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Ausgabe:

1965

Spalte:

115-116

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Aristeas, Lettre d'Aristée à Philocrate 1965

Rezensent:

Delling, Gerhard

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115

Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 2

116

die Erfüllung des Alten Testaments in der Geschichte Jesu zu
schildern suche; aber die Durchführung dieses Beweises muß zu
höchst gewaltsamen Konstruktionen greifen und verfällt schließlich
auf den Ausweg, die „Erfüllungs"-Zitate aus einer Tradition
abzuleiten, ohne daß gefragt würde, warum gerade nur Matthäus
diese Tradition aufgenommen hätte. Und während im
6. Kapitel mit guten Gründen allerhand Versuche abgewiesen
werden, an zahlreichen Stellen des Matthäusevangeliums die
Einwirkung typologischer Exegese zu entdecken, gelingt der
Nachweis des 7. Kapitels keineswegs, daß sich im Matthäusevangelium
keinerlei stärker partikularistische Texte finden, da
nicht erklärt wird, warum nur Matthäus Texte wie Mt. 10,5.
23; 15, 24 aufgenommen hat (daß Matthäus letztlich keine partikularistische
Anschauung vertritt, ist natürlich richtig). Das
8. Kapitel stellt dann abschließend fest, daß das Matthäusevangelium
nicht für Juden oder Judenchristen geschrieben sei.

Man wird nicht sagen können, daß der Verf. seine These
wahrscheinlich gemacht hat (obwohl sie seither noch mehrfach
verteidigt worden ist). Die zweifellose Judaisierung der Jesusüberlieferung
im Matthäusevangelium kommt in diesem Buch
überhaupt nicht in den Blick, und die Möglichkeit wird überhaupt
nicht erörtert, daß Matthäus für Griechisch sprechende
Judenchristen geschrieben sein könnte. So bleibt die Arbeit von
Nepper-Christensen als erneute Widerlegung der altkirchlichen
Tradition über die Entstehung des Matthäusevangeliums wertvoll
, trägt aber schwerlich etwas bei zur richtigen geschichtlichen
Einordnung des Evangeliums.

Die Übersetzung aus dem Dänischen ist nicht ganz fehlerfrei:
( S. 42, Anm. 25: „Indem auf Apg. 1, 1 verweist wird"; S. 81: der
Dekret; S. 86, Anm. 64: anschließlich); und daß in einer Übersetzung
aus dem Dänischen alle Zitate in skandinavischen Sprachen in der Ursprache
angeführt werden, ist sehr unzweckmäßig. — Störend sind die
lateinischen Formen „ante quo" S. 31, Anm. und „uniusquisque" S. 42
Anm. — Im Literaturverzeichnis sind S. 222 die mit V und W beginnenden
Namen durcheinandergeraten.

Marburg/Lahn Werner Georg K ü m m el

Pelletier, Andre, S. J.: Lettre d'Aristee ä Philocrate. Introduction,
texte critique, traduction et notes, index complet des mots grecs.
Paris: Les Editions du Cerf 1962. 324 S., 1 Taf. 8° = Sources
Chretiennes, publ. par C. Mondesert, Serie Annexe de Textes non-
chretiens, No. 89.

Neben die eindringliche Untersuchung über die Verarbeitung
des sog. Aristeasbriefes in Josephus' ant. 12,11—118
durch Pelletier (s. OLZ 59, 1964, Sp. 271 f.) tritt seine zweisprachige
, kommentierte Edition der ep. Ar., der eine ausführliche
Einleitung vorangeschickt ist. Diese bespricht zunächst die
handschriftliche Überlieferung (p. 8-41). Die direkte kollationierte
P. größtenteils selbst, sei es am Original (die 5 Pariser
Hss.), sei es nadi Mikrofilmen; eingehender bespricht P. die Hs.
U, den Seragliensis 8 von Konstantinopel, von dem eine Seite in
Abbildung beigegeben ist. Die Erörterung der indirekten Überlieferung
ist dem Vergleich zwischen der ep. Ar. und deren Verwertung
durch Euseb (praep. ev. 8,2—5; 9,38) gewidmet (für
Josephus vgl. oben). Der Eusebtext hilft mitunter, die richtige Lesart
für ep. Ar. zu erkennien; am häufigsten sind die Differenzen
aber durch den Unterschied zwischen den Auffassungen des jüdischen
und des christlichen Autors, die ja auch verschiedenen
Zeiten angehören, veranlaßt (dazu gibt P. reiches Material). Kurz
referiert P. über Ausgaben und Übersetzungen der ep. Ar.
Deren Abfassung schreibt er einem alexandrinischen Juden aus
pharisäischen Kreisen im Anfang des 2. Jh.s v. Chr. zu. Eingehender
ist wieder von der Absicht und der literarischen und
sprachlichen Eigenart der Schrift die Rede (zum letzten Punkt
bleibt H. G. Meecham, The Letter of Aristeas [193 5], grundlegend
). Sie verbindet amtliches Material, Pilgerberichte über
Jerusalem, eine Art Regentenspiegel, eine Apologie des mosaischen
Gesetzes usw. in einer Propagandaschrift für die LXX,
die sich an Heiden und Juden wendet. Weitere Ausführungen
gelten der historischen Situation, die die ep. Ar. voraussetzt
bzw. in die sie hineingehört, dem „Museum" und der Bibliothek
von Alexandria sowie der dortigen Judenschaft. Schließlich
stellt P. an Hand der großenteils in Übersetzung wiedergegebenen
Texte von Philon bis zum Mittelalter die Entwicklung der
Legende von der Entstehung der LXX dar, deren Autorität sie
in steigendem Maß — nur Hieronymus fügt sich in diese Linie
nicht völlig ein — durch das wunderbare Zustandekommen der
Übersetzung begründet (p. 78—98).

Der Apparat zum Text ist nicht belastet mit Angaben
bloßer Versehen einzelner Zeugen; kollektive Irrtümer sind nur
berücksichtigt, wenn sie Anlaß zu einer Konjektur geben. Aus
der direkten Überlieferung sind in erster Linie die ältesten
8 Zeugen — die verschiedenen Gruppen angehören — verarbeitet.
Die neue Vergleichung der Hss. durch den Herausgeber selbst,
die z. T. neue Wertung derselben (P. betont sie für 0 [Wendland
: M], Monacensis 9, le plus original d'entre eux [p. 42]),
die Einarbeitung der verschiedenen bisherigen Editionen und
die selbständige Beurteilung des Überlieferungsbefundes gibt
der Ausgabe P.s ihre eigene Bedeutung. Josephus wird dort, wo
keine Änderung des Textes durch ihn selbst zu vermuten ist, als
Zeuge der indirekten Tradition gewertet; im anderen Fall wird
er jedoch nicht übergangen. Für Euseb wird nötigenfalls der
Textbefund der Hss. differenziert angegeben (nach Mras). Eine
Reihe textkritischer Probleme ist ausführlicher am Ende behandelt
(p. 243-254).

Nach meinem Eindruck ist P. um eine möglichst sinngemäße
und zugleich gut lesbare Wiedergabe bemüht und übersetzt deshalb
nötigenfalls freier. Die Anmerkungen zur Übersetzung
stellen die ep. Ar. in den sachlichen Zusammenhang der hellenistischen
und jüdischen Welt, in Zeit- und Geistesgeschichte,
hinein, unter reicher Anziehung antiken Parallelmaterials und
moderner Literatur. Zumal für die Sacherklärung hat P. außerdem
in seiner eingangs genannten Untersuchung wertvolle
Arbeit geleistet (vgl. OLZ a. a. O.). — In der Bibliographie ist
die Kennzeichnung des Inhalts bei einer Reihe von Veröffentlichungen
begrüßenswert. Der Wortindex (p. 261—317, Eigennamen
318 f.), bis auf 6 Wörter vollständig auch in der Angabe
der Belegstellen (Wendland: bis auf 54 Wörter), ist dadurch besonders
nützlich (vgl. schon den — anscheinend z. T. verwerteten
— Index Wendland), daß er bei mehrfachem Vorkommen die
Verwendung des Wortes nach inhaltlichen oder grammatischen
Gesichtspunkten, oft sehr speziell (für die Pronomina z. B.
werden die Formen getrennt angeführt) gruppiert und dadurch
dem Benutzer u. U. wesentlich vorarbeitet. Auf LXX, gegebenenfalls
auf die betreffenden Bücher der LXX, und Polybius wird
verwiesen.

Nach allem Gesagten braucht es kaum noch ausgesprochen
zu werden, daß die neue Ausgabe insgesamt die weitere Arbeit
an und mit der ep. Ar. ein gutes Stück fördert.

Halle/Saale Gerhard Delling

P 1 e s s i s, Isak Johannes du: Christus as Hoof van Kerk en Kosmos.

'n eksegeties- teologiese Studie van Christus se hoofskap veral in
Efesiers en Kolossense. Proefschrift. Groningen 1962. X, 148 S. gr. 8°
= Theologische Academie, uitgaande van de Johannes Calvijn
Stichting te Kampen.

Der Theologie des Protestantismus ist durch Vertreter der
Jungen Kirchen in Neu Delhi 1961 vorgeworfen worden, daß
sie die kosmische Dimension Jesu Christi seit Jahrhunderten
habe in Vergessenheit geraten lassen. Das wird auch für manche
wissenschaftliche Untersuchung des urchristlichen Gemeindegedankens
aus dem letzten halben Jahrhundert zuzugeben sein.
Erst neuerdings scheinen die ekklesiologischen Arbeiten zum
Neuen Testament da, wo es textlich begründet ist, eine kosmische
Betrachtungsweise zur Geltung zu bringen. Das ist
wenigstens in der vorliegenden Studie der Fall. Es wird der
Nachweis unternommen, daß die Aussagen von Eph und Kol
über Christus als Haupt der Gemeinde sich schon in den Bildworten
von der Gemeinde als dem Leib Christi in Rom und
l.Kor angedeutet finden. Wenn Christus auch als Haupt des
Weltalls bezeichnet wird, so ergibt sich die Problemstellung: in
welchem Sinne wird Christus Haupt der Kirche und Haupt des
Kosmos genannt? In der historisch-literarischen Grundlegung
geht der Verf. von der sakramentalen Verbundenheit Christi
mit seiner Gemeinde aus und behandelt dann die griechische