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Ausgabe:

1965

Spalte:

911-913

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Synopsis quattuor evangeliorum 1965

Rezensent:

Haufe, Günter

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 12

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nesevangelium („Ainon nahe Salim", Joh. 3,23, wird von S. in Sa-
marien lokalisiert) redinet, vorbereiteten Boden für seine täufe-
risch-sektenhafte Botschaft. Besonders an dem letztgenannten
Punkt scheint den Verf. seine sonst geübte Zurückhaltung gegenüber
unbeweisbaren Konstruktionen verlassen zu haben. Aber
auch einer zu engen Bindung des Täufers an das jüdische Sektenwesen
gegenüber wird man zurückhaltend sein müssen. S. selbst
weist nach, daß Johannes aufs stärkste prophetischen Traditionen
verhaftet ist. Auch die Taufe ist, folgt man ihrer Interpretation
bei S., eher von prophetischen, als von sektiererisch täuferischen
Voraussetzungen her zu begreifen. Denn die von S. behauptete
„Qumran baptism of initiation" (vgl. S. 104—110) könnte — selbst
wenn es sie wirklich gegeben haben sollte, was jedoch sehr zweifelhaft
ist — doch nur verstanden sein als Siegel der Zugehörigkeit
zu einer geschlossenen religiösen Gemeinschaft. Der Täufer
aber wollte gerade keine eigene Sekte gründen. Zudem werden die
Waschungen und Bäder in den täuferischen Kreisen ständig wiederholt
. In Wahrheit stehen dieser Ableitung die gleichen Bedenken
entgegen, die S. überzeugend gegen die von der jüdischen Prosely-
tentaufe her geltend macht (S. 95—102). So ist die in der Zusammenfassung
(S. 209) gegebene Interpretation der Taufe, „it was
essentially a piece of prophetic symbolism, an acting out of his
demand for repentance in face of the Coming judgement", weit
überzeugender und in der Tat aller Erwägung wert. Offenbar verkennt
der Verf. in Nachfolge älterer Arbeiten die Verbreitung
und Lebendigkeit messianisch-prophetischer Bewegungen im vor-
rabbinischen Judentum, in die der Täufer eher als in die sektiererisch
-täuferische Bewegung hineinzugehören scheint. Bei dem in
und um Qumran gefundenen Schrifttum gilt es, stärker zwischen
den zur Zeit ihrer Entstehung gemeinjüdischen oder weiter verbreiteten
Gedanken und den der Sekte wirklich eigentümlichen zu
scheiden.

Trotz solcher kritischen Anfragen an den Verf., die sich zumal
zu Einzelheiten seiner Interpretationen natürlich vermehren
ließen, darf im Ganzen gesagt werden, daß es dem Verf. gelungen
ist, ein geschlossenes und wissenschaftlich zu verantwortendes
Bild von dem Täufer und seinen Jüngern darzubieten, das sich
weithin auszeichnet durch methodische Strenge und Sauberkeit
den zur Verfügung stehenden Quellen gegenüber. Hervorzuheben
ist überdies die erfreuliche Art der Darstellung, die entsprechend
der Absicht des Buches von gut lesbarer Gradlinigkeit ist, ohne jedoch
die Dinge dadurch unsachgemäß zu vereinfachen.

Crcifswald Traugott H ol l z

Aland, Kurt: Synopsis Quattuor Evangeliorum. Locis parallelis
evangeliorum apocryphorum et patrum adhibitis edidit. Stuttgart:
Württembergische Bibelanstalt [1964]. XXXI, 590 S. 4°. Lw. DM25.—.
Mit dem Erscheinen dieser Vier-Evangelien-Synopse gelangt
ein Unternehmen zum Abschluß, das die Württembergische Bibelanstalt
seit dem Jahre 1929 plant. Das zunächst von Prof. D.
Schmiedel/Zürich teilweise, 1945 von D. Dr. H. Meitzer völlig abgeschlossene
Manuskript erwies sich freilich infolge seines Riesen-
umfanges als undruckbar, so daß der Verlag 1952 Kurt Aland mit
einer neuen Erarbeitung der geplanten Synopse beauftragte. Das
Ergebnis der zwölfjährigen Mühewaltung ist in jeder Hinsicht respektabel
und stellt für die Technik der Evangelienforschung einen
gewaltigen Fortschritt dar. Das wird jedem Benutzer sofort deutlich
, wenn er etwa die Synopse der drei ersten Evangelien von
Huck-Lietzmann (10. Aufl. 1950) danebenhält. Die schwierige
Aufgabe, das wesentlich erweiterte Material dennoch übersichtlich
und instruktiv darzubieten, ist sachlich und drucktechnisch
meisterhaft gelöst worden. Herausgeber und Verlag dürfen des
warmherzigen Dankes der gesamten Fachwelt gewiß sein.

K. Aland ist bemüht, allenthalben Neues bzw. Besseres an die
Stelle des Bisherigen zu setzen. Um gleichsam an der Peripherie
zu beginnen: sämtliche Textüberschriften wie auch das Vorwort
werden dreisprachig geboten, deutsch, englisch und lateinisch. Die
auf das Vorwort folgende Liste der benutzten Codices weist eine
bisher ungekannte Vollständigkeit auf, wobei es besonders dankenswert
ist, daß einerseits die neuen Bodmer-Papyri restlos in
den textkritischen Apparat eingearbeitet sind und andererseits der
gesamte Text des koptisch-gnostischen Thomas-Evangeliums in

ebenfalls dreifacher Übersetzung (deutsch von E. Haenchen) in
einem ersten Anhang wiedergegeben wird. Die in einem zweiten
Anhang aufgenommenen Väter-Zeugnisse zu den einzelnen Evangelien
bzw. Evangelisten gehen gleichfalls weit über den hier sonst
üblichen Umfang hinaus. Der Index der Paralleltexte zeigt — wieder
im Vergleich mit Huck-Lietzmann — eine noch differenziertere
thematische Durchgliederung des ganzen Textmaterials, die ihrerseits
eine noch präzisere Paralellisierung ermöglicht. Einem eminent
praktischen Bedürfnis trägt der Herausgeber Rechnung, wenn
er konsequent den Nestle-Text übernimmt, auch dessen textkritische
Zeichen, so daß der Benutzer bereits bei der Lektüre des Textes
erkennt, ob er im Apparat Varianten zu erwarten hat und welchen
Charakter diese haben.

Innerhalb der eigentlichen synoptischen Darstellung besteht
der bedeutsamste Fortschritt gegenüber älteren Synopsen in der
vollständigen Einbeziehung des Johannes-Evangeliums.
Nicht nur erhalten die Texte der drei ersten Evangelien ihre jo-
hanneischen Parallelen an die Seite gestellt, vielmehr wird auch
das „johanneische Sondergut" in geschlossenen Zusammenhängen
vorgeführt. Lehrreich ist natürlich, an welchen Stellen innerhalb
des Gesamtaufrisses der Synopse Letzteres geschieht.

Die „erste Wirksamkeit Jesu" nach Joh. 1,35—3,36 steht zwischen
der synoptischen Versudiungsgeschichte (Mk. 1, 12 f. parr.) und
der synoptischen Notiz von der Reise Jesu nach Galiläa (Mk. 1, 14a
parr.). Dementsprechend wird dann Jesu Auftreten in Samarien (Joh.
4,4—42) noch vor der Wirksamkeit in Galiläa (Mk. 1, 14 ff.) eingeflochten
. Das zweite Auftreten in Jerusalem nach Joh. 5, 1—47 folgt
auf die Predigt in Nazareth (Mk. 6, 1—6 parr.) und geht der Jüngeraussendung
(Mk. 6, 6b—13 parr.) voraus. Die Rede vom Lebensbrot
(Joh. 6,26—59) schließt sich naturgemäß an Mk. 6, 53—56 = Joh.
6, 22—25 an. Der Bericht von Jesu Besuch des Laubhüttenfestes und
der damit zusammenhängenden Ereignisse (Joh. 7, 1—10, 21) steht
hinter dem lukanischen Reisebericht (Lk. 9,51—18,14) und vor der
synoptischen Wirksamkeit Jesu in Judäa (Mk. 10, 1—31 parr.). Auf
letztere folgen der Besuch des Tempelweihfestes (Joh. 10, 22—39), der
nochmalige Jordan-Aufenthalt (Joh. 10,40—42) sowie die Auf-
erweckung des lazarus (Joh. 11,1—44) samt deren Folgen (Joh.
11, 45—57). Der Besuch der Griechen bei Jesus und die sich anschließende
Rede Jesu (Joh. 12,20—50) werden an die Wiederkunftsgleichnisse
nach Matthäus und die summarische Bemerkung Lk. 21, 37 f.
angeschlossen. Die Belehrung über das Liebesgebot (Joh. 13, 31—35)
steht sachgemäß hinter der lukanischen Abendmahlsdidache (Lk. 22, 24
—30), während die johanneischen Abschiedsreden (Joh. 14, 1—17, 26)
auf die lukanische Perikope von den beiden Schwertern (Lk. 22, 35—3 8)
folgen. Die beiden Johannesbeschlüsse (20, 30 f. und 21, 1—25) endlich
haben erwartungsgemäß ihren Platz hinter den vorausgegangenen
Evangelienbeschlüssen des Mk. (16,9—20), des Mt. (28,16—20) und
des Lk. (24, 44—53).

Der Überblick lehrt, daß der gegenüber den sog. Synoptikern
weiter gefaßte chronologische und geographische Rahmen des Johannes
-Evangeliums maßgeblich den Aufriß dieser Vier-Evangelien-
Synopse bestimmt. Das liegt in der Natur der Sache und ist unvermeidlich
. Allerdings darf das so entstandene imponierende Gesamtbild
nicht unkritisch im Sinne eines idealen Lebens Jesu mißverstanden
werden, in dem die ganze synoptische und johanneische
Tradition spannungslos Platz findet. Die neue Synopse ist vielmehr
dann richtig verstanden, wenn sie der ohnehin wieder in Gang gekommenen
Erforschung des wechselseitigen Verhältnisses von synr
optischer und johanneischer Tradition neue Impulse verleiht und
darüber hinaus die form-, traditions- und redaktionsgeschichtliche
Arbeit an den einzelnen Evangelien durch neue Einsichten fördert.

Ein weiterer Vorzug der neuen Synopse besteht darin, daß
jedes Evangelium in seinem Zusammenhang abgedruckt wird. Wo
dieser Zusammenhang nicht sofort erkennbar ist, machen ihn
entsprechende Verweise vor bzw. nach dem betr. Text sichtbar.
Zugleich wird dadurch erreicht, daß die Synopse unabhängig von
jeder Quellentheorie benutzt werden kann. Da ferner jeder Text
so oft erscheint, wie es andere Texte verlangen, fällt das lästige
Umblättern und Nachschlagen an anderen Stellen der Synopse weg,
ebenso die Notwendigkeit der gleichzeitigen Benutzung eines
Neuen Testaments. Der wünschenswerten Differenzierung im synoptischen
Vergleich dient endlich die sehr nützliche, drucktechnisch
leicht erkennbar gemachte Unterscheidung von Haupttext sowie
Haupt- und Nebenparallelen. Wieder geben entsprechende
Verweise an, wo ein Paralleltext als Haupttext (nämlich im Zu-