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Ausgabe:

1965

Spalte:

107-109

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Rowley, Harold H.

Titel/Untertitel:

Men of God 1965

Rezensent:

Reventlow, Henning

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 2

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der zu den Priestern von Anatot gehörte, jasah und 'alah
nebeneinander begegnen, während Ezechiel und (auffallenderweise
auch Deuterojesaja) nur jäsäh verwenden.

Diese letztgenannte Tatsache kann schon darauf aufmerksam
machen, daß e i n Schlüssel nicht alle Türen schließt. Es
ist aber ein unbestreitbares Verdienst des Buches, die Formelsprache
als solchen Schlüssel folgerichtig genutzt zu haben. Uns
Älteren ist es auch erstaunlich, mit welcher Unbefangenheit in
einem mit kirchlicher Druckerlaubnis erschienenen Werk die
Vierquellentheorie im Pentateuch und die Literarkritik in den
erzählenden und prophetischen Stücken des AT gehandhabt
wird.

Cöttingen Johannes H e m p e 1

R o w 1 e y, H. H., Prof., M. A., D. D., F. B. A.: Men of God. Studies
in Old Testament Htetory and Prophecy. London: Nelson & Sons
[1963]. XII, 306 S. gr. 8°. Lw. 42 S.

H. H. Rowley hat als einer der fruchtbarsten Autoren
englischer Zunge auf alttestamentlichem Gebiet und einer
der Altmeister seines Faches längst internationales Ansehen
gewonnen. So wird es allgemein begrüßt werden, daß er eine
Reihe seiner bekanntesten Aufsätze aus neuerer Zeit, die
alle als Vorträge in der John Rylands Library gehalten und
in dem Bulletin der Bibliothek veröffentlicht worden sind, in
einem Sammelband herausgebracht und damit allen interessierten
Kreisen leicht zugänglich gemacht hat. Im einzelneu
handelt es sich um folgende Aufsätze: 1. „Moses and the
Decalogue" (BJRL 34, 1951/2, S. 81-118), 2. „Elijah on Mount
Carmel" (BJRL 43, 1960/1, S. 190-219), 3. „The Marriage of
Hosea" (BJRL 39, 1956/7, S. 200-233), 4. „Hezekiah's Reform
and Rebellion" (BJRL 44, 1961/2, S. 395-461), 5. „The Early
Prophecies of Jeremiah in their Setting" (BJRL 45, 1962/3,
S. 198—234), 6. „The Book of Ezekiel in Modern Study"
(BJRL 36, 1953/4, S. 146—190), 7. „Nehemiah's Mission and its
Background" (BJRL 37, 1954/5, S. 528-561), 8. „Sanballat and
the Samaritan Temple" (BJRL 38, 1955/6, S. 166-198). Die
Ordnung folgt der Chronologie der behandelten Ereignisse und
Gestalten, nicht dem Erscheinungsdatum; einige der Beiträge,
die schon etwas weiter zurückliegen, gehören längst zu den
bekanntesten Untersuchungen der betreffenden Themen.
„Often in the history of the world great issues have depended
on lone individuals" (S. 64), dieser Satz gibt wohl den
Grundtenor des Buches an, und entsprechend lautet die Überschrift
, die doch im Grunde recht verschiedene Themen unter
sich vereint, deren sachlicher Zusammenhang nicht auf den
ersten Blick sichtbar wird. Von Moses bis zum samarita-
nischen Tempel wird der ganze Bereich alttestamentlicher
Geschichte berührt. Ihre Einheit liegt, und das Gesamtthema
ist dafür bezeichnend, jedoch in der Person des Verfassers,
dessen Eigenart auch in diesem Bande wieder deutlich sichtbar
wird. Man wird aus manchem Grunde mit Bewunderung dieses
Werk aus der Hand legen, vor allem aber wegen der Klarheit
der Gedankenführung und Darstellung und der reichen Sachkenntnis
, die sich in vielen Einzelheiten zeigt, unter denen
besonders die umfassenden Literaturangaben hervorstechen.
Ein Aufsatz wie der über die Ezechielforschung der neueren
Zeit (S. 169 ff.) ist ausgesprochen ein Literaturbericht, auch
wenn er die eigene Meinung des Verfassers herausstellt, aber
auch die übrigen sind es fast nicht weniger, und man kann sie
mit Gewinn benutzen, um einen Überblick über die Literatur
der betr. Gebiete zu erhalten, der neben den englischsprachigen
Werken fast ebenso reichlich auch die deutschen und übrigen
ausländischen Publikationen berücksichtigt. Die Absicht der
reichhaltigen Fußnoten, die oft den eigentlichen Text an Umfang
übertreffen, zur eigenen Weiterarbeit des Lesers zu führen,
wird im Klappentext ausdrücklich betont. Ja, gelegentlich
6agt der Verfasser, es sei weniger sein Ziel, eine neue Sicht der
verwirrenden Fülle der bereits veröffentlichten zu einem Problem
hinzuzufügen, als die vorhandenen zu sichten und die wahrscheinlichste
zu begründen (S. 66). Das ist ein vorbildliches
wissenschaftliches Verfahren, zumal wenn man der Meinung
ist, daß es nichts Neues unter der Sonne gibt, und die Belege,

die fast für jede mögliche Deutung eines Sachverhaltes aus der
Literatur gegeben werden, vermögen einen fast davon zu überzeugen
. Es stimmt aber auch zu der konservativen Grundhaltung
des Verfassers, die auch in den Positionen, die er zu den behandelten
Fragen bezieht, immer wieder zum Ausdruck kommt.
So lautet etwa das Ergebnis des Überblicks über die Ezechielforschung
der letzten Jahrzehnte mit ihren teilweise sehr radikalen
Thesen, daß man zum Stand der „kritischen Orthodoxie"
zu Anfang unseres Jahrhunderts zurückkehren müsse: das Buch
Ezechiel ist einheitlicher, als es vermutet worden ist, und auch
die Angaben des Buches über den Wirkungsort (das Exil) und
die Wirkungszeit des Propheten (kurz vor und nach dem Fall
Jerusalems 5 87 v. Chr.) sind vertrauenswürdig. Auch der Aufsatz
über Hiskias Reform und Aufstand bestätigt die Angaben
des 2. Kg-Buches über diese Ereignisse als zuverlässig, auch im
Hinblick auf die Reihenfolge der Geschehnisse, und bringt
eine Deutung der Vorgänge, die das auffällige Nacheinander
zweier gegensätzlicher Verhaltensweisen Hiskias gegenüber
den Assyrern: zuerst Unterwerfung und Tributzahlung, dann
Widerstand und Verteidigung Jerusalems mit Unterstützung
Jesajas, die zum Abzug Sanheribs führt, plausibel macht. Sogar
die mosaische Herkunft des Dekalogs von Ex 20 wird (im
ersten Aufsatz des Bandes) begründet.

Im einzelnen wird man natürlich verschieden zu den Ansichten
des Verfassers über die vielfältigen behandelten
Fragen stehen; er selbst wird es am meisten begrüßen, wenn
man ihren teilweise hypothetischen Charakter beachtet und
sie als einen Diskussionsbeitrag betrachtet, der zu eigenem
Nachdenken Anlaß gibt. Die Argumente für ein hohes Alter
des Dekaloges z. B. sind weithin überzeugend, aber ob er mit
Recht als das Werk des einzelnen Mannes betrachtet wird
(„The change from the primitive Decalogue1 to the Ethical
Decalogue is most naturally to be associated with some
great prophetic personality, and Moses would supply the
Personality", S. 18), ist angesichts der neueren gattungsgeschichtlichen
Erkenntnisse über die Ursprünge des israelitischen
Rechts doch fraglich, genauso wie der Gegensatz zwischen
„ritual" and „ethical" in dieser Form wohl nicht haltbar ist.
Die Theorien über die Einzelereignisse zur Zeit Hiskias sind
geistvoll, doch wird man hier bei dem heutigen Quellenstand
mit einem „vielleicht" vorlieb nehmen müssen. Ob die Identifizierung
des „Feindes aus dem Norden" bei Jeremia mit den
Skythen wirklich zutrifft, scheint mir fraglicher als je; die
Möglichkeit, daß es sich hier um eine ursprünglich mythologische
Größe handelt, wird zu Unrecht übergangen (das
wichtigste Werk in dieser Richtung: A. Lauha, Zaphon, 1943,
wird zwar erwähnt, S. 147, Anm. 4, aber nicht genügend beachtet
). Doch wird bescheiden eingeräumt, daß jede Identifizierung
hypothetisch sei (S. 167). Um 60 beachtlicher ist der
Grundsatz, daß jede These über Leben und Denken Jeremias
auf dem Zeugnis seines Buches gründen muß, welches dafür
unser einziges Zeugnis ist (a. a. O.). So wird auch hier nichts
dekretiert.

Teilweise bedauert man, daß (aus verständlichen Gründen)
die seit dem ursprünglichen Erscheinungsdatum der Aufsätze erschienene
Literatur nur sporadisch erwähnt, im Text aber kaum
berücksichtigt ist. So hätte man in dem ausführlichen Beitrag
über Hos 1—3 gerne eine Stellungnahme zu der sorgfältigen
Gattungsbestimmung für Kap. 1 und 3, die H. W. WolfP vorgenommen
hat, die mit der Deutung der Berichte als Memora-
bile, ihrem Verständnis als zweier unabhängig voneinander zu
betrachtender Zeichenhandlungen und ihrer metaphorisch-rituellen
Deutung für D^iiT rwn manche der komplizierten Erwägungen
früherer Ausleger als überholt erscheinen läßt (S. 89,
Anm. 1, nennt Wolffs Kommentar nur beiläufig).

In der schwierigen Frage der Datierung des Wirkens von

') Der sogenannte „kultische" Dekalog von Ex 34. Schon in
seinem Werk „From Joseph to Joshua", 1950, S. 157 ff., hatte Rowley
die These vorgebracht, der kultische Dekalog sei von Mose durch
israelitische Sippen von den Kenitern übernommenen, der ethische
aber von ihm selbst gegeben worden.

2) Dodekapropheton 1. Hosea. BK XIV. 1. Neukirchen 1961. S. 7 ff.