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Ausgabe: | 1965 |
Spalte: | 899-900 |
Kategorie: | Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie |
Autor/Hrsg.: | Brandon, Samuel G. |
Titel/Untertitel: | Creation legends of the ancient Near East 1965 |
Rezensent: | Ringgren, Helmer |
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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 12
900
Sonderlehren der Ahmadiyya (in: Mohammed und der Koran —
Jesus und die Bibel, S. 110) die Religionswelt des Ostens. Dabei
kommen die in den ersten Aufsätzen behandelten Grundsätze
einer evangelischen Religionskunde zu einer überzeugenden Anwendung
. Die Variationsbreite und Behandlung der Themen sind
überraschend weit: „Das Gleichnis vom Verlorenen Sohn im
Lotos-Sütra und im Lukasevangelium"—„Upäyakausälya (geschickte
Anwendung der Mittel) als Methode buddhistischer Ausbreitung
" — „nicht-christliche Welt und christliche Ethik" — „Heilsverwirklichung
und Heilserwartung" — „fernöstliches und christliches
Zeit- und Geschichtsverständnis" — „der Geist Europas
und die Religion des Ostens" — „die Völker Asiens und die
Technik" — „der Weg der Freiheit im Umsturz Asiens" — „Probleme
christlicher Verkündigung in China" — „die Rede vom
kosmischen Christus angesichts der indischen Geisteswelt" —
„Ostasienmission, unveränderlicher Auftrag in einer veränderten
Welt". Letztlich müht sich R. unter diesen vielfältigen Aspekten
um das Verständnis des Menschen der fernöstlichen
Kultur- und Religionswelt. Es geht ihm darum, deutlich zu
machen, daß dieser Mensch nur aus den Kategorien des mythischen
Seinsverständnisses seiner Religion zu verstehen ist. Alle
politischen Wandlungen und alle Säkularisation haben ihn davon
nicht gelöst. Es ist R. zu danken, daß er gegenüber der gerade
auch in der christlichen Ökumene oft vertretenen Meinung, die säkular
-technische Zivilisation gleiche den östlichen Menschen der
Problematik des Westens an, mit solchem Nachdruck darauf hinweist
, wie sehr die Realität der inneren Bindungen noch gültig
ist und wie verfehlt auch die missionarische Begegnung sein würde
, wenn sie dies übersähe. In seinem Vorwort spricht R. von der
Notwendigkeit, „verbrauchte Kategorien durch angemessenere zu
ersetzen, neuen Wegen der Begegnung des Evangeliums mit dem
Menschen Asiens nachzuspüren, Wesen und Aufgabe einer sich .. .
in den jungen Kirchen Asiens regenden Theologie zu klaren".
Er hat in diesen Aufsätzen den gelungenen Beweis geliefert, wie
dieses Programm zu erfüllen ist.
Hamburg Th. Müller-Krüger
ALTER ORIENT
Brandon, S. G. F., Prof., M.A., D.D.: Creation Legends of the An-
cient Near East. London: Hodder & Stoughton [1963]. XVI, 241 S.
m. 5 Abb. i. Text, 14 Taf. gr. 8° Lw. 3 5 s.
Wie ist der Mensch darauf gekommen, die ihn umgebenden
Dinge nicht als ewig daseiend, sondern als entstanden aufzufassen
? Scheint doch alles in der Natur eher dafür zu sprechen,
daß die Welt beständig und der Mensch vergänglich ist. Wie ist
der Begriff des Schaffens entstanden? Solche Fragen stellt der Verfasser
der vorliegenden Arbeit, und wenn er auch zugibt, daß er
die Entstehung des Schöpfungsglaubens nicht erklären kann, hat
er jedoch einen guten Beitrag zum Verständnis der vorhandenen
Schöpfungsvorstellungen geleistet.
Die Abgrenzung der Aufgabe hat offenbar dem Verfasser
gewisse Schwierigkeiten bereitet. Ägypten, Mesopotamien und
Israel bieten sich sozusagen selbstverständlich dar, aber gehört
eigentlich Griechenland hierher? Und wenn Iran behandelt wird,
warum wird auch Indien nicht mit hereinbezogen? Solche Fragen
verringern aber keineswegs den Wert der vorzüglichen Analysen
der hier behandelten Schöpfungsvorstellungen.
Bei seiner Behandlung der ägyptischen Schöpfungsmythen
legt der Verfasser viel Wert darauf, daß sie von den Priesterschaften
verschiedener Tempel geschaffen worden seien, um die
Interessen des betreffenden Tempels zu fördern. Das ist zwar
richtig, reicht aber als einzige Erklärung der ägyptischen
Schöpfungsmythen nicht aus. Allen drei Grundtypen sind aber
gewisse Motive gemeinsam, vor allem die Vorstellung vom aus
dem Urwasser sich erhebenden Urhügel. Hier spürt der Verfasser
mit Recht den Einfluß der Naturverhältnisse im Niltal. Vielleicht
ist es ihm nicht immer gelungen, all die feinen Anspielungen der
ägyptischen Theologen auszuwerten, aber die tragenden Grundgedanken
hat er gut herausgearbeitet.
Auch bei den Sumerern und Babyloniern findet der Verfasser
Belege für den Einfluß der Naturverhältnisse auf die
Schöpfungsvorstellungen. Das babylonische Schöpfungsepos wird
eingehend analysiert, die babylonverherrlichende Tendenz wird
richtig hervorgehoben, und die Spannungen zwischen alten Motiven
und jetziger Form werden gut herausgearbeitet. Eine ausführlichere
Stellungnahme zur Frage der kultischen Funktion des
Enüma elisch wäre wünschenswert gewesen, ebenso wie
eine Erörterung der Anwendung der Schöpfungsmythen überhaupt
: inwieweit sind sie Texte eines schöpferischen Kultdramas,
in welchem Ausmaß befriedigen sie die Neugier der Menschen
betreffs des Ursprungs der Welt, unter welchen Bedingungen
dienen sie magischen Zwecken (die letzte Frage wird S. 90 gestreift
)?
In der Darstellung der israelitischen Vorstellungen findet
man viele wertvolle Beobachtungen. Zwar wird man dem Verfasser
nicht folgen können, wenn er den Zweck des jahwistischen
Schöpfungsberichts im Ablehnen des Totenkults durch Hervorhebung
der Sterblichkeit und der irdischen Begrenztheit des Menschen
findet. Besonders treffend ist aber der Vergleich der
Sündenfallsgeschichte mit dem Enkiduabschnitt des Gilgamesch-
epos, wo die Frau den unbefangenen Naturmenschen verführt, indem
sie ihm die geschlechtliche Erfahrung schenkt und ihn dadurch
auf den Weg zum Tode versetzt. Daraus ergibt sich eine gegen
den Fruchtbarkeitskultus gerichtete Tendenz, die übrigens schon
Hvidberg gesehen hat (Vetus Testamentum 10, 1960, S. 285 ff.).
Auch die „mythologischen" Vorstellungen vom Drachenkampf
werden berücksichtigt; es fragt sich aber, ob sie wirklich ausschließlich
als „Folklore" bezeichnet werden können.
Zuletzt werden die Vorstellungen der Griechen und der
Iranier behandelt. Bei den ersteren betont der Verfasser mit
Recht den rationalistischen Drang, demzufolge wir Schöpfungsmythen
nur in Spuren oder in umwandelter Form besitzen. Die
Ursprungssagen bei Hesiod werden scharfsinnig untersucht, und
auch die orphischen Vorstellungen werden beachtet. Es fragt sich
aber, ob nicht eine weitgehendere Beachtung neuerer vergleichender
Untersuchungen die Darstellung hätte vertiefen können. Die
fünf Rassen und die vier Weltalter bei Hesiod hätten z. B.
zu weiteren Erörterungen Anlaß geben können (vgl. jetzt Bianchi,
Studi e materiali della storia delle religioni, 34, 1963, S. 143 ff.);
die Kronos-Uranos-Sage ist von Wikander in Vetenskapssocie-
tetens i Lund ärsbok 1951 behandelt worden; die Rolle de»
%q(üs könnte vielleicht mit käma in gewissen indischen Kosmo-
gonien verglichen werden usw.
Ähnliches gilt vom iranischen Kapitel. Neben treffenden Bemerkungen
und einer gewiß richtigen Beurteilung des Zurvän-Problemi
findet sich manches, was nicht ganz auf dem heutigen Stand der Forschung
steht oder hätte vertieft werden können. Die Bestreitung dei
selbstbiographischen Werts der Gathas durch Mole wird nicht einmal
erwähnt. Zaehner hat nicht als erster die Zusammenstellung von Ahura
Mazdah mit Varuna gemacht (S. 197). Wenn von Mithras Herabsetzung
in Iran die Rede ist S. 197), vermißt man einen Hinweis auf Dumezil,
Naissance d'archanges, eine Arbeit, die übrigens in der Bibliographie
als Naissance des anges erscheint.
Einige weitere Kleinigkeiten: S. 32 wird die Junkersche These von
einem anonymen „Großen Gott" in Ägypten stillschweigend akzeptiert.
S. 46 hätte die Darstellung der Ogdoade mit der Auffassung von Ant-
kes in Mythologies of the ancient world (hsg. von S. N. Kramer 1961)
konfrontiert werden sollen. S. 92 äussert der Verfasser Bedenken über
die Theorie von Marduk als sterbendem und auferstehendem Gott,
kennt aber offenbar nicht von Sodens Aufsatz in ZA 51, 1955. S. 123:
'ed ist nicht ohne weiteres mit „Nebel" zu übersetzen, s. Köhler-Baumgartner
; nach Albright bedeutet es „Grundwasser". S. 144: es ist jedenfalls
unsicher, daß meiaheephw t „brütend" bedeutet.
Abschließend stellt der Verfasser fest, daß der israelitische
Schöpfungsbericht durch das Christentum und den Islam außerordentlich
bedeutende Nachwirkungen gehabt hat, während die
anderen Schöpfungsvorstellungen weniger einflußreich gewesen
sind.
Trotz der Einwände, die oben gemacht werden mußten, ist
das Buch mit seinem klaren Stil und seinen genauen Motivanalysen
ein wertvoller Beitrag zur vergleichenden Mythenforschung
. Dem Exegeten bietet das israelitische Kapitel viel
Interessantes. Es erscheint jetzt als eine dringende Aufgabe, anhand
des hier zusammengetragenen Materials die Frage von der
Funktion der Schöpfungsmythen aufs Neue zu untersuchen.
Uppsala Helmer Ringgren