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Ausgabe:

1965

Spalte:

898-899

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Rosenkranz, Gerhard

Titel/Untertitel:

Religionswissenschaft und Theologie 1965

Rezensent:

Müller-Krüger, Theodor

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 12

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nicht mehr nur die Missionstheologen angeht. Diese Begegnung
stellt unüberhörbare Fragen an die Theologie, auch hinsichtlich
einer jeder Introvertion abgewandten Theologenausbildung in
einem neuen Zeitalter.

Der Buchinhalt wird in drei große Gruppen aufgegliedert.
Zunächst werden hörbar die Stimmen verantwortlicher Personen
oder Gremien: das sind hier Rom mit vielen Zitaten aus dem
Kanonischen Recht und aus jüngeren Enzykliken der Päpste
Pius XII. und Johannes XXIII.; ferner die United Lutheran
Church of America mit einer Deklaration aus dem Jahre 1920,
die sich freilich gerade nicht mit einer Stellungnahme zu den
nicht-chri6tlichen Religionen befaßt, und es sind Erklärungen des
Ökumenischen Rates der Kirchen, in Wahrheit aber solche des
früheren Internationalen Missionsrates.

Teil II bringt sodann weniger offizielle Aussagen, aber doch
solche aus der Feder repräsentativer Vertreter der Religionen.
Und da sind sie alle da: Buddhismus, Confuzianismus und Chinesische
Religion, Christentum (röm.-kath., orthodox, anglikanisch
und protestantisch, die letztere Gruppe vertreten durch den
Amerikaner Prof. R. P. Beaver und den indischen Juristen
P. Chcnchiah), Hinduismus (mit sieben Beiträgen), Islam, Judentum
, die Sikh-Rcligioncn und der Zoroastrismus.

Für die Begegnung dieser Religionen in einer (im Gegensatz
zu früheren Zeiten) friedlicheren und fruchtbareren Art möchte
das Handbuch eine Art Nachschlagewerk sein.

Im III. Teil findet man zehn Erörterungen von Gelehrten
über das Verhältnis ihrer eigenen Religion zu den anderen Religionen
. Sieben der Beiträge stammen aus der westlichen Schau
und leider nur von drei Asiaten. In einem Appendix kommen
schließlich acht internationale Organisationen, die sich mit interreligiösen
Beziehungen befassen, zu Worte, darunter die United
Nations (mit wertvollen Ausführungen auch über den Meditation
Room und seinen Symbolgehalt), World Congress of Faiths,
World Brotherhood, World Ecumenical Unity Movement, World
Fellowship of Muslims and Christians.

Eine wenn auch nicht vollständige, so doch in ihrer Auswahl
gute und hilfreiche Bibliographie mit 199 Nummern beschließt
das Buch.

Die Lektüre dieses Sammelwerkes ist höchst interessant und
lehrreich. Wie zu erwarten, finden sich alle nur denkbaren
Stellungnahmen vor, die alle aufzuführen das gesetzte Raummaß
überschreiten würde. Neben der Vervollkommnung der „pagan
Philosophie« . . . by Christian revelation" ( Rom, S. 13) über
das „Entweder ist es [das Evangelium] für alle wahr oder es ist
überhaupt nicht wahr" (Jerusalem 1928, S. 20) und die Versicherung
, daß der Buddhismus („Buddhism is not a religion") nicht
lehre, daß alle Religionen zum selben Ziele führen und daß alle
Religionen nur verchiedene Interpretationen der einen höchsten
Wahrheit seien (S. 31), geht es zu der hinduistischen Aussage
„Soviele Religionen, soviele Wege" (S. 68). Allen gemeinsam
aber ist die Betonung der Offenheit und des Respektes für einander
, wie immer man auch die andere Religion sehen und sich
gegen sie doch abgrenzen mag.

Man muß das Buch nehmen wie es ist. Denn in der Auswahl
der Stimmen führt das Buch nicht bis in sein Erscheinungsjahr;
einzelne Dokumente und Äußerungen stammen aus den Jahren
1920, 1926, 1928, 1938, 1949, 1957. Man mag sich auch wundern
, warum Männer wie Gandhi oder Aurobindo u. a. nicht zu
Gehör gebracht werden. Erst recht erscheint es dem Rez. fraglich,
ob das evang. Christentum in ausreichend repräsentativer Weise
vertreten ist. Der Zweifel gilt vor allem im Blick auf den Beitrag
eines Theologieprofessors aus Californien (137 ff.), für den nur
ein Mangel an Glauben an dem ,,only way" festhalten kann
(S. 137). Die Christen, so meint er, mögen wohl ihr Glaubensbekenntnis
„Jesus der Herr" für sich aussprechen, aber sie sollten
nicht das Gesetz aufzustellen versuchen, daß Jesus auch der
Herr sein müsse für Juden, Hindus und Buddhisten (S. 138). Wie
ein Kind heranwachse, so soll man auch die Menschen „Christen",
„Buddhisten", „Atheisten", „Theisten", „Moslems" oder
„Sikhs" in Ruhe lassen und auch heranwachsen lassen zu einer
immer größeren geistlichen Maturität (S. 142).

An kleineren Beobachtungen wäre zu nennen: S. 21 f. sucht man
zu den angegebenen Zahlen die Anmerkungen, man kann sie kaum in
dem Addendum auf S. 178 vermuten. S. 25 muß es heißen 6) und nicht
1). S. 33 Z. 10 wird das Zitat nicht mit " abgeschlossen. Zu den Quellenangaben
S. 71 und 72 wünschte man sich die Angabe der Jahreszahl
.

Druckfehler: S. 68 Z. 7 von oben und Z. 3 von unten; S. 89 Z. 11;
S. 114 Z. 7; S. 154 Z. 7.

Halle/Saale Arno Lehmann

Rosenkranz, Gerhard: Religionswissenschaft und Theologie.

Aufsätze zur Evangelischen Religionskunde. München: Kaiser 1964.
361 S. gr. 8° = Veröffentlichungen zu Mission und Oekumene.
DM 20.—; Lw. DM 23.—.

Der Tübinger Missionswissenschaftler hat in diesem Band
seinen zahlreichen Büchern (siehe Bibliographie Seite 361) eine
Sammlung von neunzehn verstreuten Aufsätzen aus den Jahren
1950—63 hinzugefügt. Die vier ersten Aufsätze unterstreichen
in ihrer Thematik in besonderer Weise den Titel des Buches:
Religionswissenschaft und Theologie. Der erste Aufsatz („Wege
und Grenzen des religionswissenschaftlichen Erkennens") führt
in weiträumiger Auseinandersetzung, vor allem mit Söderblom
(S. 20f.) und Hocking (S. 25f.), zu der Bestimmung der Aufgabe
„die der Theologie gesetzt ist: in legitimer Weise mit der Tatsache
fertig zu werden, daß die Religionswissenschaft ihre autonome
Beschäftigung mit den Religionen mit Recht für sich in
Anspruch nimmt" (S. 26). Hat es die Religionswissenschaft nach
ihren eigenen „Erkenntnisbedingungen" und den „eigenen Gesetzen
ihres Forschungsgegenstandes" (32) mit den „Tatsachenzusammenhängen
zu tun, in denen sich die verschiedenen Religionen
— das Christentum nicht ausgenommen — darstellen" (32),
so würde sie „ihre Grenzen verletzen, wenn sie einen ihrer
Aspekte verabsolutierend, Werturteile fällen wollte" (3 3). Die
„evangelische Religionskunde" als theologischer Forschungsbereich
hat dagegen die Aufgabe, „der Theologie die Kenntnis der
religiösen Tatsachen in ihrer von der Religionswissenschaft ermittelten
Faktizität, Bedeutung und Ordnung zu vermitteln, daß ihr
Bezug auf ein Letztes deutlich wird" (3 5). Ihre theologische Aufgabe
besteht dann darin, die „religiöse Wirklichkeit von der in
Christus enthüllten Gotteswirklichkeit auszuwerten". Der zweite
Aufsatz („Die Notwendigkeit evangelisch-theologischen Studiums
der Fremdreligionen um der Mission willen") erweitert
diesen Gedankenkreis in Hinsicht der Mission, deren wechselndes
Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen in der katholischen
und evangelischen Missionslehre analysiert wird. Es
kommt darauf an, „das befreiende und vorwärtsführende Aufeinanderwirken
von Theologie und Religionswissenschaft im Studium
der Fremdreligionen" zu erkennen und nutzbar zu machen
(45). Im dritten Aufsatz bietet Rosenkranz eine wissenschaftstheoretische
Grundlegung der Missionswirtschaft. Die notwendige
Verbindung historisch-kritischer und theologischer Forschung
wird im Blick auf eine biblisch-theologische Begründung der Mission
, auf die Missionsgeschichte und schließlich in Anwendung auf
die „Botschaft der Mission" aufgezeigt, wobei wiederum die Prinzipien
evangelischer Religionskunde und ihrer Grenzziehung zur
Religionswissenschaft betont werden. Der vierte Aufsatz endlich
behandelt die Frage nach der Absolutheit des Christentums. In
Auseinandersetzung mit Harnack und Troeltsch zeigt R. auf, daß
sowohl die Lehre von den Iogoi spermatikoi wie die Spekulation
über eine allgemeine Offenbarung die „Grenze religionsgeschichtlicher
Aussagemöglichkeiten überschreiten" (79) und sich nicht
mit religionsgeschichtlichen „Parallelen und Konvergenzen" beweisen
lassen (80). „Allen Religionen, auch der christlichen, steht
die Christusbotschaft gegenüber, die von Gott aus zum Menschen
hingeht, ihm die Verfügung über die letzte Wahrheit nimmt. Das
ist religionsgeschichtlich feststellbar" (81). Vor der Gotteswirk-
lichkeit, die in Christus in die Religionsgeschichte der Menschheit
hineingetragen ist, (86) erweist sich „der Ausdruck Absolutheit
des Christentums als unangemessen".

Außer zwei mehr informatorischen Aufsätzen („China heute
" S. 247 und „Religionen wandeln sich" S. 298) sind fast alle
anderen der religionsgeschichtlichen Auseinandersetzung gewidmet
. Ihre Themen betreffen bis auf eine Untersuchung über die