zahlreichen stilistischen Unebenheiten
zutage tritt. Störend erscheint daneben die ungleichmäßige Behandlung
von Ortsnamen, die z. T. in moderner Form, z. T. aber auch
in mittelalterlicher Lesart erscheinen, obwohl sich in den benutzten
Urkundeneditionen und Rcgcstcnwerken zumeist auch die gegenwärtigen
Namen finden. Bei dem Abdruck mittelalterlicher (hier lateinischer
) Qucllenstellen aber sollten endlich die geltenden Editionsgrundsätze
beachtet werden, wie es namentlich bei den vielen Zitaten
aus dem Nekrolog des Stiftes wünschenswert gewesen wäre.

Trotz der hier angebrachten Einwände, zu denen noch Hinweise
auf einzelne kleine Versehen treten könnten, wird man
dem Verf. Dank wissen für seine übersichtlich angelegte und
gründliche Untersuchung, die einen wichtigen Baustein für die
noch immer ausstehende Darstellung der Geschichte des vornehmsten
und einflußreichsten Kollegiatstiftes Thüringens bildet.

Erfurt Erich Wiemann

Benz, Ernst: Theologie des Koffers (DtPfrBl 64, 1964 S. 316-318).

Stahleder, Erich: Die Handschriften der Augustiner-Eremiten und
Wcltgeistlichen in der ehemaligen Reichsstadt Windsheim. Würzburg:
Schöningh in Komm. 1963. XV, 284 S. gr. 8° = Quellen und Forschungen
zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg, hrsg.
von Th. Kramer, Bd. XV. DM 18.-.

Waal, Victor de: What is Apostolic Succession? (AThR 46, 1964

- S. 35-54).

KIRCHENGESCHICHTE: REFORMATIONSZEIT

L o h s e, Bernhard: Mönchtum und Reformation. Luthers Auseinandersetzung
mit dem Mönchsideal des Mittelalters. Göttingen: Vanden-
hoeck & Ruprecht 1963. 379 S. gr. 8° = Forschungen zur Kirchen-
und Dogmcngcschichtc, Bd. 12. DM 34.—.

Um die Auseinandersetzung Luthers mit dem Mönchsideal
des Mittelalters verstehen zu lehren, stellt Verf. nach einer
kurzen Übersicht über das asketische und monastische Ideal in
der alten Kirche im umfangreichen ersten Teil die mittelalterlichen
Vorstellungen dar. Natürlich ist das nur in Auswahl möglich.
Deshalb bringt er in chronologischer Reihenfolge einzelne Theologen
, die wesentlichen Anteil an der Ausformunig der Theologie
des Mönchtums haben, und untersucht ihre Stellung zu entscheidenden
Problemen. Den zweiten Hauptteil, der Luthers
Stellung zum Mönchtum behandelt, ordnet Verf. ebenfalls zeitlich
und befragt Schriften Luthers, die für das Thema ergiebig
sind, nach dessen Meinung. Abschließend hebt eine Zusammenfassung
die Ergebnisse noch einmal hervor. Diese seien hier
wiedergegeben.

Die Askese, die bald nach der Abfassung der meisten neu-
testamentlichen Schriften eine Rolle zu spielen begann, hatte
durch das aufkommende Mönchtum und die seit dem 4. Jhdt.
eingebürgerten Gelübde endgültig ihren Selbstwert erhalten. Der
Asket wurde seitdem höher geschätzt als der in der Welt lebende
Christ. Entsprechend galt das Kloster als Verwirklichung des Vorbildes
der Urgemeinde, das von der Großkirche nicht mehr erreicht
werden konnte. Dieses asketische Ideal und hier besonders
das der Jungfräulichkeit vertrat Hieronymus mit stärkstem Nachdruck
. Er vermittelte darüber hinaus dem Abendland die Anschauung
, die Mömchsgelübde seien gleichsam eine zweite Taufe,
die als ein Opfer des Menschen für die seit der ersten begangenen
Sünden nötig würde. Von dieser Fehliniterpretation hielt sich
in der Folgezeit nur Augustin frei. Dieser betonte besonders die
Gemeinschaft des Klosterlebens. Der Gehorsam, der bis zur Ab-
tötung des eigenen Willens reichte, stand bei Cassian im Zentrum
des monastischen Ideals. Außerdem vertrat dieser stärker als
Frühere die Meinung, daß der Asket die sündenlose Vollkommenheit
erreichen könne.

Die Scholastik betonte die Vorstellung, daß der Mönchsstand
ein Büßerstand sei, wobei die Buße den Charakter des
Werkes erhält, durch das sich der Mensch von den nach der Taufe
begangenen Sünden reinigt. Zugleich gewann das Gelübde als
Opfer des Menschen verstärktes Gewicht; es stellte bereits an
sich einen Eigenwert dar. Jetzt wurden auch kirchenrechtliche
Gesichtspunkte wichtiger. Und schließlich trat durch Thomas von
Aquin das Vollkommenheitsideal wieder stärker in den Vordergrund
. Dabei ist es sein Verdienst, deutlicher als Frühere zum
Ausdruck gebracht zu haben, daß es sich hier um das allen
Christen gesetzte Ziel handelt. Der Mönch wählt lediglich einen
besonderen Weg. Trotzdem kommt Thomas nicht davon los,
dem Mönchtum einen Eigenwert zuzuschreiben; denn durch die
Gelübde wird der Mönch gleichsam auf eine neue Seinsstufe erhoben
, so daß gute Werke und Sünde bei ihm ein anderes Gewicht
haben als bei den Weltchristen. Paltz hat in einseitiger
Weise das gesamte monastische Ideal in die Mariologie eingebaut
.

Eine Prüfung der Aussagen von Hus und den Hussiten ergibt
, daß sie die Kritik Wyclifs am Mönchtum nicht übernommen
haben. Entsprechend dürfte Luther von ihr höchstens einige
allgemeine Kenntnisse gehabt haben.

Hinsichtlich der Entwicklung von Luthers Stellung zum
Mönchtum lassen sich nach Meinung des Verf.s folgende Stufen
beobachten: In den Randbemerkungen zu Augustin und Petrus
Lombardus (1509/10) folgt Luther, abgesehen von einigen
Akzentverschiebungen und kritischen Ansätzen, weithin der
Tradition. In der ersten Psalmenvorlesung beginnt eine leise
Uniprägung des monastischen Ideals, wodurch ein vertieftes Verständnis
zustande kommt. Das Mönchtum ist für den Einzelnen
der Vollzug der annihilatio sui, die in einer neuen Weise von
der Taufe her verstanden wird. An keiner Stelle werden die
Mönchsgelübde als zweite Taufe gesehen. Entscheidend ist allein
das Taufgelübde, das höchstens von dem Mönchsgelübde noch
einmal aufgenommen wird. In der Römerbriefvorlesung sind die
Linien noch deutlicher ausgezogen und die Kritik ist verschärft.
Wesentlich ist, daß Luther in einer theologischen Besinnung
über das Mönchsideal die Mönchsgelübde auf die Seite des Gesetzes
rückt. Nach Luthers Meinung kann man sich zwar in
christlicher Freiheit getrost an sie binden, aber sie dürfen
keinesfalls als hcilsnotwendig angesehen werden. Damit hatte
Luther ein Verständnis des Mönchtums erreicht, das sich zunächst
mit seiner reformatorischen Theologie vereinen ließ. Entsprechend
trat die Kritik bis 1519 stark zurück, ja es finden
sich in dieser Zeit erstaunlich positive Äußerungen über das
Mönchtum. Neue Fragen ergaben sich einmal aus den zahlreichen
Mißständen und zum anderen aus der Neubesinnung auf das
Wesen der christlichen Freiheit. Luther konnte jetzt die Freiheit
, die dem Menschen in der Taufe zuteil geworden ist, nicht
mehr mit der Knechtschaft der Gelübde vereinen.

Das Ergebnis dieser Neubesinnung liegt endgültig 1521 in
den Themata de votis und ausführlicher in De votis monasticis