Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1965

Spalte:

919-920

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Jahr, Hannelore

Titel/Untertitel:

Studien zur Ueberlieferungsgeschichte der Confession de foi von 1559 1965

Rezensent:

Koch, Ernst

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

919

Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 12

920

Aspects of Religious Experience from Marcus Aurelius to Constantine.
London: Cambridge University Press 1965. XIII, 144 S. 8° = The
Wiles Lectures, given at the Queen's University Belfast, 1963. Lw.
27 s. 6 d.

V r y o n i s , Sp.: Byzantine circus factions and Islamic futuwwa Organization
(Neaniai, Fityän, Ahdäth) (Byzantinische Zeitschrift 58, 1965
S. 46-59).

KIRCHEN GESCHICHTE : BEFORM A TIONSZEIT

Jahr, Hannelore: Studien zur Überlieferungsgeschichte der Confcssion
de foi von 1559. Neukirchen: Neukirchner Verlag des Erziehungsvereins
1964. 162 S. 8° = Beiträge z. Geschichte u. Lehre d. Reformierten
Kirche, hrsg. v. P. Jacobs, W. Kreck, G. W. Locher u. O-
Weber, 16. Bd. Kart. DM 24.80; Lw. DM 26.80.

Diese Göttinger Habilitationsschrift enthält mehr, als ihr
Titel vermuten läßt. Ihr zweiter, bibliographischer Teil, der etwa
die Hälfte ihres Ilmfangs einnimmt und unter 219 Nummern
Einzeldrucke des Genfer Katechimus sowie der Confession de foi,
ferner Drucke des Hugenottenpsalters, der französischen Bibel,
des Neuen Testaments, der Forme des prieres und des Calendrier
— sämtlich mit Anhängen — verzeichnet, will, wie Verf. sich bescheiden
ausdrückt, „lediglich das Material für den darstellenden
Teil der Arbeit bereitstellen", dürfte aber wie das ganze Buch
für die weitere Arbeit an der Geschichte des Hugenottenbekenntnisses
von grundlegender Wichtigkeit sein. Für diesen Teil
wurde Material aus 62 europäischen Bibliotheken benutzt und
mit großer Akribie registriert. Auch eine große Zahl von Übersetzungen
des Genfer Katechismus, des Hugenottenbekenntnisses,
des Psalters, der Forme des prieres und des Calendrier sind hier
mit aufgenommen. Welches Maß an vergleichender Arbeit an den
Drucken geleistet worden ist, zeigt die Tatsache, daß zu einem
einzigen Druck 9, 10, ja 11 verschiedene Fundorte nachgewiesen
werden.

Der erste, darstellende Teil beschränkt sich nicht etwa auf
eine formale literarhistorische Darstellung der Entstehungs- und
Überlieferungsgeschichte der Confession. Zwar werden die Vorgeschichte
und die eigentliche Entstehungsgeschichte des Bekenntnisses
in Auseinandersetzung mit der bisherigen Forschung kritisch
erörtert mit dem Ergebnis, daß für die Confession de foi
von 1 5 59 lediglich das Genfer Projekt mit seinen 3 5 Artikeln
aus dem gleichen Jahre als Vorlage gedient hat, während die
Abhängigkeit von dem Pariser Entwurf von 1557 mit seinen 18
Artikeln nur durch Vermittlung des Genfer Projekts zustande
gekommen ist. Gewichtiger als die Änderungen am Genfer Projekt
6ind die Zusätze gewesen, die von Verf. auch charakterisiert
werden. Interessant ist, daß bis zur Synode von La Rochelle
1571 sowohl das Genfer Projekt als auch die von 1571 an zur
Alleingeltung gekommene Pariser Fassung der Confession von
1559 unabhängig voneinander nachgedruckt worden sind, und
zwar das Genfer Projekt ausschließlich in Genf oder von Genfer
Druckern.

Die Hauptbedeutung der vorliegenden Arbeit liegt in dem
Versuch, „die auf dem Gebiet der Altphilologie und der biblischen
Wissenschaften entwickelte formgeschichtliche Methode in
entsprechender Weise auch auf diesen Teil der kirchengeschichtlichen
Forschung anzuwenden". Dies geschieht so, daß anhand
der Druckgeschichte der Confession ihr Sitz im Leben ermittelt
wird. Das Ergebnis ist, daß das Hugenottenbekenntnis ähnlich
wie Calvins Genfer Katechismus von 1542 (1545) seine große
Bedeutung für das Leben der französischen reformierten Kirche
dadurch bekommen hat, daß es außer in Einzeldrucken auch als
Anhang zu anderen kirchlichen Büchern — speziell zum Hugenottenpsalter
, zur Forme des prieres, zur Bibel und zum Calendrier
bzw. zu allen genannten Büchern in einem Bande — verbreitet
worden ist. Integrierender Faktor ist dabei der Hugenottenpsalter
gewesen. Sein Gebrauch hat also die Confession zum
Bestandteil eines Kirchenbuches für die Hand der Gemeinde gemacht
. Dieser Zusammenhang weist form- und traditionsgeschichtlich
auf das mittelalterliche Psalterium zurück, das sich als Gattung
aus dem Brevier gelöst hatte und entweder selbständig (als
bereimter Psalter) oder als Anhang zur Historienbibel (in Form

des liturgischen Psalters) weiter tradiert wurde. Bis in Einzelheiten
hinein ist dieser Zusammenhang nachweisbar: den hugenottischen
Psaumes de David wird meist ein Calendrier beigebunden
. Paris erweitert ab 1562 diese aus dem Mittelalter überlieferte
Gattung und zerbricht sie gleichzeitig, indem in das
„Kirchenbuch" mit Hugenottenpsalter, Forme des prieres, Katechismus
und Calendrier die Confession de foi aufgenommen
wird. Die Confession mit ihren 40 Artikeln erfüllte keine
gottesdienstliche Funktion und machte somit das bisherige Gottesdienstbuch
zu einem Buch für die Hand der Gemeinde. Damit
aber fand das Bekenntnis seinen Weg in das reformierte Haus.
Hier ist ein Unterschied zu der Entwicklung auf lutherischem
Boden zu beobachten, wo etwa ein Bekenntnis wie die Confes-
sio Augustana nicht in demselben Maße in die Hand der Gemeinde
gelegt wurde wie auf reformierter Seite die Confession
de foi.

Abgesehen von der Tatsache, daß sich hierin möglicherweise ein beiderseits
verschiedenes Verständnis des Bekenntnisses ausspricht, wäre
an dieser Stelle zur Vermeidung von Mißverständnissen vielleicht der
Hinweis nützlich gewesen, daß es auch auf lutherischer Seite den Tatbestand
der Inkorporation der Confessio Augustana in ein gottesdienstliches
Buch gegeben hat. In einer großen Zahl von Drucken vom 16.
Jahrhundert an bis ins 18. Jahrhundert hinein sind Kirchenordnung, Katechismus
- Agende und Confessio Augustana vereinigt — freilich nur für
die Hand des Pfarrers gedacht und auf dem Altar als Agende benutzt.

An einer Stelle der Arbeit hat der so fruchtbare methodische
Ansatz zu einem Fehlurteil geführt. Die an und für sich richtige
Beobachtung, daß die lutherischen Folio - Bibeldrucke für einen
Kreis von Hörern, weniger von Lesern gedacht gewesen seien,
darf nicht zu dem Schluß verleiten, daß ihr Format vom Format
des mittelalterlichen Missale herzuleiten sei (S. 35), da sie als
Altarbibeln benutzt worden seien (S. 35, 37). Altarbibeln kannte
der lutherische Gottesdienst des 16. Jahrhunderts nicht. Die beiden
feststehenden gottesdienstlichen Schriftlesungen, zu denen
allein sie gebraucht worden wären, dürften meist aus Agenden
oder Lektionaren gelesen worden sein1.

Der Text der Arbeit enthält bemerkenswert wenig Druckfehler. Bis
auf je einen kleinen Fehler S. 77 Z. 4 (officium muß heißen: officii)
und S. 70 Z. 7 v.u. (der muß heißen: den) und ein Zitat, das unnötigerweise
zweimal (S. 64 Anm. 31 und S. 48 Anm.125 — ungenau?)
ausgedruckt ist, sind dem Rez. keine Versehen aufgefallen. — Solitc
das Te Deum wirklich im allgemeinen seine Verwendung in der Prim gefunden
haben (S. 62) oder liegt hier eine Verwechslung mit der Matutin
vor? — Zu der weiterhin ungeklärten Frage nach der musikalischen Gestalt
der mittelalterlichen Reimpsalmodie (S. 70) wäre vielleicht noch ein Hin"
weis auf Peter Wagner, Einführung in die gregorianischen Melodien
I, 31910, S. 300 ff. und S. Corbin in MGG IV (1955) Sp. 739—740 von
Nutzen gewesen.

Die Arbeit von H. Jahr wird nicht nur dem Kirchen- und
Dogmenhistoriker, sondern auch dem Liturgiker, dem Hymnolo-
gen und dem Bibliographen wertvolle Anregungen und Hinweise
vermitteln.

*) Diese Erkenntnis verdanke ich Hinweisen von Pfr. Reinhold
Krause, Auma, Thür., und Pfr. Jürgen Diestelmann, Salzgitter-Gebhardshagen
.

Körner/ThUr. Ernst Kork

M a ß n e r, Joachim: Kirchliche Überlieferung und Autorität im
Fiaciuskreis. Studien zu den Magdeburger Zenturien. Berlin-Hamburg
: Luth. Verlagshaus 1964. 110 S. gr. 8° = Arbeiten z. Geschichte
u. Theologie d. Luthertums, hrsg. v. W. Maurer, K. H. Rengstorf,
E. Sommerlath, E. Wilkens u. W. Zimmermann, Bd. XIV. Kart.
DM 22.50.

Joachim Maßner hat sich in seiner Dissertation, die noch auf
eine Anregung von W. Eiert zurückgeht und deren Betreuung
dann W. Trillhaas übernommen hat, das Ziel gesetzt, das Problem
der kirchlichen Tradition und ihrer Autorität im Kreis um Flacius,
vornehmlich jedoch bei diesem selbst, zu untersuchen. An der
bisherigen Forschung kritisiert er, daß sie Flacius vereinfacht als
Biblizisten und Antitraditionalisten charakterisiert habe. Ferner
habe sie vor allem für Flacius selbt auf eine Erörterung der Zenturien
verzichtet, da hier nicht sicher festzustellen sei, in welchem
Umfang die wichtigen Vorreden der Zenturien auf Flacius selbst
oder auf seinen Mitarbeiterkreis zurückgehen. Maßner bezieht