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Ausgabe:

1965

Spalte:

111-113

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Jaubert, Annie

Titel/Untertitel:

La notion d'alliance dans le judaïsme 1965

Rezensent:

Weiß, Hans-Friedrich

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 2

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braucht) darzulegen. Einerseits faßt er die fortschreitende Entwicklung
vom Zorn zur Liebe zusammen, andererseits hebt er
als die Konstanten in diesem Wechsel die Bezogenheit auf den
Bund, die Liebe und Heiligkeit Gottes und die Heftigkeit der
Äußerung hervor, um daraufhin MN:p zu definieren als die
heftige Reaktion der göttlichen Heiligkeit und Liebe, im Rahmen
des Bundes enthüllt, gegen alles, was diese Beziehung zwischen
Jahwe und seinem Volk beeinträchtigt. Wichtig ist dabei, daß
Renaud darin sowohl den konkret-persönlichen Charakter
Gottes als auch eine Beschreibung seines Verhältnisses zu jemandem
und nicht sein Wesen an sich ausgedrückt sieht.

So sehr man dem letzteren wie auch der skizzierten Bedeutungsentwicklung
zustimmen kann, bleiben doch einige kritische
Bemerkungen unerläßlich: 1. Da die Vorkommen in Ex 20; 34
und Jos 24 deuteronomisch oder jünger sind, wird die Wurzel
iOP in bezug auf Gott von der deuteronomischen Theologie an
verwendet. Sie dient zunächst — in ähnlicher Weise wie *ira,
nur seltener — als ein theologischer Fachausdruck, der den einen
Bundesbruch ahndenden und strafenden Zorn Jahwes meint. —
2. Jedoch bleibt die Beziehung auf den Bund nicht durchgängig
bestehen. So verbindet Ezechiel den Ausdruck mit dem Eheverhältnis
Jahwe-Israel und Deuterojesaja mit dem familienrechtlichen
bxj. Beide verknüpfen die SiNlp Jahwes nicht mit
dem staatsrechtlichen Bundes-, sondern mit dem personalen
Familienverhältnis. Das entspricht der Beobachtung Renauds,
daß sie den persönlichen Charakter Gottes ausdrückt. — 3. Letzteres
wird noch deutlicher, wenn man im Unterschied von
Renaud die niüitreligiöse Bedeutung und deren Affektbetontheit
berücksichtigt. Das Heftige und Leidenschaftliche, das in Jahwes
losbricht, w:"d erst von da aus voll verständlich. — 4.
Renaud bleibt bei der Übersetzung „Eifersucht", sofern die
herabsetzende Enge und Kleinlichkeit aus diesem Begriff eliminiert
werde (S. 15 3). Da das jedoch in einer bloßen Übersetzung
kaum möglich ist, scheint es treffender, an Stelle von „Eifersucht
" oder „Eifer" den Ausdruck „das Eifern" zu wählen.

Löst also die Untersuchung Renauds, die im übrigen von Vorwort
, Abkürzungs- und Transkriptionsverzeichnis, Bibliographie (S. 7
—15) sowie Schlußbemerkung, Anhang über Ez 8,3—5 und Inhaltsverzeichnis
(S. 153—159) umrahmt ist, nicht alle Probleme zufriedenstellend
, so bahnt sie doch einen Weg zum vollen Verständnis des behandelten
Begriffs für den kritischen und weiterarbeitenden Leser.
Dieser hat zudem die Aufgabe, die nicht selten fehlerhaft angegebenen
Autorennamen zu verbessern (so S. 731, 1082, 113, 1 138, 1141, 155).

Erlangen Georg Fohrer

Jaubert, Annie: La notion d'alliancc dans le judai'sme aux abords
de l'ere diretienne. Paris: Edition« du Seuil 1963. 541 S. gr. 8° =
Patristica Sorbonensia. Collection dirigee par H.-I. Marrou, 6.

Die Verf.in des hier zu besprechenden Buches ist bisher
durch ihre aufsehenerregende und z. T. heftigen Widerspruch
auslösende Untersuchung „La date de la Cene. Calendrier
biblique et liturgie diretienne", Paris 1957, bekannt geworden.
Auch in dem vorliegenden Buche verweist sie des öfteren auf
diese Untersuchung und bietet in zweien der beigefügten Appendizes
gewisse Ergänzungen dazu (vgl. bes. Appendice I: La date
du livre des Jubiles = S. 473—476 und Appendice II: Remarques
sur le repas des Therapeutes = S. 477—482). Was die
Verf.in im übrigen in dem vorliegenden umfangreichen Buch
bietet, ist eine Darstellung der Geschichte des Bundesgedankens
im vorchristlichen Judentum („judai'sme tardif avant 70"), die
— was Ausführlichkeit und auch Qualität betrifft — alle bisherigen
Darstellungen des Bundesgedankens, die zumeist das
Judentum nur sehr summarisch behandelten, weit hinter sich
läßt. Besondere Aktualität gewinnt das Buch dadurch, daß hier
zum ersten Male das bisher bekannt gewordene Schrifttum der
Jüdischen Gemeinde von Qumran im Hinblick auf den hier in
ganz spezifischer Weise zum Ausdruck kommenden Bundesgedanken
bearbeitet worden ist. (S. 116—249).

In einem einleitenden Abschnitt („La Theologie de l'alliance
au debut du second siede") arbeitet die Verf.in zunächst die grundlegende
Bedeutung des Bundesgedankens im Alten Testament heraus,
ohne — und dies sei besonders hervorgehoben! — die bereits hier
zum Ausdruck kommenden z. T. sehr verschiedenen Traditionen zu

harmonisieren. Besondere Beachtung verdient in diesem Zusammenhang
das zweite Kapitel, in dem die engen Beziehungen zwischen dem
Bundesgedanken und dem „Gesetz" betont werden (S. 43—54). Für die
entscheidende Bedeutung, die die Verf.in dem Bundesgedanken für
das gesamte theologische Denken des Alten Testaments beimißt, ist
der Satz charakteristisch: „Toute l'histoire d'Israel, teile que l'assume
et la traduit Ia pensee prophetique, c'est l'histoire de la berit — celle
des promesses — mais aussi l'histoire' de la berit violee, du pacte
rompu, parce qu'Israel a transgresse a Loi" (S. 44). Am Ende dieses
Abschnittes (S. 66) formuliert sie die Aufgabe der gesamten Untersuchung
: Es geht ihr im folgenden um die Geschichte der konkreten
Ausprägungen, die der alttcstamentliche Bundesgedanke in den verschiedenen
Strömungen und Gruppen des „Spätjudentums" („judai'sme
tardif") gefunden hat. Das Problem wird aufgezeigt in dem Satz:
„Tous se referent au meme heritage sacre; mais les reactions seront
multiformes" (S. 66). Im ersten Hauptteil des Buches untersucht die
Verf.in den Bundesgedanken im „palästinischen Judentum". Besondere
Beachtung verdient hier das Kapitel über das Jubiläenbuch (S. 89—115),
in dem die Verf.in einen für die folgenden Untersuchungen äußerst
fruchtbaren methodischen Ansatz vorträgt (S. 108 ff.): die Unterscheidung
zwischen den „dimensions verticales de l'alliance" (= der
Bund zwischen Gott und Israel) und den „dimensions horizontales"
(= die auf dem Bund Gottes mit Israel begründete Gemeinschaft der
Israeliten untereinander). Das Hauptgewicht des 1. Hauptteiles liegt
auf der Darstellung des Bundesgedankens in der Qumran-Gemeinde.
Hier — in diesem Kapitel — weitet sich die Darstellung des Bundesgedankens
zu einer Darstellung fast aller theologischen Grundanschauungen
der Qumran-Gemeinde aus, wobei die Verf.in in eindrucksvoller
Weise darlegt, wie gerade in dieser jüdischen Gemeinschaft
durch die besondere Betonung des „horizontalen Aspektes" des
Bundesgedankens die Vorstellung vom Bunde Gottes mit seinem Volk
in Richtung auf die „communaute des elus" umgeprägt wird (vgl. bes.
S. 139 ff.) — ein Gedanke, der im Hinblick auf die Frage, ob wir es
in der Qumran-Gemeinde mit einer „Sekte" zu tun haben oder nicht,
besonders beachtet sein will. Nachdem in einem weiteren Kapitel
(„Theologie de l'alliance et complexite des mouvements palestinicns",
S. 2 50 ff.) die sog. spätjüdischen „Pseudepigraphen" behandelt worden
sind (Psalmen Salomos, Assumptio Mosis, Testamente der XII Patriarchen
usw.), wendet sich die Verf.in auch der rabbinischen Literatur
zu (S. 289 ff.). Hier befremdet allerdings, daß diese sehr umfangreiche
Literatur auf ganzen drei Seiten abgehandelt wirdl Selbst wenn
man mit der Verf.in der Meinung ist, daß der Großteil der rabbinischen
Literatur erst verhältnismäßig spät redigiert worden ist, so bedeutet
dies keinesfalls, daß nicht auch noch in sehr spät redigierten
Schriften ältere Traditionen verarbeitet sein können — eine Tatsache,
an der ja auf Grund dessen, daß die rabbinische Literatur im wesentlichen
Tradition«- und Sammelliteratur ist, nicht zu zweifeln ist.
Jedenfalls dürfte es wohl kaum angehen, sich bei einer Darstellung
des Bundesgedankens im rabbinischen Schrifttum — so, wie es die
Verf.in tut — auf die Pirqe Abot zu beschränken!

Im zweiten Hauptteil wendet sich die Verf.in dann der Ausprägung
des alttestamentlichen Bundesgedankens im sogen, „hellenistischen
Judentum" zu (S. 297—442), wobei nach einigen einleitenden
Bemerkungen, u. a. auch zur Frage der Übersetzung des hebräischen
Begriffes berit durch den griechischen Begriff Sia&yxr), vor allem der
Aristeasbrief, die Schriften des Josephu6 (obwohl selbst palästinischer
Jude, muß er — nach Meinung der Verf.in — auf Grund des apologetischen
Charakters seiner Schriften im Rahmen des hellenistischen
Judentums besprochen werden!) und die Sapientia Salomonis hinsichtlich
des in ihnen zum Ausdruck kommenden Bundesgedankens interpretiert
werden. Den Höhepunkt dieses Abschnittes stellt die Erörterung
der Schriften des Alexandriners Philon dar (S. 375—442); auch
hier wird wieder im Grunde eine Gesamtdarstellung der „Theologie"
bzw. „Religionsphilosophie" Philons geboten. Das Werk wird abgeschlossen
durch eine „Conclusion" (S. 443—469) sowie durch vier
„Appendices", von denen dei dritte und vierte (zu 1 und II s.o.!)
die bereits gegebene Philon-Darstellung ergänzen.

Den soeben kurz skizzierten Inhalt des Werkes in einer
Besprechung in der gebührenden Weise zu würdigen oder zusammenzufassen
, ist unmöglich. Die Verf.in selbst überschreibt
den ersten Abschnitt ihrer „Conclusion" mit den Worten: „Une
impossible recapitulation" (S. 445 f.)! Leicht gemacht hat es
sich die Verf.in auf gar keinen Fall: sie betont im Laufe
ihrer Untersuchung immer wieder die Komplexität der besprochenen
Schriften bzw. Gruppen des Judentums, eine Komplexität
, die auch für die beiden Bereiche des „palästinischen
Judentums" und des „hellenistischen Judentums" in sich gilt
und die in der Vielfalt und Verschiedenheit der Ausprägungen
des alttestamentlichen Bundesgedankens im Judentum zum Ausdruck
kommt (vgl. bes. S. 86 ff., 250 ff.). Besondere Beachtung