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1965

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Systematische Theologie: Allgemeines

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 11

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vielleicht in der einzigen vorliegenden Mythos-Interpretation von dem
Anliegen bestimmt war, die Lehre vom unfreien Willen vor ihrer Gefährdung
durch die Auffassung des Sündenfalls als einer willentlichen
Auflehnung gegen Gott zu retten.

Die Lösung des Problems liegt ohne Zweifel in einer — von
Barthel so genannten — Theologie des religiösen Symbolismus,
die den biblischen Mythos auf seinen transzendenten Gehalt hin
interpretiert und seine Transparenz für die in ihm bezeugte Gotteserfahrung
enthüllt. Wenn B. dafür die Formel „Das Handeln
Gottes im Heiligen Geist" (S. 365 ff. u. a.) einsetzt, so entgeht er
dadurch nicht nur der existentialistischen Auflösung des Gegenüber
des Glaubens, sondern auch der orthodoxen Objektivierung
Gottes und der Heilstatsachen und wahrt das unaufhebbare Wech-
sclverhältnis von Offenbarung und Glauben. Die bei B. immer
wiederkehrende Wortverbindung ,,ontologisch" und „existentiell"
weist darauf hin, daß die transzendente Wirklichkeit nur
auf existentiellem Weg zu erreichen ist, daß Gott nur im
Glauben da ist, aber die gläubige Existenz sich von der
Wirklichkeit Gottes bedingt und getragen weiß10, — ist
aber insofern nicht glücklich, als hier die beiden abgelehnten
Betrachtungsweisen, die existentialistische und die metaphyische,
miteinander verquickt werden, — und nicht nur sprachlich, denn
B. hält sich weder von der einen (in der Auffassung des Mythos
als solchen) völlig frei noch von der anderen (indem er in Bezug
auf die christliche Wahrheit ein vortheologisches Erkenntnisproblem
statuiert und die Positivität des christlichen Zeugnisses
in katholischer Weise von einem Denken realistischen Gepräges,
das zugleich den Erfordernissen des Idealismus Rechnung trägt, abhängig
macht). Von einer symbolistisch ausgerichteten Theologie
erwarten wir jedoch mehr als die Aufstülpung einer — zwar richtigen
, aber doch allgemein gehaltenen und rationalen — Formel
auf das Gesamt des neutestamentlichen Mythos; wir erwarten von
ihr eingehende Deutung der Mythen, d. h. eine Interpretation
der einzelnen Mythen unter Wahrung des irrationalen Elements
und die Aufweisung, daß der Mythos das notwendige
Gewand des Kerygma ist, so daß, wer ihn streicht, den Glauben
aufgibt. Daß die Symbolsprache des Mythos eine vorgegebene,
fundamentale und unreduzierbare Sprache ist (S. 3 52), muß auch
am christlichen Mythos deutlich gemacht werden. Hier zeigt sich
der entscheidende Mangel der Methode B.'s, auf den wir oben
hinwiesen: sie setzt beim biblischen Mythos ein und nimmt
ihn, ohne tiefere Erkenntnis der Struktur des Mythos überhaupt,
rein inhaltlich als eine Ausdrucksweise für das Kerygma, — was
zwar zutrifft, aber seine besondere geheimnisvolle Fracht zum
Versinken bringt, ja, ihn selbst überflüssig macht, da er nichts
anderes bringt als das, was das Kerygma in rationaler Form erschöpfend
aussagt. Diese — ungewollte — Abwertung des christlichen
Mythos beruht auf der Meinung, daß der christliche Glaube
den „heidnischen" Mythos seinem Nährboden entrissen und umgewandelt
habe, — während tatsächlich die mythische Vorstellungsweise
und Sprache auch mit dem christlichen Glauben in der
Wurzel gegeben und von ihm unabtrennbar ist. Wenn der Mythos
überhaupt als Zeugnis der Erfahrung von den existentiellen und
ontologischen Grenzen, denen sich der Mensch gegenübersieht,
definiert wird (S. 3 52), — anstatt als Zeugnis der Erfahrung der
Aufhebung dieser Grenzen und der Begegnung mit einer transzendenten
Macht, dann wird man den biblischen Mythos entweder
ebenso, also anthropologisch und existential interpretieren
müssen oder ihn zugunsten des Kerygma eliminieren. Nebenbei
bemerkt: Wenn man in der ganzen Religionsgeschichte nichts als
verfehlte, ja frevelhafte Versuche des Menschen sieht, sich selbst
ins Göttliche zu projizieren, wird es schwer fallen, den christlichen
Glauben von dieser Betrachtungsweise auszunehmen. Das
haben wir bereits am Anfang unserer Rezension dargelegt.

Wir sind gespannt darauf, was die in Vorbereitung befindliche
Studie Bartheis über die einzelnen biblischen Mythen und die
Restrukturation der ganzen christlichen Lehre aus ihnen (S. 13)
bringen wird. Wir zweifeln nicht, daß B. viel Wesentliches über
dieses Thema zu sagen haben wird, bitten ihn aber, die von uns
gegenüber seiner Position geäußerten Einwände zu erwägen.

10) Erörterung dieses Problems bei Knevels: Die Wirklichkeit
Gottes, 11. Kap.

B. schreibt einen kristallklaren Stil, der es dem Deutschen
leichter und angenehmer macht, dieses französische Buch zu lesen
als viele deutsche Autoren, die unsere Muttersprache existenti-
alistisch maltraitieren. Die vielen Wiederholungen, Zusammenfassungen
, Vergleichungen, Vor- und Rückblicke erleichtern zwar
das Verständnis, wirken aber in ihrer Massierung ermüdend und
sollten eingeschränkt werden.

Berlin Wilhelm Knevels

T r u h 1 a r, Karl Vladimir S. J.: Christuserfahrung. Rom: Herder 1964.
163 S. 8°. Kart. DM 9.60.

Der Verfasser leitet seine Arbeit mit folgendem Satz ein:
„Auch die Erfahrungstheologie darf sich dem heutigen christlichen
und theologischen Bewußtsein nicht entziehen." Damit ist
der inhaltliche und zugleich methodische Weg, den der Verfasser
einschlägt, aufgewiesen. Inhaltlich geht es ihm darum, die Christuserfahrung
nach ihren verschiedenen Dimensionen hin auszuleuchten
. Methodisch baut er seine Schrift auf Zeugnisse der
Christuserfahrung auf und führt so einen Tatsachenbeweis, der
mit den biblischen Zeugen, mit Paulus, Johannes einsetzt und
ihn im Fortgang der Darstellung über die alte Kirche bis
in die Gegenwart führt. Daß auf diesem Weg auch die Mystik
liegt, ist selbstverständlich. Wenn es dem Verfasser dabei darum
geht, die Erfahrungstheologie und Mystik mit dem heutigen
theologischen Bewußtsein in Einklang zu bringen, wie er selber
sagt S. 159 (Schlußwort), dann ergeben sich hier immerhin einige
Fragen. Soll die Erfahrungstheologie heute phänomenologisch,
6oll sie religions-psychologisch oder soll sie existentiell interpretiert
werden, um uns nahe gebracht zu werden? Daß das sehr
unterschiedliche Aspekte sind, die zu sehr verschiedenen Darstellungen
und Ergebnissen führen müssen, ist deutlich. Der Verfasser
hat diese systematische Klarstellung weder im Ansatz noch
in der Ausarbeitung vollzogen.

Berlin Otto D i 1 s c h n ei de r

Bärbel, Joseph: Dogmenentwicklung und Tradition (TThZ 74, 1965
S 213—231).

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Fraigneau-Julien, B.: Reflexion Sur la signification religieuse
du mystere de la Sainte Trinite (Nouvelle Revue Theologique 97,
1965 S. 673—687),

Franzmann, M. H.: Nocöes de Hermeneutica Teolögica (Igreja

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de Jong, J. P.: Die Eucharistie als eine symbolische Wirklichkeit

(ZKTh 87, 1965 S. 313—317).
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Kühne, G: Das Problem der Ewigkeit im physikalischen und theologischen
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Sasse, Hermann: Flucht vor dem Dogma. Bemerkungen zu Bultmanns
Entmythologisierung des Neuen Testaments (Igreja Luterana XXV,
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Schelp, Paul W.: O Ministerio de Cristo e o noso Ministerio (Igreja
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Werner, Martin: Zur Theologie Albert Schweitzers (ZdZ 19, 1965
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