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Ausgabe:

1965

Spalte:

123-124

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Mehnert, Gottfried

Titel/Untertitel:

Die Kirche in Schleswig-Holstein 1965

Rezensent:

Jannasch, Wilhelm

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 2

124

Leidenschaft des lückenlosen Registrierens eine gewisse Schwäche
der Bewertung gegenüber. — Auf Druckfehler stießen wir oft,
aber 6ie waren stets ohne Schwierigkeit zu berichtigen.

Rostock Gottfried Holt7

Mehnert, Gottfried: Die Kirche in Schleswig-Holstein. Eine Kirchengeschichte
im Abriß. Kiel: Luth. Verlags- u. Buchhandelsges. m.b.H.
1960. IV, 160 S. 8°. Hlw. DM 9.80.

Das vorliegende Buch, dem Bischof D. Halfmann ein Geleitwort
mitgegeben hat, ist nicht nur für die Landeskirche von
Schleswig-Holstein eine wertvolle Gabe. Das Gebiet zwischen
Elbe, Ost- und Nordsee hat aus geographischen, völkischen
und theologiegeschichtlichen Gründen für die Kirchengeschichtsschreibung
überhaupt ein besonderes Interesse, so daß Mehnerts
Arbeit auch außerhalb von Schleswig-Holstein mit Dank aufgenommen
werden wird. Die beiden grundlegenden Werke zur
Schleswig-Holsteinischen Kirchengeschichte, das von Hans von
Schubert, das bis zur Reformation reicht, und das von Ernst
Feddersen, das die Arbeit von Schuberts bis 1721 fortsetzt, sind
durch das vorliegende Buch bis zur Gegenwart fortgeführt.
Freilich konnte der Verfasser in diesem Abriß kein Buch in
streng wissenschaftlicher Form bieten: Anmerkungen mit
Quellen- und Literaturnachweisen sowie ein Register fehlen.
Aber auf Schritt und Tritt merkt man, daß die Quellen und
namentlich die Literatur (s. die Übersicht auf S. 158—160)
gründlich benutzt sind. Und da das Werk von Feddersen nur bis
1721 reichte, bedeutet der Versuch, die Kirchengeschichte
Schleswig-Holsteins bis zur Gegenwart zu führen, auch ein
wirkliches wissenschaftliches Verdienst. Der Missionsgeschichtler
wird dankbar sein, eine knappe Übersicht über die Zeit der
Mission und Kirchengründung zu bekommen. Die Reformationsgeschichte
wird vielleicht etwas zu unbeteiligt erzählt
, aber mit Recht wird auf die Verwickeltheit und Vielschichtigkeit
des geschichtlichen Vorgangs Wert gelegt. Wieweit
der Verfasser hier etwas mehr an Einzelheiten hätte bringen
können, namentlich hinsichtlich der unmittelbaren Beziehungen
zwischen Wittenberg und dem nordelbischen Raum, darüber läßt
sich streiten. Aus Lübeck wurden die lutherischen Prediger
nicht ausgewiesen, wie der Verfasser aus der von ihm angegebenen
Literatur hätte wissen können, und das Zitat aus Feddersen
wirkt angesichts unserer heutigen Kenntnis der Dinge vereinfachend
und vergröbernd. Über Pietismus und Aufklärung hat
der Verfasser einen so m. W. bisher nicht vorhandenen Überblick
gegeben und mancherlei (auch kultur- und geistesgeschichtlich
) Neues geboten. Der Abschnitt über die Brüdergemeine ist
leider in seinem zweiten Absatz durch Schuld des Druckers (?)
technisch so in Unordnung geraten, daß er nicht mehr voll zu
verstehen ist. Über die letzten Seiten des Buches wird man
recht verschiedener Meinung sein. Wenn schon nach der Auffassung
Mehnerts die kirchliche Jugend in Schleswig-Holstein,
„die zunehmend unter den kulturfeindlichen Einfluß der Theologie
Karl Barths geriet, auf abseitige Wege" kam, so wundert
man sich, daß dann nicht auf S. 144 offen gesagt wird, daß
dieser kulturfeindliche Karl Barth der eigentliche Verfasser der
theologischen Sätze von Barmen 1934 war, während Hans
Asmussen sie der Barmer Synode vorgelegt hat. Daß Mehnert
für die Kirchengeschichte im 3. Reich nur ausgewählte Dokumente
gibt und auf den Versuch einer Darstellung verzichtet,
kann man verstehen. Aber nicht bekannt scheint ihm zu sein,
daß die Bearbeitung des Kirchenkampfes durchaus planmäßig in
Angriff genommen ist, und daß die Geschichtsquellen dafür, soweit
sie sich in besonderen Archiven befinden, auch der Forschung
durchaus zugänglich sind. — Wichtig ist der abschließende
Überblick über die Schleswig-Holsteinische Landeskirche
in der Gegenwart. Hier konnte der Verf. natürlich den Plan, die
,.lutherischen Kirchen im nordelbischen Bereich zu einer nord-
clbischen lutherischen Kirche zu vereinigen" nicht übergehen.
Ob er im Blick auf Matth. 28, 18—20 (damit schließt der Verfasser
) ein im Sinne des dort Redenden sinnvoller Plan ist, steht
hier nicht zur Erörterung.

Von den zahlreichen Druckfehlern seien wenigstens einige genannt
: S. 22, Z. 2 v. o. „hatte", nicht ..hatten". — S. 46, Z. 4 v. u.

„wiederum" nicht „wiedrum". — S. 5 5, Z. 2/3 v. o. müssen die Worte
„Und so war es auch" fortfallen. — S. 65, Z. 14 v. o. „beweisen"
nidn beweist". — S. 94, Z. 4 v. o. „Antoinette" nicht „Antionette".
S. 96, Z. 1 v. o. „Taten", nicht „Tagen". — S. 109, Z. 5 v. o.
„stehende" nicht „stehenden". — S. 131, Z. 8 v. u. „Kirchspiele"
nicht „Kirchenspiele".

Mainz Wilhelm Ja n n a s ch

Sonntag, Franz Peter: Das Kollegiatstift St. Marien zu Erfurt von
1117—1400. Ein Beitrag zur Geschichte seiner Verfassung, seiner
Mitglieder und seines Wirkens. Leipzig: St. Benno-Verlag 1962. XX,
334 S. gr. 8° = Erfurter Theologische Studien, hrsg. v. E. Kleineidam
u. H. Schürmann, Bd. 13. DM 22.50.

Die als Münchener philosophische Dissertation entstandene
Arbeit zerfällt in zwei Hauptteile: einen etwas summarisch als
allgemeinen Teil bezeichneten, der die Verfassung des Stiftes
darstellt sowie Überblicke über die soziale Herkunft der Stiftsangehörigen
und ihr Wirken gibt, und einen biographischen Teil,
in dem für jeden der mehr als dreihundert Prälaten und Kanoniker
, die bis 1400 nachweisbar sind, die sich in dem verarbeiteten
Quellenmaterial findenden Angaben zusammengestellt sind.
Einleitende Bemerkungen über die Entstehung des 1117 erstmals
urkundlich sicher bezeugten und erst nach der Besitzergreifung
Erfurts durch Preußen im 19. Jh. aufgehobenen Stiftes fußen auf
den bisherigen Forschungen, wonach seine Wurzeln vermutlich bis
in die Zeit des kurzlebigen bonifatianischen Bistums Erfurt hinabreichen
. Doch ist dabei dem Verf. offenbar eine die Existenz
des Stiftes bereits 108 3 wahrscheinlich machende Abhandlung
A. Overmanns in Sachsen und Anhalt, Jb. d. Hist. Komm. f. d.
Prov. Sachsen u. f. Anhalt, Bd. 6, 1930, S. 38 ff., entgangen. Das
Grenzjahr 1400 für die Untersuchung legte das Aufhören der
Urkundenedition für das Marienstift mit diesem Jahr nahe. Die
Verwertung des gerade seit diesem Zeitpunkt im Marienstiftsarchiv
noch reichlich vorhandenen Quellenguts hätte sicherlich
das hier gegebene Bild in manchen Zügen bereichert, was nicht
zuletzt der Darstellung der hier nur (S. 48) gestreiften stiftischen
officia hätte zugute kommen können. Doch wäre dann
wohl die Durchführung des biographischen Teils in der hier gebotenen
Breite unmöglich geworden.

Als für die historische Forschung am ergiebigsten wird man
den ersten, die Verfassung des Stiftes behandelnden Abschnitt
anzusehen haben. Eingegangen wird zunächst auf die Prälaturen,
d. h. die Ämter des Propstes, des Dekans, des Scholasters und des
Kantors, während das mancherorts ebenfalls dazugezählte Amt
des Kustos höchstens einen Ehrenvorrang besessen hat und, nachdem
sein Inhaber 1327 die Pfarrechte über die ehedem damit verbundene
Marienpfarrei verloren hatte, sogar erloschen ist. Entsprechend
werden hier die Stellung des Propstes als des Archi-
diakons B. M. V. und des Dekans als des Vorgesetzten der Sedcs
Erfurt berücksichtigt und ebenso die Wandlungen, denen die
Ämter unterworfen waren: so das allmähliche Zurücktreten des
in der Regel nicht ortsansässigen Propstes hinter dem Dekan in
der Leitung des Stiftes sowie die allerdings nicht ex officio erfolgte
Ausdehnung des Einflusses des Dekans auf die Verwaltung
des erzbischöflichen Allods und des Generalgerichtes in Erfurt.
Nicht minder ausführlich werden die einfachen Kanonikate dargestellt
. Untersucht werden hier u. a. Zahl und Art der Pfründen
(am Ende des 14. Jhs. regulär 22), die Einkünfte, der Eintritt in
das Kapitel und die hierfür zu erfüllenden Bedingungen, der Umfang
der Pflichten und Rechte sowie das Ausscheiden aus dem
Kapitel. Wenn man auch, um das besonders zu erwähnen, hinsichtlich
der Weihegrade mit dem Verf. darin übereinstimmen
mag, daß für die Einweisung in ein Kanonikat im allgemeinen der
Subdiakonat und für die Prälaturen die Priesterweihe als erforderlich
angesehen wurden, so ist das jedoch weniger quellenmäßig
nachgewiesen als analog den Verhältnissen in Mainz angenommen
. Ersichtlich hat es jedenfalls an Ausnahmen nicht gefehlt
. Allerorten lassen die Ausführungen gut erkennen, in welch
erschreckendem Maße der Pfründenbesitz im Mittelpunkt der
Interessen der Stiftsherren gestanden haben muß, und wie ihre
..Lebensweise und Denkart mehr auf die Rechte sah, die dem
Besitzer der Pfründe zustanden, als auf die Pflichten, die der
Pfründenbesitz von ihm forderte" (S. 64). Die sorgfältig erarbei-