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1965

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 11

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Religion" tragen will und daß es die Frage bewußt offen läßt,
welche anderen religiösen Komponenten neben dem Spiritualismus
Arnolds in Goethe6 weiterführenden Äußerungen zur Wirkung
kommen. Hier kann die Tatsache verwirrend wirken, daß
„Aufklärung" mit Deismus - Rationalismus in eins gesetzt wird.
Wenn die These vertreten wird, daß sich Goethe von der Aufklärungstheologie
mit aller Klarheit absetzt (169) (gemeint ist
die „Natürliche Theologie", die als Erbe der Stoa und Scholastik
von den Deisten aktualisiert wurde), so kann verdunkelt werden,
was Goethe vom Werther bis zum Faust II den theologischen
Schulen der Aufklärung im eigentlichen Sinne verdankt.

VUrbnrg/L.ho Wolfgang Philipp

E p t i n g, Karl: „Freiheit für gefangene Seelen". Paul Claudel und sein
Werk. Zu seinem 10. Todestag (ZW 36, 1965 S. 105—114).

Kohlschmidt, Werner: Das Gottesbild und sein Ersatz in der
modernen Dichtung (Der Gottesgedanke im Abendland, hrsg. von
Albert Schaefer. Stuttgart: Kohlhammer 1964).

Kramp, Willy: Evangelium und moderne Literatur (DtPfrBl 64, 1964
S.683—686 und S. 721—725).

Meinhold, Peter: Die Religion Goethes (Der Gottesgedanke im
Abendland, hrsg. von Albert Schaefer. Stuttgart: Kohlhammer 1964).

Müller, Norbert: Sprache, Wirklichkeit, Gewissen. [Schlußteil]. (ZdZ
18, 1964 S. 450—453).

Oppermann, Hans: Wilhelm Raabe im Verhältnis zum Christentum
(DtPfrBl 64, 1964 S. 498—501).

Panichas, George A.: Dostoevski and Satanism (The Journal of Religion
45, 1965 S. 12—29).

Riesen feld, Harald: Pär Lagerkvists Barabbas und das Neue Testament
(Horae Soederblomianae VI. Pistis kai Erga. Lund 1964 S.
105—123).

Roedl, Urban: Adalbert Stifter in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten
. Reinbeck b. Hamburg: Rowohlt [1965]. 183 S. m. zahlr. Abb.
= Rowohlts Monographien, hrsg. v. K. Kusenberg, 86.

Sang, Bernhard: Christliche Rebellen? Zur Herausforderung moderner
Literatur und Dichtung (Quatember 29, 1964/65, S. 120—126).

Schädlich, Michael: Satire und Barmherzigkeit in Heinrich Bolls
Roman „Ansichten eines Clowns" (ZdZ 18, 1964 S. 363—371).

Smith, Neil G.: Was Shakespeare a Theologian? (Theology Today
21, 1965 S. 417—432).

To um, Giorgio: Dostojewski come seduzione (Protestantesimo 19,
1964 S. 235—241).

Watkins, Peter: The Fallen World of Francois Mauriac (Anglican
Theological Review 46, 1964 S. 307—313).

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Gerlitz, Peter: AuBerdiriitliche Einflüsse auf die Entwicklung des
christlichen Trinitätsdogmai. Zugleich ein Religions- und dogmengeschichtlicher
Versuch zur Erklärung der Herkunft der Homousie.
Leiden: Brill 1963. IX, 292 S. gr. 8°. Lw. hfl. 30. —

Der Verf. dieser Arbeit hat es nicht gelernt, wissenschaftlich
sorgfältig zu arbeiten. Dieser Mangel wird in zahlreichem Detail
sichtbar: Die Arbeit ist mit unrichtigen Zitaten durchsetzt; statt
kritischer Ausgaben werden sehr häufig unkritische Textausgaben
benutzt; die Bibliographie S. 275 ff. nennt zum großen Teil Jahrzehnte
zurückliegende und überholte Schriften. Sehr oft, wozu
unten Proben gegeben werden, hat G. Zitate aus griechischen
Texten ungeprüft, aber entstellt, aus zweiter Hand übernommen.
Einige der ärgsten Mißverständnisse, die G. vorgehalten werden
müssen, entspringen aus dieser unkritischen Haltung G.s zu allem
Gedruckten.

Leider ist G. nicht nur in solchen Dingen, die mit Routine
bewältigt werden könnten, hilflos und unerfahren; wo er aus
Vorarbeiten referiert, reiht er Mißverständnis an Mißverständnis:
Ihm fehlt die Schulung, das was andere gesagt haben, exakt aufzunehmen
. Am schwersten freilich wiegt seine Bereitschaft, Belege
ganz verschiedener Aussage- und Beweiskraft zu assoziieren,
statt 6ie auszuwerten; und wenn genug solcher inkohaerenter Zitate
gehäuft sind, so nimmt G. das für einen Beweis.

Daß G. aus seinem vielschichtigen Thema (aber ist es auch
„variabel", wie er S. 1 behauptet?) einige Aspekte auswählt, ist

legitime Beschränkung. So untersucht er

A. die äußere Struktur der Trinität (9—47)

B. die Entwicklung er Logoschristologie unter Verwendung
außerchristlicher Elemente (48—119)

C. die Entwicklung der Pneumatologie unter Verwendung
außerchristlicher Elemente (120—171)

D. Sinn und Wesen der Gesamttrinität — das trinitarische
Dogma als Manifestation der philosophischen Strömungen in der
Spätantike (172-267).

G. fühlt sich der „Religionsgeschichte" verpflichtet; Teil A
und Teil C möchte er von ihr aus behandeln. Leider stellt sich
sogleich heraus, daß er mit religionsgeschichtlichen Fragestellungen
keineswegs vertraut ist; ihm erscheint e6 erlaubt, aus Handbüchern
alles zusammenzuraffen, was nach .Dreiheit' aussieht;
was so an Detail zusammengetragen wurde, wird nun ohne Rücksicht
auf Raum und Zeit — also ganz ungeschichtlich — neben einander
gestellt. Dabei bleiben die verschiedenen .äußeren Strukturen
' der so registrierten Triaden geradezu regelmäßig außer Betracht
. Nur an zwei Stellen — bei einer altägyptischen und bei
einer buddhistischen Triade — sucht G. in die Tiefe zu dringen.
Der Rest bleibt unverbindlich.

Das sieht G. auch ein; er gibt S. 45 zu, daß die reiche Fülle
von Triaden, die er von Griechenland bis China aufspürt, keine
„essentiellen Parallelen", sondern nur „formale Entsprechungen"
zur christlichen Trinitätslehre aufweisen. Der schöne Satz besagt
soviel: bei einer Triade hat man es immer mit drei Göttern zu
tun. Als Verbiegung des Tatbestandes empfinde ich es aber, daß
diese Binsenweisheit nun zu positiver Erkenntnis umgefälscht
wird: Mit einem Male wird, was eben noch ein Nichts war,
.Formgestalt' geheißen; auf derselben S. 45 spricht G. „namentlich
vorderasiatischen Triaden . . . einen erheblichen Einfluß auf
die Ausgestaltung der Formgestalt der Trinitätslehre" zu. Dabei
verschwendet G. keine Silbe auf den Nachweis, ob denn die als
vorderasiatisch in Anspruch genommenen alt-babylonischen Göt-
terdreiheiten irgend eine Rolle im religiösen Bewußtsein der Zeit
spielten, da das Christentum sich bildete: kein Wort fällt über
Religionen oder Religiosität in hellenistischer Zeit.

Hierfür ein Beispiel: Auf S. 26 schreibt G. ein Stück aus dem
Pariser Zauberpapyrus aus, den K. Wessely 1 886 publiziert hat.
Das Textstück ist nicht an der Originalpublikation geprüft, sondern
aus R. Reitzenstein, hellenist. Mysterienreligionen [richtig:
' 309] übernommen; [G. zitiert ohne Rücksicht auf den Leser
bald die 2., bald die 3. Aufl.; hier wählt er gerade die 2.] R.
Reitzenstein hat a. O. aus einer zehnfachen Prädikation zwei für
ihn wesentliche Beispiele ausgewählt, ein drittes, im Text voraufgehendes
, hat er in Klammern beigefügt. G. läßt aus Unachtsamkeit
die Klammer weg und gewinnt nun eine neue Triade, bei
der das nvevßa die Stellung der copula habe (I). Davon kann
überhaupt keine Rede sein — diese Stellung der Prädikationen
hat ja G. erst hergestellt. Nun muß dies „eklatante Beispiel"
(173) noch möglichst hoch hinauf datiert werden; G. versichert
26 A 2: „Diese Papyri mögen ziemlich lange vor christlicher Zeit
liegen" — ohne den Versuch eines Beweises. Der hätte freilich
fehlschlagen müssen, denn der von G. so lieblos verstümmelte
Text ist auf das Jahr 300 n. Chr. datiert. G. gibt sich diese
Blöße, weil er das mehrfach zitierte Werk von K. Wessely nicht
eingesehen hat — und weil es ihm auf ein paar Jahrhunderte nicht
ankommt.

Das totale Mißverständnis von Grenzen und Arbeitsweise
religionswissenschaftlicher Forschung spielt auch in Teil C eine
schlimme Rolle; da wird das göttliche Pneuma zur Muttergöttin;
es ist „einfach die Vergeistigung der alten orientalisch-hellenistischen
Muttergöttin" (127). Von einem Nachweis, wo sich denn
„die" hellenistische Muttergöttin manifestiert, ist nicht die Rede.
Statt dessen werden Zeugnisse aus gnostischer Literatur gehäuft;
statt eine sachgerechte Auswertung des Zitierten zu geben, zieht
G. ohne begriffliche Scheidung, auf Grund oft naiver Assoziationen
alle Feminina altchristlicher Vorstellungswelt — Maria —
ootpia — exxlrjaia in den Wirbel hinein, den er S. 129 ff. veranstaltet
. Wenige Seiten später ist dann von der Weiblichkeit
und Mütterlichkeit des Pneuma gar nicht mehr die Rede — mit