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Ausgabe:

1965

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 12

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Theologie zusammen mit dem Personalismus auch die metaphysischen
Ansätze Ebners aufgenommen werden. Zunächst geht der Vf. unter A.
„Das geist-bestimmte Personverständnis bei Th. Steinbüchel und in
der katholischen Theologie" (195—246) auf den Versuch einer Synthese
zwischen scholastisch-substantiellem Personbegriff und dialogischem
Personalismus ein, weist auf die theologische Begründung dieser Synthese
in der Kreatürlichkeit und Gottebenbildlichkeit des Menschen hin
und zeigt ihre Auswirkungen auf verschiedene Bereiche katholischtheologischer
Thematik (Christologie, Sündenlehre, Gnade- und Sakramentslehre
). Dabei werden außer Th. Steinbüchel, K. Rahner, O. Semmelroth
und M. Schmaus herangezogen. Als Grundprinzipien der genannten
Synthese ergeben sich „das Prinzip der inneren Emöglichung des
Dialogs" und „das Prinzip des .Sakramentalen' oder der worthaften
Verleiblichung des Dialogs" (244 f.), wobei nach Meinung des Vfs. das
evangelische Anliegen voll aufgenommen ist (246). Unter B. „Das
relations-bestimmte Personverständnis bei R. Guardini" (247—264)
wird schließlich auf katholische Versuche (Guardini, A. Brunner, H. U.
v. Balthasar u. a.) hingewiesen, die substantielle Ontologie der Scholastik
durch eine dialogische Ontologie zu überwinden. Diese dialogische
Ontologie mündet in den „Aufweis einer peronalen nicht-dialogischen
Relation", nämlich das „In-Sein Gottes oder das Umfangen
Gottes im Geiste", das „sozusagen den transzentendalen, über-katego-
rialen Horizont der dialogischen Ontologie und Theologie" bildet (263).

Der evangelische Leser wird in jedem Falle dankbar anerkennen
, daß der Vf. sich mit großer Sachlichkeit in die nicht immer einfachen
Gedankengänge der evangelischen Theologie eingearbeitet
hat und in der eigenen katholischen Theologie die Offenheit der
Probleme aufzeigt. Es wird deutlich, daß die Aporien des perso-
nalistischen Denkens beide Konfessionen vor gemeinsame Aufgaben
stellen. Wegen der noch im Gang befindlichen Entwicklung
hält der Verf. eine eigene umfassende Stellungnahme für verfrüht
, wenn auch nach seiner Meinung der „bisherige Verlauf
der Entwicklung eine immanente Kritik" enthält (11). Daß somit
in der katholischen Theologie die vorerst umsichtigeren und umfassenderen
Lösungsversuche gesehen werden, darf man ihm nicht
verübeln, und es tut der guten ökumenischen Atmosphäre, die
das Buch kennzeichnet, keinen Abbruch. Die Darstellung zeugt
von systematischer Kraft, gibt dem Leser sofort die entscheidenden
Gesichtspunkte an die Hand und erleichtert die Lektüre
durch mannigfache Vor- und Rückblicke und thesenartige Zusammenfassungen
.

Dennoch sei es erlaubt, wenigstens drei Fragen kurz zur
Sprache zu bringen. Die erste Frage betrifft die Darstellung der
beiden evangelischen Theologen. Sind hier nicht zugunsten
des vom Vf. konstatierten personalen Aktualismus', der zweifellos
ein großes Gewicht hat, ergänzende und anderslautende Aussagen
über Gebühr in den Hintergrund gedrängt worden? Man
denke bei E. Brunner nur an die Hervorhebung ontologischer
Kategorien in der Christologie (vgl. sein Buch „Der Mittler").
Und in der Anthropologie wäre der von Brunner sogenannten
„formalen Gottebenbildlichkeit", gegen die Karl Barth mehrfach
polemisiert hat (zuletzt Kirchl. Dogmatik III, 2, 153 ff.) und um
die auch der Vf. weiß (116), doch wohl grundsätzlicheres Gewicht
beizulegen. Ob man angesichts dieser Komponente so ganz ein-
linig von „dialogischem Aktualismus" wird sprechen können? —
Bei Gogarten unterläuft dem Verf. offenbar ein Mißverständnis
im Hinblick auf dessen Welt- und Natursicht. Mit dem Satz
„Sünder ist der Mensch, weil er verleiblichte, sachgebundene Person
ist" (181) ist Gogarten keinesfalls getroffen. Hier ist der
Begriff „Welt" entgegen der Intention Gogartens im Sinne von
„Naturhaftigkeit, Leibhaftigkeit" interpretiert worden und
außerdem die bei Gogarten vorliegende Ambivalenz des „Welt"-
Begriffes, die in dem Begriffspaar „Säkularisierung — Säkularismus"
besonders deutlich wird, nicht beachtet. Nur durch das Sünder-
Sein der Person wird nach Gogarten die Welt und das Handeln
in ihr negativ qualifiziert. Daß bei ihm dennoch eine Unterbewertung
des Naturhaften in seiner Bedeutung für das Heil vorliegt
, steht auf einem anderen Blatt.

Als zweites muß gefragt werden, ob eine Darstellung
E. Brunners und F. Gogartens bereits ein zutreffendes typisches
Bild des Personalismus „in der evangelischen Theologie"
gewährleistet. Der Vf. stellt diesen beiden extrem-personalisti-
schen evangelischen Theologen eine viel größere Breite der katholischen
Theologie gegenüber und läßt nicht erkennen, daß hinter
den beiden angeführten evangelischen Kritikern Gogartens eine

breite Front besonders lutherischer Theologen steht, die sich
noch wesentlich stärker als E. Brunner um das Beieinander von
ontologischen und personalistischen Kategorien in der Theologie
bemüht und von daher auch zu einer sehr positiven Stellung zu
Kirche und Sakramenten kommt. Zu nennen wären u. a. P. Brunner
, W. Eiert, A. Köberle, E. Sommerlath, E. Schlink, E. Kinder,
O. A. Dilschneider, aber doch auch wohl P. Althaus und W. Pannenberg
. Gibt es nicht schon zu denken, daß die Mahnung des Vfs.
an die evangelische Theologie, keiner Unterbewertung des Leibhaften
zu verfallen, weithin bisher umgekehrt vonseiten der
evangelischen Theologie an die katholische gerichtet wurde? —
Und was den katholischen Versuch einer dialogischen Ontologie
betrifft, so wäre als evangelisches Gegenstück zumindest K. Barth
zu nennen, der in seiner Trinitätslehre (KD 1,1) das Sein Gottes,
in seinerAnthropologie (KD III, 2) das Sein des Menschen als
dialogisches Geschehen interpretiert und im übrigen betont die
Urbildhaftigkeit der trinitarischen Bezüge für innerweltlich-abbildhaftes
Sein und Verhalten herausgestellt hat (KD III, 2, 260 ff.,
390 f.), die der Vf. bei der evangelischen Theologie vermißt.

Als drittes noch eine Anmerkung zur systematischen Position
des Vfs., soweit sie aus seiner Darstellung hervortritt. Wir
stimmen ihm grundsätzlich in der Forderung einer Synthese zwischen
ontologischen und personalistischen Kategorien zu, wobei
es noch offenbleiben muß, ob die echte scholastische Ontologie in
sich eine Dynamik birgt, die eine Verbindung mit personalistischen
Kategorien ohne Bruch möglich macht (wie es die neuen
Thomasinterpretationen durch Rahner, Metz, Seckler u. a. vermuten
lassen) oder ob eine von Grund auf neue Ontologie zu
schaffen ist. Jedoch bleibt als Frage das Verhältnis von Natur
und Gnade übrig, das auch nach dem Verf. in zwei ontologischen
Ebenen gedacht wird (vgl. 235) und zu einem doppelten Gottesbegriff
führt (237). Natürlich ist die Gnade nicht nur Akt, sondern
auch Sein; aber sie ist ein von Gott aus bewegendes Sein,
das die Natur des Menschen „richtig" macht, das die „Freiheit
der Freiheit" (Rahner) im Sinne eines gottzugewandten Totalaktes
schafft und den Menschen zu seiner Schöpfungsurspriinglich-
keit zurückführt. Warum muß hier mit zwei ontologischen
Ebenen gearbeitet werden?

Unsere Anmerkungen sollten den Dank unterstreichen für
das Buch, mit dem uns der Vf. hineinnimmt in ein Gespräch, das
katholische und evangelische Theologen in ökumenischer Aufgeschlossenheit
gemeinsam zu führen haben, zur Bewältigung der
vom Evangelium und von dem diesem ausgesetzten Menschen
auf uns zukommenden Fragen.

Leipzig Ulrich K U Ii n

Aitzetmüllcr, Rudolf: Das Hcxaemeron des Exarchen Johannes.

Bd. II. VII, 388 S.i Bd. III. VII, 414 S. Graz: Akademische Druck-
und Verlagsanstalt 1960/61.

In Nr. 5 des Jahrganges 1960 der Theologischen Literaturzeitung
habe ich den ersten Band dieser großen, auf sieben Bände
geplanten Edition eines der Hauptwerke der altbulgarischen Literatur
angezeigt. Inzwischen sind zwei weitere Bände erschienen,
die den zweiten und dritten Schöpfungstag behandeln. Sie sind
ebenso angelegt wie der erste: nebeneinander stehen die editio
prineeps, der Versuch einer Rekonstruktion des ursprünglichen
Textes, die deutsche Übersetzung und endlich, soweit vorhanden,
die griechische Vorlage. Hinzu kommt ein textkritischer Apparat,
der im ganzen sechs Handschriften verwertet. Über die bloße Angabe
der Varianten hinaus stellt der Verfasser hier gelegentlich
Erwägungen über die ursprüngliche Textgestalt an und gibt einige
(wenige) sachliche Erläuterungen. Die theologischen und literarischen
Probleme des Werkes werden nur am Rande berührt. Darum
begnüge ich mich hier mit dieser kurzen Anzeige. Ausführlicher
werde ich demnächst in der Zeitschrift fürslavische
Philologie über die Prinzipien der Gestaltung, Darbietung
und Kommentierung des altslavischen Textes berichten.

Tübingen Ludolf Müller

Abbink, G. A. M.: De priester binnen de eigen evolutie van de
Kerk in Nederland (Tijdschrift voor theologie 5, 1965 S. 237—258).