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Ausgabe:

1965

Spalte:

929-932

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Jaspers, Karl

Titel/Untertitel:

Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung 1965

Rezensent:

Fritzsche, Hans-Georg

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929

Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 12

930

Fastenrath, Elmar: Die liturgische Reform und die allgemeine

katholische Erneuerungsbewegung im 19. und 20. Jahrhundert (MThZ

16, 1965 S. 1—12).
Foerster, Heinrich: Kirche in sich wandelnden Strukturen [USA]

(LM 4, 1965 S. 370—3 80).
Greifenstein, Hermann: Fragen an den Weg der Vereinigten

Lutherischen Kirche (LM 5, 1965 S. 420—425).
Love, Thomas T.: John Courtney Murray S. J. Liberal Roman

Catholic Church-State Theory (The Journal of Religion 45, 1965

S. 211—224).

May, Georg: Mischehe und Abendmahl (ThGl 55, 1965 S. 366—383).
Mühlen, Heribert: Der eine Geist Christi und die vielen Kirchen
nach den Aussagen des Vaticanum II (ThGl 55, 1965 S. 329—366).

Nierman, Pieter: Was kann in einer Diözese für die Wiedervereinigung
der getrennten Christen getan werden? (Concilium 1, 1965
S. 322—324).

Pfeiffer, Johannes: Lutherische Konsolidierung in Lateinamerika
(LM 4, 1965 S. 380—385).

R a h n e r, Karl: Zum heutigen Pluralismus in der geistigen Situation
der Katholiken und der Kirche (StZ 175, 1964/65 S. 191—199).

R i s c h , Friedrich: Der Beamte zwischen den Konfessionen. Göttingen:
Vandenhoeck & Ruprecht [1965]. 25 S. 8° = Bensheimer Hefte, hrsg.
v. Evang. Bund, 24. DM 1.50.

Schaeder, Hildegard: Die Mission der Orthodoxie in Europa (KidZ
20, 1965 S. 254-256).

Schmidt-Clausen, Kurt: Zur Lage des Weltluthertums (LM 4,
1965 S. 154—161).

S e 1 g e, Kurt-Victor: Höhepunkt und Krise des Konzils. Die S.Session
des 2. Vatikanums (DtPfrBl 65, 1965 S. 98—101).

Semmelroth, Otto: Die Lehre von der kollegialen Hirtengewalt
über die Gesamtkirche ,,unter Berücksichtigung der angefügten Erklärungen
" (Schol XL, 1965 S. 161—179).

Spul er, Bertold: Die orthodoxen Kirchen (1KZ 25, 1965 S. 5—33).

S t e b 1 e r, Vinzenz: Monastische Erneuerung aus dem Geist der heiligen
Regel (Erbe und Auftrag 41, 1965 S. 175—179).

Subilia, Vittorio: La ecclesiologia del Concilio Vaticano II (Pro-
testantesimo XX. 1965 S. 65—124).

Tihon, Paul: Quelques ctudes Sur le diaconat (Nouvelle Revue Thco-
logique 97, 1965 S. 602—605).

Vinay, Valdo: La Chiesa romana e la cristianitä non romana nei
documenti del Concilio Vaticano II (Protestantcsimo XX, 1965
S. 129—151).

— Einigungsbestrebungen im italienischen Protestantismus (KidZ 20,
1965 S. 436—438).

— Vor der vierten Session des II. Vatikanischen Konzils (KidZ 20,
338—345).

Vi scher, Lukas: Gemeinschaft der Kirchen. Nach der dritten Session
des II. Vatikanischen Konzils (ZdZ 19, 1965 S. 172—182).

— Nach der dritten Session des zweiten Vatikanischen Konzils (ÖR
14, 1965 S. 97—116).

V r i e s, Wilhelm de: Communicatio in sacris (Gottesdienstliche Gemeinschaft
mit den von Rom getrennten Ostchristen im Licht der
Geschichte) (Concilium 1, 1965 S. 271—281).

V i n k 1 e r, Eberhard: Besinnung, Erneuerung, Dialog. Zur Enzyklika
„Ecclesiam suam" Pauls VI. (ZdZ 19, 1965 S. 183—189).

PHILOSOPHIE UND KEUG10NSPHIWS0PHIE

Jaspers, Karl: Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung
. München: Piper 11962]. 536 S. 8°. Lw. DM 32.—.

Dieses recht umfangreiche und mit der früheren Veröffentlichung
„Der philosophische Glaube" (1948, 19554) kaum mehr
vergleichbare Werk vereint in sich dreierlei sehr verschiedenartige
Dinge. Es ist primär eine Religionsphilosophie der Art, daß
zu den christlichen (oder „biblischen") Dogmen, Vorstellungen
und Motiven eine philosophische Verallgemeinerung gesucht
wird. Das Werk ist dabei zugleich (in der Fundierung seiner
Frontstellung gegen jeden Offenbarungspositivismus und Doktrinarismus
einschließlich des modernen „Wissenschaftsaberglau-
bens") eine Art Wissenschaftslehre, hierbei Philosophie von der
Fachwissenschaft unterscheidend (99 ff.), vor allem aber einen
Abgrund zwischen beider Wahrheitssinn und dogmatisch-theologischem
veritatem habemus markierend. Darüber hinaus kommt
auch in diesem Buch ein Bemühen zum Zuge, welches das Denken

von Jaspers seit dem bekannten Göschen-Bändchen Nr. 1000 von
1931 charakterisiert: Situationsanalyse, Erhellung der geistigen
Situation — wie der Daseinssituation überhaupt — der Zeit
(Forschungsüberblicke wie S. 266 ff. zur modernen Naturwissenschaft
und ihren Grenzen sowie Aufzeigen von Paradoxien,
Widersprüchen und „Abgründen", dabei nicht ohne die Frage
„was nun?", S. 442).

Es ist ein in der Zusammennähme dieser drei Motive mehr
zusammenfassendes und komplettierendes als weiterführendes
Werk, in der Heterogenität der Probleme und Themen sogar
etwas zerstreut wirkend (das Fehlen eines Registers fällt hierbei
ungünstig auf) und in der Freude an großer Überschau manchmal
zu sehr in ,schwebender' Allgemeinheit oder bloßen Andeutungen
redend; doch in jedem Abschnitt Ganzes bietend oder zur Diskussion
stellend, auch wenn vieles vom philosophischen Pathos
dieses Buches zu sehr einen bestimmten Charakter- und Denkertyp
verrät, als daß man ganz davon überzeugt würde, hier das
philosophische Wort zur Sache zu haben.

Der primäre Zweck dieses Buches ist der, eine moderne
Religionsphilosophie zu geben (dieser Begriff freilich nicht bei
Jaspers), und zwar in dem Sinne, daß eine Phänomenologie der
religiösen bzw. theologischen Grundanschauungen, Motive und
Symbole entworfen wird. Jaspers nennt diese „Chiffern" und
versteht darunter: Vorstellungen, Bilder und Gedanken (nicht
nur der Bibel), in denen auf den Grund aller Dinge und das
Wesen des Menschen (seine Existenz) geführt werden soll und
inofern Transzendenz spricht oder angesprochen wird. Diese
Chiffern sind aber — und in ihrer Vielzahl und Mannigfaltigkeit

— nur Wegweiser oder Licht, nie leibhaftige Realität der Transzendenz
:

„Wir dürfen nicht an eine als die absolute verfallen und sie damit
aufhören lassen, Chiffer zu sein. Unsere Situation verlangt: Im alternativen
Denken bringen wir die Chiffern zur Klarheit und zur
Schwebe" (S. 249).

Beispiele für solche Chiffern sind: „der eine Gott — der
persönliche Gott — Gott ist Mensch geworden — die drei Grund-
chiffern der Gottheit" (231), ferner: Christus (im Unterschied zu
Jesus), Kreuz, Trinität, Logos, Pneuma, simul justus et peccator,
darüber hinaus als allgemein menschliche religiöse Motive: das
Böse, Theodizee, Sein und Nichtsein, Nichts, das Eine, auch
Weltall und Geschichte.

Wichtig ist nun dies: Es gibt einen „Kampf im Reich der
Chiffern". „Chiffern sprechen gegen andere Chiffern. Höre ich die
einen, verleugne ich die anderen" (201). In diesem .Polytheismus'
der Chiffern spiegelt sich wider, daß viele Mächte in uns, durch
uns und um uns kämpfen (214). Der philosophisch Wissende wird
sich diesen Mächten nicht ausliefern, er wird sie nicht anbeten,
sondern relativieren und in einer gewissen Komplementarität
nebeneinander gelten lassen, wenngleich es eine „für den
Menschen als endliches, sinnliches Vernunftwesen bleibende
Antinomie ist: er soll sich von Gott kein Bildnis und Gleichnis
machen, und er kann doch nicht umhin, es jeden Augenblick, in
welchem sein Sinn sich zur Transzendenz wendet, zu tun" (486).

Das Verhältnis von Jaspers zum Christentum ist zwiespältig,
so wie er dieses ambivalent sieht. Er kommt von dessen Ideen und
Symbolen (Chiffern) ,nicht los', andererseits erschrickt er vor
dessen Realität in Geschichte und Gegenwart, vor „Christenheit"

— und lehrt Erschrecken.

Es mutet wie der Gegenschlag gegen die Theologie (und gewisse
Existenzphilosophien) der „Entscheidung" an, wenn Jaspers
„Schweben" und „Skepsis" (außer an einem gemeinsamen
„Grundwissen" S. 143 ff.) als Ausweis für wahre Existenz und
Charakter hinstellt. Das bedeutet dann für die Frage des Christseins
: „In der Welt soll als Christ gelten, wer sich dafür hält"
(54).

„Niemand und keine Instanz weiß, wer ein Christ ist . . . Wir
brauchen uns nicht hinauswerfen zu lassen aus dem Hause, das seit
einem Jahrtausend das unserer Väter ist. Es kommt darauf an, wie
einer die Bibel liest und was dadurch aus ihm wird.

Es kann geschehen, daß ein Mann wie Kierkegaard allen Zeitgenossen
bestreitet, Christen zu sein, am meisten den Pfarrern und