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Ausgabe:

1965

Spalte:

902-903

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Die Heilige Schrift des Alten Bundes 1965

Rezensent:

Jepsen, Alfred

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901

Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 12

902

ALTES TESTAMENT

Hempel, Johannes t: Das Ethos des Alten Testaments. 2., ergänzte
Aufl. Berlin: Töpelmann 1964. XII, 343 S. gr. 8° = Beihefte z. Zeitschrift
f. d. alttestamentl. Wissenschaft, hrsg. v. G. Fohrer, 67. Lw.

DM 5 8.—.

Es handelt sich in der Tat um eine „ergänzte" Auflage des
193 8 erschienenen Buches, das (durch den unterzeichneten Rezensenten
) in ThLZ 1939, Sp. 203—205, besprochen worden ist; auf
diese Besprechung kann hier zurückverwiesen werden. Das Buch
war so angelegt, daß die Anmerkungen einen besonderen Teil bildeten
, der dem eigentlichen Text folgte. Wie es im jetzigen Vorwort
gesagt wird, hat der Verf. auf Wunsch des Verlegers in der
neuen Auflage den Text des Buches unverändert gelassen. Gelegentlich
ist die Überschrift eines Absatzes anders gefaßt (S. 32)
oder ein Wort wie „Damaskusschrift" durch „Qumran-Schriften"
ausgewechselt worden (. 3 3), und etwa 20mal sind Zahlen, die
auf neue Anmerkungen verweisen, hinzugekommen. Sonst aber
entsprechen Schriftbild und Seitenzahl genau der Erstauflage; wie
genau, sieht man daran, daß sogar ein Druckfehler (S. 127, Z. 10
v. u.) oder eine Auslassung (die Anmerkungsziffer 110a auf S. 18)
in die Neuauflage mit hinübergewandert sind. Die Anmerkungen
umfaßten damals, einschließlich der „Nachträge", 72 Seiten; sie
sind jetzt auf 127 Seiten angestiegen. Eine Verkürzung des Inhalts
der Anmerkungen, infolge der Streichung von älteren und überholten
Literaturangaben oder von damals aktuellen Auseinandersetzungen
, ist in kleinem Umfang vorgenommen worden (z. B. S. 3-
Anm. 17; S. 18, Anm. 110a; S. 165, Anm. 74). Aber sehr viel umfangreicher
ist das, was an Ergänzungen und Neuausführungen hinzugekommen
ist. Diese Zutaten sind gewöhnlich in eine vorhandene
Anmerkung hineingearbeitet worden; verhältnismäßig wenige
(s. o.) Anmerkungen sind ganz neu hinzugetreten. Was den
Inhalt anbelangt, so überwiegen durchaus die Ergänzungen auf re-
ligionsgcschichtlichem Gebiet. Hier ist, wieder wie bei der ersten
Auflage, erstaunlich, wie viel auch entlegenes Material der Verf.
heranzuholen und seinem Zweck nutzbar zu machen weiß. Doch
auch zur Exegese finden sich viele weiterführende Angaben, darunter
solche, in deinen der Verf. seine (damals eingenommene)
Position verteidigt, aber auch auf Grund neuerer Erkenntnisse abwandelt
(z. B. S. 118, Anm. 14 3). Die exegetische Literatur ist dabei
etwas willkürlich zu Rate gezogen, wie man überhaupt nicht
selten den Eindruck hat, daß die Ergänzungen einen mehr zufälligen
Ursprung haben und im Sinne des Anliegens des Buches nicht
von gleicher Relevanz sind. Der Charakter des Gesamtwerkes ist
mir damals einheitlicher erschienen als heute. Unter den weiterführenden
Darlegungen sei hier besonders erwähnt, was der Verf.
über die Levitenfrage schreibt (S. 27, Anm. 164. 168; S. 76,
Anm. 68. 69; S. 136, Anm. 255). Bedeutsam ist auch, gegenüber
der ersten Auflage, die Fortsetzung der Diskussion über den Dekalog
(S. 115, Anm. 116; S. 117, Anm. 137), über die Talion (S. 196,
Anm. 206) oder auch über das Bilderproblem (. 196, Anm. 13). Es
wird ständig deutlich, wie stark der Verf. im Gespräch geblieben
ist und zu dessen Bereicherung in den 25 Jahren seit Erscheinen
der ersten Auflage durch eigene Arbeiten beigetragen hat, auf die
immer wieder hingewiesen wird.

Aber nicht nur um dieser Weiterführungen und Ergänzungen
willen ist es gut, daß die Neuauflage zustandegekommen ist. H.s
Arbeit wollte, so habe ich damals in der Besprechung gesagt, „die
Wurzeln aufweisen, aus denen das sittliche Handeln innerhalb des
AT erwächst". Der Verf. will also „den Weg der .Strukturanalyse'
in dem Sinne gehen, daß er mehr die formalen Gesetze aufweist,
die Kategorien, in denen das Ethos verläuft". Es ist damals darauf
hingewiesen worden, daß „mit dem Versuch solcher strukturanalytischen
Darstellung" nicht nur „eine der schwierigsten Aufgaben
angegriffen worden ist, die die Wissenschaft sich setzen
kann", sondern, daß damit etwas Neues, bisher in der alttesta-
mentlichen Wissenschaft noch nicht Vorhandenes vorgelegt werde.
Man muß sagen, daß dies heute noch genau so gilt. Darum ist
es gut, daß das geistvolle und überaus kundige Buch wieder neu
erschienen ist. Man wird sich in ihm über viele Einzelheiten Aufschluß
holen können; das Register, dessen Grundlage noch der
verstorbenen Gattin des Verfs. verdankt wird, erleichtert eine

diesbezügliche Benutzung. Aber wichtiger ist das andere: daß
hier den Grundlinien nachgegangen wird, in denen das Ethos
des AT dahergeht und aus denen es erwächst. Darin liegt das
bleibende Verdienst dieses Buches.

Hans Wilhelm Hertzberg t

Ri essler, Paul: Die Heilige Schrift des Alten Bundes übers. 5. Aufl.
der einbändigen Ausgabe des Alten Testamentes. Mainz: Matthias-
Grünewald-Verlag [1958]. 1203, 67 U. VIII S., 1 Kte. kl. 8°. Lw.
DM 20.-.

In 7. Auflage (= 5. Aufl. der einbändigen Ausgabe) liegt
das Alte Testament von Paul Riessler vor. Die Übersetzung ist
das Lebenswerk P. Riesslers. 1924 zuerst erschienen, hat er die
Herausgabe der 3. Aufl. 1934 noch selbst vorbereiten können; am
16. 9. 193 3 ist er heimgegangen. Eine 4. Aufl. ist im Krieg vernichtet
; seit 1949 sind in rascher Folge wieder drei Auflagen erschienen
. Inzwischen ist die Übersetzung auch in der DDR herausgebracht
, sicherlich ein Zeichen für die Wertschätzung, die diese
Übersetzung bei dem katholischen Kirchenvolk genießt. Und der
Herausgeber, Dr. Heinrich Getzeny, begründet das im Vorwort
mit dem Satz: „Sowohl an philologischer Exaktheit wie an sprachlicher
Vollendung wird die Riessler-Bibel noch auf geraume Zeit
die beste deutsche Übersetzung des AT bleiben."

Diese Aussage entspricht der Absicht des Übersetzers. Er
hat den hebräischen Text genau übersetzen wollen und sucht
ihn so lange wie irgend möglich zu halten und verständlich zu
machen (vgl. z.B. 2. Kol 6,6). Auf Verbesserungen oder Einsätze
aus der LXX verzichtet er nach Möglichkeit. Er versucht
auch ein verständliches Deutsch zu schreiben; und das ist ihm
durchaus gelungen. Dabei hat er für die poetischen Stücke die
Form der Jamben gewählt, weil damit im Deutschen die poetische
Gestalt am besten ihren Ausdruck fände.

Es wäre sicher nicht recht, bei einem solchen Lebenswerk um
Einzelheiten zu rechten. Aber zu zwei Überlegungen gibt die Arbeit
Riesslers Anlaß.

Einmal ist wohl hinzuweisen auf Riesslers textgeschichtliche
Thesen, die in der Tat, wie der Herausgeber mit Recht bemerkt,
kaum bekannt geworden sind. Sie wurden 1939 in dem von Fr.
Stier aus dem Nachlaß herausgegebenen Werk „Erklärungen von
Textschwierigkeiten des Alten Testaments" veröffentlicht. Hier
vertritt R. eine These, die wirklich abenteuerlich anmutet: Der
hebräische Text sei erst aus einer alten griechischen Übersetzung
des aramäischen Urtextes zurückübersetzt. Anlaß zu einem Beweis
für diese These bilden die cruces interpretum, die, wie ihm
scheint, auf diese Weise ihre Erklärung finden.

Audi wer von dieser These nicht überzeugt ist, wird zugeben
, daß manche Erscheinungen der Textgeschichte eigenartig
genug sind. Wir wissen ja heute, daß Textgeschichte ein sehr
verwickelter Prozeß war und daß es manche Beziehungen hin
und her gegeben hat. (Erinnert sei an Baudissins These, das WM
des hebräischen Textes sei aus dem y.vqioQ der LXX geflossen.)
Und vielleicht geht es auch hier so wie manchmal, daß in der
Auseinandersetzung mit einer verfehlten Hypothese sich doch
eine neue und bessere Einsicht gewinnen läßt. Das von R. gesammelte
Material bedürfte wohl einer ernsten Prüfung.

Und ein anderes. Wer wie der Rezensent an der Revision
der Lutherbibel mitgearbeitet hat, darf wohl überlegen, wie es
nun auf evangelischer Seite weitergehen soll. Denn diese Revision
ist die letzte gewesen, die diesen Namen noch verdient. Jede
weitere Modernisierung käme einer Neuübersetzung gleich. Soll
und kann diese sich an das Vorbild R.s halten? Es ergeben sich'
dabei ja viele Fragen. Nur einige seien herausgegriffen:

Soll man ein hebr. Wort immer durch das gleiche deutsche
Wort wiedergeben? Buber bejaht diese Frage grundsätzlich; R.
geht hier in großer Freiheit vor. In Prov 11 hat er für "pn:
vier Übersetzungen: Almosen (V. 4), Frömmigkeit (V. 5), Gerechtigkeit
(V. 6), Tugend (V. 19). Wo ?TP*TJ£ Almosen bedeutet
(ob das in V. 4 der Fall ist, kann auf sich beruhen), wird man so
übersetzen müssen; aber ist es notwendig, zwischen Frömmigkeit,
Gerechtigkeit, Tugend zu wechseln? Der nicht des Hebräischen
kundige Leser wird annehmen müssen, daß hier drei verschiedene
Begriffe vorliegen. In einem solchen Zusammenhang wird
man doch auf eine Übersetzung sinnen müssen. Umgekehrt gibt