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Ausgabe:

1965

Spalte:

113-114

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Gunkel, Hermann

Titel/Untertitel:

Genesis 1965

Rezensent:

Wagner, Siegfried

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 2

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verdient auch die Tatsache, daß die Verf.in nicht bei den Begriffen
berit und diaftr/xr) stehen bleibt, sondern auch diejenigen
Stellen bzw. Schriften untersucht, in denen der Bundesgedanke
in anderer Terminologie begegnet. Dies unterscheidet
die vorliegende Untersuchung sehr deutlich und vorteilhaft
von der weithin üblichen Art begriffsgeschichtlicher Untersuchungen
. E. Lohmeyer hat seinerzeit in seiner Monographie
„Diatheke" (Leipzig 1913) gemeint, den Begriff diaftr/xt] bei
Philon auf zwei (!) Seiten abhandeln zu können —bei A. Jaubert
ist daraus ein umfangreiches Kapitel geworden! Aber auch
über die Geschichte des Bundesgedankens im Judentum hinaus
hat das Buch der Verf.in für Geschichte und Theologie des
Judentums z. T. grundsätzliche Bedeutung: Es sei nur auf die
— freilich oftmals recht hypothetisch bleibenden — Versuche
hingewiesen, Beziehungen zwischen den Schriften der Qumran-
Gemeinde und anderen Schriften des Judentums herzustellen
(vgl. etwa S. 35 8 ff. zur Sapientia Salomonis; S. 394 ff. zu
Philon). Zu beachten sind auch die grundsätzlichen Ausführungen
zum Thema des Verhältnisses zwischen „palästinischem"
und „hellenistischem" Judentum (vgl. u.a. S. 16.69 ff. 299 ff.
308 f. 437 f.). Und schließlich ist auch noch besonders auf die
„Conclusion" des Werkes zu verweisen, in der die Verf.in die
Linien bis in das Neue Testament hinein auszieht (vgl. bes.
S. 462 ff.) und dabei zu dem Ergebnis kommt: „Le peuple de
la nouvelle Alliance chretienne se confere tous les attributs
eschatologiques du peuple d'Israel. Sur tous ces points . . .
les comparaisons montrent que la difference entre judaisme
et christianisme est essentiellement christologique" (S. 462).
Was die Verf.in hier vorträgt, sind in der Tat „Prolegomenes
d'une theologie de l'eglise", auch wenn man ihr — der
Schülerin von A. Dupont-Sommer! — in der weitgehenden
Parallelisierung des „Gemeinde"-Begriffes in Qumran und des
Kirchenbegriffes im Urchristentum nicht ganz wird folgen
können (S. 462: „Deux ecclesiologies"!). Freilich soll an
dieser Stelle auch nicht verschwiegen werden, daß die Verf.in
auch die in der urchristlichen Christologie begründeten, z. T.
grundlegenden Unterschiede zwischen beiden „Ekklesiologien"
6ieht (vgl. bes. S. 465 ff.). Diese wenigen Bemerkungen und
Hinweise mögen genügen, um die kaum zu überschätzende
Bedeutung dieser Untersuchung für die Theologie des Judentums
und des Urchristentums herauszustellen. Die Lektüre des
Buches selbst wird wesentlich erleichtert durch die häufig gegebenen
Zwischenüberschriften. Eine ausführliche Bibliographie
und ein Stellen- sowie Sachregister beschließen das Werk; nur
das Sachregister (S. 541 f.) wünschte man sich etwas ausführlicher
. Und endlich sei an dieser Stelle auch noch dem Wunsche
Ausdruck gegeben, daß von diesem Werk angesichts seiner —
nach Meinung des Rez. — grundlegenden Bedeutung sowie im
Interesse seiner weiteren Verbreitung im deutschsprachigen
Raum eine deutsche Übersetzung angefertigt würde.

Jena Hans-Friedrich Wei B

G u n k e 1, Hermann: Genesis übers, u. erklärt. 6. Aufl. Nachdruck d.
3. Aufl. m. ausführl. Registern v. P. Schorlemme r. Berlin:
Evang. Verlagsanstalt (Lizcnzausg. d. Vlg. Vandenhoeck & Ruprecht,
Göttingen) [1963]. CXXII, 509 S. gr. 8° = Göttinger Handkommentar
z. Alten Testament i. Verb. m. and. Fachgelehrten hrsg. v.
W. Nowack. I.Abt.: Die hist. Bücher, l.Bd.

Wer sich eingehend mit der Interpretation des ersten
Buches der Bibel beschäftigt, kann auch heute noch nicht achtlos
an dem großen Genesiskommentar von Hermann Gunkel
(1862—1932) vorübergehen. Person und Werk des Gelehrten,
dem zu seinen Lebzeiten die allseitige Anerkennung versagt geblieben
ist, haben einen guten Klang in der Geschichte der alt-
testamentlichen Wissenschaft. Mit seinem Namen verbinden sich
Stichworte, die bis in die außerdeutsche wissenschaftliche Literatur
hinein unübersetzt termini technici für Forschungsmethoden
und -ergebnisse darstellen, die heute zum Allgemeingut
der alttestamentlichen Disziplin gehören (z. B. Gattungsund
Formgeschichte, Sagen- und Märchenforschung, der „Sitz im
Leben", den eine literarische Einheit besitzt, usw.). Die Literaturwissenschaft
des Alten Testaments der letzten fünfzig
Jahre ist ohne Gunkels Arbeiten gar nicht denkbar. Sein Ansatz
regte eine erstaunliche Anzahl von Forschern verschiedensten
Herkommens und unterschiedlichster Richtung und Prägung
zur Weiterarbeit an, wovon Walter Baumgartner (Basel)
als einer der zahlreichen Schüler Gunkels aus eigenem Erleben
anschaulich zu berichten weiß. Es ist ein guter Gedanke
des Verlages, diese Würdigung des großen Gelehrten, die Baumgartner
auf dem Alttestamentlerkongreß in Bonn 1962 vorgetragen
hat, auch dem Leser dieses Kommentars (auf den Seiten
CV—CXXII) zugänglich zu machen. Gewiß wird man an vielen
Stellen nicht mehr so urteilen wie Gunkel. Die Forschung ist
nicht stehengeblieben. Aber gerade die neueren Ausleger, wie
z. B. Gerhard von Rad oder Walter Zimmerli, deren Genesisbild
uns Heutigen vor Augen steht, haben wiederholt betont,
wieviel sie dem Meister der Genesisexegese bis heute noch an
Einsicht verdanken. Der Vergleich ihrer Auslegung mit der
Interpretation Gunkels zeigt, wie eng der Zusammenhang sachlich
und historisch ist. Es darf darum begrüßt werden, daß dieses
seit langem vergriffene wichtige Werk dem an der Bibelexegese
Interessierten, vor allem aber dem Theologen, wieder in die
Hand gegeben werden kann.

Leipzig Siegfried Wa gn e r

Jacob, Edmond: Der Prophet Hosea und die Geschichte (EvTh 24,
1964 S. 281—290).

Kraus, Hans-Joachim: Prophetie in der Krisis. Studien zu Texten aus
dem Buch Jeremia. Neukirchen-Vluyn: Neukirdhener Verlag des Erziehungsvereins
[1964]. 123 S. 8° = Biblische Studien, hrsg. v. O.
Weber, H. Gollwitzer u. H.-J. Kraus, 43. Kart. DM 6.80.

— Schöpfung und Weltvollendung (EvTh 24, 1964 S. 462—485).

NEUES TESTAMENT

Nepper-Christensen, Poul: Das Matthäusevangelium ein
judenchristliches Evangelium? Aarhu6: Universitetsforlaget 1958.
229 S. 4° = Acta Theologica Danica, ed. T. Christensen, E. Nielsen,
J. Munck, R. Prenter, Vol. I. Dan. Kr. 25.—.

Die Frage nach den literarischen und theologischen Besonderheiten
der einzelnen Synoptiker ist in den letzten Jahren
wieder stärker in den Mittelpunkt des Interesses getreten.
Während die meisten dieser Arbeiten sich auf die theologischen
Tendenzen der Evangelisten konzentrieren, will Nepper-
Christensen in seiner (durch die Schuld des Rezensenten verspätet
zur Anzeige kommenden) Untersuchung die im engeren
Sinn historische Frage klären, ob die Anschauung zu Recht besteht
, daß das Matthäusevangelium für jüdische oder judenchristliche
Leser geschrieben sei. Er weist im 1. Kapitel nach,
daß mit geringen Ausnahmen die gesamte neuere Forschung mit
jüdischen Lesern des Matthäus rechnet, meint aber, daß die dafür
angeführten Argumente einfach von einem Forscher zum
anderen ungeprüft weitergegeben würden. Ein zweites Kapitel
zeigt überzeugend, daß hinter der von Papias angeführten und
in der Alten Kirche oft wiederholten Tradition, das Matthäusevangelium
sei eine Übersetzung aus dem „Hebräischen", nur
die in ihrem Ursprung nicht mehr aufzuklärende Überlieferung
steht, das Matthäusevangelium sei eine Übersetzung, während
in Wirklichkeit niemals jemand das angebliche semitische
Matthäusevangelium gesehen hat (auch nicht Hieronymus). Und
ebenso überzeugend wird im 3. Kapitel erneut bewiesen, daß
unser Matthäusevangelium nicht eine Übersetzung aus einer
semitischen Sprache sein kann. Das 4. Kapitel möchte zeigen,
daß mit „Hebräisch" in der Nachricht des Papias über Matthäus
wirklich Hebräisch gemeint sei und nicht Aramäisch, wie man
gewöhnlich deutet; das wird nun freilich keineswegs einleuchtend
gemacht, und es bleibt überhaupt unklar, welche Bedeutung
die Entscheidung dieser Frage für die Feststellung haben soll,
daß unser Matthäusevangelium keine Übersetzung aus dem
Semitischen darstellt. Doch scheint mir der Verf. nachgewiesen
zu haben, „daß die altkirchliche Tradition über das Matth,
nicht den faktischen Verhältnissen entspricht", und er stellt sich
nun die Frage, ob das Matthäusevangelium trotz seiner griechischen
Ursprache Züge aufweise, die auf jüdische Adressaten
schließen lassen. Da6 5. Kapitel sucht die Behauptung durchzuführen
, daß Matthäus keineswegs stärker als Markus und Lukas