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Ausgabe:

1965

Spalte:

832-834

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Altertum und Mittelalter 1965

Rezensent:

Beyreuther, Erich

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831

Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 11

832

In beiden Evangelien sind die Pharisäer Typus des Bösen, jedoch in
jeweils verschiedener Hinsicht. „Dem Pharisäer als dem Typus des die
Einheit der Gemeinde gefährdenden Irrlehrers bei Matthäus steht . . .
bei Lukas der Pharisäer als der Typus des unbekehrten Weltmenschen
gegenüber" (S. 137, vgl. S. 84 ff.). Die Welt ist für Lukas der vom
Satan beherrschte Bereich. Durch die Bekehrung wendet sich der Mensch
von diesem Herrschaftsbereich des Satans ab und der Gemeinde zu.
wobei der individuellen Buße von Lukas eine besondere Bedeutung zugeschrieben
wird. Die dadurch erlangte Belohnung in Form der Rechtfertigung
ist dabei ebenso wie die Verlorenheit des Menschen unter
der Herrschaft des Satans eine gegenwärtige Größe. — Der Satan ist
der spezielle Feind der christlichen Mission, deren Überlegenheit jedoch
sowohl im Lk-Ev als auch besonders in der Apg demonstriert wird.

Indem jedwede mythologische Spekulation über den Ursprung des
Bösen oder eine transzendente Funktion des Satans fehlt, erweist sich,
„daß die synoptischen Aussagen über das Böse in seinen verschiedenen
Gestalten und Formen nicht unter einem spekulativen Vorzeichen stehen
, sondern geschichtlich gemeint sind und deshalb durchweg eine
dienende Funktion für die besonderen kerygmatischen und didaktischen
Intentionen der einzelnen Evangelisten und der hinter ihnen stehenden
Gemeinden haben" (S. 208).

Diese z. T. schon bekannten Züge in der Theologie der
synoptischen Evangelien (einschließlich der Apg) werden in sehr
gründlichen Interpretationen aller einschlägigen Texte und mit
sehr ausführlicher Diskussion der Sekundärliteratur erarbeitet.
Mag man in Einzelfällen auch anderer Meinung sein oder einzelne
Erklärungen für gekünstelt erachten, so ist es dem Verf. doch
gelungen, die enge Verflochtenheit der Theologien des Bösen mit
der Intention der Redaktoren aufzuweisen.

Das Buch gibt eine Fülle von Einsichten sowohl in exegetischen
Einzelfragen als auch im Hinblick auf die Theologie der
Redaktoren (wobei das Mk-Ev freilich etwas zu kurz kommt).
Leider ist das Buch aber nicht leicht zu lesen. Das liegt jedoch
weniger an der Problematik, um die es geht als vielmehr am oft
unerträglich gedrängten, z. T. schwerfälligen Stil, der Überfülle
von Belegstellen und den sehr unglücklich am Ende abgedruckten,
äußerst unübersichtlichen Anmerkungen. Zwar faßt Verf. seine
Auseinandersetzungen mit der Literatur sowie seine zahlreichen
religionsgeschichtlichen Vergleiche zur Entlastung des fortlaufenden
Textes dankenswerterweise in Exkursen zusammen. Dadurch
sollen die Anmerkungen auf ein „notwendiges Mindestmaß"
reduziert werden (S. 11). Das ist dem Verf. jedoch keineswegs
gelungen.

Diese unnötige Erschwernis ist gerade bei einem Buch bedauerlich
, dem eine starke Beachtung zukommt.

Amelsbüren üb. Münstcr/W. Alfred Suhl

Adler, Nikolaus: Hundert Jahre neutestamentliche Exegese in Mainz

(TThZ 74, 1965 S. 231—237).
A n 16 n, Angel: Nuevos horizontes sobre el tema de Ia „diadoche'

(Gregorianum XLVI 1965 S. 605—612).
Anwander, Anton: Zu Kol. 2,9 (BZ 9, 1965 S. 278—280).
G n i 1 k a, Joachim: Jesus und das Gebet (Bibel und Leben 6, 196i

S. 79—91).

—Die antipaulinische Mission in Philippi (BZ 9, 1965 S. 258—276).
Kamphaus, Franz: Die Wunderberichte der Evangelien (Bibel und

Leben 6, 1965 S. 122—135).
Kopp, Clemens: Steinigung und Grab des Stephanus (ThGI 55, 1965

S. 260—270).

L a m a r c h e, P.: La guerison de la bellemere de Pierre et Ie genre
Iitteraire des evangiles (Nouvelle Revue Thcologique 97, 1965
S. 515—526).

L o h f i n k, Gerhard: Eine alttestamentliche Darstellungsform für Gotteserscheinungen
in den Damaskusberichten [Apg. 9; 22; 26] (BZ 9,
1965 S. 246—257).

Pesch Rudolf: Die Vision des Stephanus Apg. 7, 55 f. im Rahmen
der Apostelgeschichte (Bibel und Leben 6, 1965 S. 92—107).

Des Places, E.: Actes 17,25 (Bibl 46, 1965 S. 219—222).

Quinn, Jerome D.: Notes on the Text of the P72l Pt 2,3; 5,14; and
5,9 (CBQ XXVII, 1965 S. 241-249).

Schreiner, Joseph: Persönliche Entscheidung vor Gott nach biblischem
Zeugnis (Bibel und Leben 6, 1965 S. 107—121).

St. Lyonnet: Le Nouveau Testament ä la lumiere de l'Ancien.
Apropos de Rom 8,2—4 (Nouvelle Revue Thcologique 97, 1965
S. 516—587).

KIRCHENGESCHICHTE: ALLGEMEINES

K r i m m, Herbert [Hrsg.]: Quellen zur Geschichte der Diakonie. I.

Altertum und Mittelalter. II. Reformation und Neuzeit. Stuttgart:
Evang. Verlagswerk o. J. 169 S. u. 534 S. 8°.

Im Vorwort zum 1. Band erörtert der Herausgeber seine
Auswahlprinzipien, nach denen er das umfängliche Gesamtwerk
gestaltet hat. Bewußt will er 6ich von Martin Hennig unterscheiden
, der 1912 ein erstes Quellenwerk zur Geschichte der
Inneren Mission zusammenstellte. Krimm will nicht mehr so sehr
auf die Wirksamkeit einzelner begnadeter Persönlichkeiten und
auf den Nachweis einer aktiven Gesinnung den Akzent legen.
Zumindestens soll dieses Sammlungsprinzip durch eine stärkere
Betonung der Geschichte des diakonischen Amtes und seiner
Verankerung in den bestehenden Ordnungen eine Ausweitung
erfahren. Darin spiegelt sich die neue Wandlung auch theologischer
Grundauffassungen wider. Daß sich dadurch das Blickfeld
erweitert und die wirkliche Geschichte der Diakonie umfassender
dargestellt wird, ist augenscheinlich.

Wer hier die nach langer Vorarbeit der Sammlung und Sichtung
zusammengestellten Quellen durcharbeitet, empfängt Einblicke
in eine nicht unwesentliche Seite der Kirchengeschichte im
Altertum und im Mittelalter. Die Richtlinien über das diakonische
Amt in den ersten Jahrhunderten, die Armenordnungen des
Mittelalters und die Verkündigung der Kirchenväter, wie sie über
Opfer und Besitz dachten, belegen den Satz des Herausgebers,
daß die Diakonia als ein neben Liturgia und Martyria eigenständiges
Zeugnis im kirchlichen Altertum und im Mittelalter
immer vorhanden war.

Die beigefügten Verzeichnisse der Quellen in zeitlicher
Reihenfolge und nach inhaltlichen Gesichtspunkten stellen eine
ausgezeichnete Arbeitshilfe dar.

Natürlich bleiben bei jeder Auswahl einige Wünsche offen.
Bei einer Neuauflage würde sich empfehlen, auch Quellen zum
Diakonissenamt in der griechisch-orthodoxen Kirche, das sidi
bekanntlich bis zum Ende der byzantinischen Zeit erhielt, beizufügen
. Die liturgischen Ordnungen der Diakonissenweihe, die
kanonische Stellung der ordinierten Diakonissen innerhalb der
griechisch-orthodoxen Kirche, die zugewiesenen Arbeitsgebiete
etc. interessieren uns.

Bei der Quellenauswahl zum Mittelalter vermissen wir die
Namen von Franziskus von Assisi und von Elisabeth von Thüringen
ungern. Beide Gestalten bedeuten bei der Formung der Diakonie
im Mittelalter sehr viel.

Da der 1. Band relativ schmal ist, ließe sich eine Erweiterung
bzw. Ergänzung der Quellen nach dieser oder auch nach anderer
Richtung gewiß ermöglichen. Jedenfalls ist ein Quellenband entstanden
, mit dem man gut arbeiten kann.

Der zweite Band umfaßt 5 34 Seiten. Hier bildet das Quellenwerk
von Martin Hennig, das bekanntlich mit der Reformationszeit
einsetzt, den Ausgangspunkt. Es war eine nur zu begrüßende
Entscheidung Krimms, daß er nur einen Bruchteil der von Hennig
gesammelten Quellenstücke verwendete. Die Quellen über Ereignisse
und Gründungen mit ausgesprochener missionarischer
bzw. evangelistischer Zielsetzung sind nicht mehr aufgenommen
worden. Sie bildeten bei Hennig einen nicht unwesentlichen Teil,
so wenig sie ein wirkliches und überzeugendes Gesamtbild der
evangelistischen Impulse und Veranstaltungen boten.

Dafür sind Texte gesucht worden, die die Geschichte der Diakonie
nach ihrer institutionellen Entwicklung hin verdeutlichen. Man wird
diese Trennung aus praktischen Gründen durchaus bejahen können.
Denn auf diese Weise ist für eine Reihe unentbehrlicher Quellen Raum
gewonnen worden, die bisher schwer greilbar waren.

Etwas anderes freilich ist die theoretische Begründung, die Krimm
im Vorwort für diese Trennung von Diakonie und Mission (gemeint ist
Volksmission) vorlegt. Unter Mission versteht der Herausgeber also
Volksmission und Evangclisation im ursprünglidien Sinn, wie sie von
Widiern auf dem Kirchentag 1848 proklamiert worden sind. Nach Krimm
kann „die In-eins-Schau von Mission und Diakonie, wie sie Wichern
und andern noch ohne weiters möglich war, heute nur noch naiv
wirken". „Der Diakonie geht es primär um die Änderung von Zuständen
, der Mission vor allem um die Änderung von Gesinnungen."