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1965

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 11

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reicht, daß die unterschiedlichen Einzelarbeiten insgesamt zugleich
einen doch recht umfassenden Einblick in die gegenwärtig auf
dem Gebiete der alttestamentlichen Prophetie von der Forschung
vorrangig behandelten Probleme geben.

Dazu trägt besonders der Aufsatz von N. W. Porteous („Actua-
lization and the Prophetie Criticism of the Cult", S. 93—105) bei, der
eine Reihe von Fragen zum Thema .Vergegenwärtigung' an Hand
neuerer Publikationen erörtert. P. geht aus von der Untrennbarkeit
der Erwählungs- (Exodus) und Bundes- (Sinai) Traditionen, deren
immer wieder erneut zu vollziehende Vergegenwärtigung — gerade
nach prophetischer Auffassung — alle Lebensbereiche des Bundesvolkes,
nicht nur einen engeren kultischen Bezirk, umfassen soll. — Speziell mit
der prophetischen Kritik am Kult beschäftigt sich der Beitrag von
E. Würthwein („Kultpolemik oder Kultbescheid? Beobachtungen zum
Thema Prophetie und Kult", S. 115—31). W. versucht, für die kultkritischen
Äußerungen der Propheten eine bestimmte Gattung, den
,,Prophetischen Kultbescheid" herauszuarbeiten. Dabei soll es nicht
„um grundsätzliche Ablehnungen kultischer Handlungen" gehen, „sondern
um eine in kultische Formen gekleidete Absage an bestimmte
Menschen". (Arnos 5,25 wird leider nicht genügend ausgewertet; Hos.
3,4; Mi. 6, 6 ff.; Ps. 50, 7 ff. werden überhaupt nicht erwähnt.) — Die
Grundlagen des prophetischen Offenbarungsempfanges sind Gegenstand
der Untersuchung von O. Kaiser („Wort des Propheten und Wort
Gottes", S. 75—92). Der Verf. vertritt die Auffassung, daß die prophetischen
Äußerungen einerseits durdi die Tradition, andererseits
durch die jeweilige Situation bestimmt sind. Die Verbindung mit den
Glaubenstraditionen des Volkes, mit dem Gottesrecht des Jahwebundes
, mit den Vorgängen der großen Kultfeste (m. E. von K. überschätzt
) ist so eng, daß sich die Frage erhebt, ob die Propheten ebenso
wie der moderne Prediger nicht einfach überhaupt nur aus der Tradition
schöpfen. „Lediglich die Antwortfindung scheint sich auf einer anderen
als der uns vertrauten Bewußtseinsschid« vollzogen zu haben" (S. 83 f.).
Den Versuch einer Lösung des Problems durch die Annahme außergewöhnlicher
psychologischer Phänomene lehnt K. aber ab. Im Gewissen
wird der Ort gesehen, wo sich beim alttestamentlichen Propheten
wie bei seinen Hörern das „Offenbarwerden der Wirklichkeit
Gottes" ereignet (S. 87). In diesem Sinne ist auch für den Christen
das Wort der Propheten Wort Gottes. — H. W. Hertzberg erörtert die
Frage „Sind die Propheten Fürbitter?" (S. 63—84) und kommt zu dem
Ergebnis, daß es sich um kein spezifisch prophetisches Amt handelt.
Alle Gottesmänner sind Fürbitter. — H. Ringgren führt „Einige Schilderungen
des göttlichen Zorns" vor (S. 107—19). Es handelt sich um
Texte, die den Zorn Jahwes auf Israels Feinde beziehen (u. a. Jes.
30,27—33; 13, 3 ff.; 34,1 ff.; Nah. 1,2 ff.). R. führt diese Texte auf
den Vorstellungskreis des „Bundesfestes" zurück. Auf Züge des Sturmund
Gewittergottes wird hingewiesen.

Mit exegetischen Einzelfragen befassen sich die Beiträge von
W. Eichrodt, K. Galling, W. Zimmerli und K. Elliger: „Das prophetische
Wächtcramt" nach Hes. 3 3 ist Gegenstand der Untersuchung von
W. Eichrodt in Auseinandersetzung mit G. Fohrer und besonders mit
H. Graf Reventlow (S. 31—41). E. wendet sich mit treffenden Argumenten
gegen das Verständnis der Wächterfunktion des Propheten als
Wahrnehmung eines sakralrechtlichen Amtes. Es geht vielmehr um den
individuellen „prophetischen Zuspruch" in der besonderen Situation der
exilischen Gemeinde. — K. Galling ( „Jesaja 21 im Lichte der neuen
Nabonidtexte", S. 49—62) findet in den geschichtlichen Nachrichten
der neuen Nabonidtexte Anhaltspunkte für die Ansetzung der drei
Orakel von Jes. 21 in die Zeit zwischen 546 und 539 v. Chr. Das
zweite und dritte Orakel werden mit einleuchtenden Gründen auf die
Situation in den nordarabischen Oasenorten nach Nabonids Abgang
bezogen. (Sehr beachtenswert ist die Konjektur zu Vers 5 a auf S. 57:
1 pfoan 7p? statt ... }nbl$n Tpr ). — W. Zimmerli („Der Wahrheitserweis
Jahwes nach der Botschaft der beiden Exilspropheten", S. 133
—51) geht aus von dem für die Exilszeit bezeugten Gedanken einer bekenntnismäßigen
Zuwendung von Volksfremden zu Jahwe (vgl. Jes.
44, 1—5; 56,1—6; Sach. 8,20). Die Veranlassung für diese Hinwendung
der Völkerwelt zur Jahwereligion sieht Z. in der „Erkenntnis"
Jahwes, von der gerade bei den beiden Exilspropheten Hesekiel und
Deuterojesaja in besonderem Umfange die Rede ist. Das zeigt sich vor
allem in der sehr häufigen Anwendung der Gattung des „Erweiswortes"
mit der abschließenden „Erkenntnisformel": „Und sie sollen erkennen,
daß ich Jahwe bin". Es geht dabei um die „Wahrheit" des Gotteswortes
, das mit den geschichtlichen Ereignissen verbunden ist, es geht
um Jahwes Präsenz in der Geschichte. Bei Hesekiel fehlen jedoch
„nähere Ausführungen über das Eindringen der Erkenntnis Jahwes in
die Völkerwelt" (S. 143). Deuterojesaja dagegen wendet sich in seinen
Erweisworten an die gesamte Völkerwelt. Besonders deutlich wird diese
Ausdehnung der Erkenntnis Jahwes in der Auseinandersetzung mit den
in der Geschichte ohnmächtigen fremden Göttern, die Jahwe, der
„Wahrheit", gegenüber nur „Lüge" sein können.

Außerhalb des Generalthemas liegt die erste und umfangreichste

Abhandlung, die W. Beyerlin beigesteuert hat („Gattung und Herkunft
des Rahmens im Richterbuch", S. 1—29). B. kommt nach scharfsinnigen,
manchmal freilich etwas spitzfindigen Erörterungen zu dem Ergebnis'
daß der sogenannte deuteronomistische Rahmen des Richterbuches
keineswegs einheitlich ist. Zugrunde liegt ein Rahmenwerk zwischen
Jud. 3,7 und 11,33b, das von B. auf die alte Gattung des „Bundes-
buch-rib" (Dt. 32, 1—43) zurückgeführt wird. Sprachlich gehört es in
die vordeuteronomische Königszeit. Speziell die etwas später in diesen
Rahmen eingefügten „rib-Worte" von Jud. 10, IIb—14 und 6, 8b—10
sollen ihren Ursprung „in den Büß- und Fastenfeiern der vorstaatlichen
Jahweamphiktyonie" haben (S. 2 8). Die Einleitung zum Richterbuch
(2, 11—19) ist dagegen jünger und setzt das ältere Rahmenwerk voraus.
Sie trägt eindeutig deuteronomistischen Charakter und soll eine
„Vorausschau" der folgenden Richterüberlieferungen geben und zugleich
gemeinsam mit dem verwandten Stück Jud. 2,6—10 die Verbindung
zu den Hexateuchüberlieferungen schlagen.

Es bleibt noch zu erwähnen, daß Herausgeber und Verlag
auch für eine angemessene Ausstattung dieser interessanten und
die Diskussion fördernden Festgabe gesorgt haben. Ein Bild des
Jubilars eröffnet den Band, den eine „Bibliographie Artur Weiser
", zusammengestellt von K.-D. Marxmeier und E. Sehmsdorf
(S. 15 3-56), beschließt.

Rostock Karl-Heinz Bernhardt

Bohren, Rudolf: Einführung in das Studium der Theologie als Problem
der Seelsorge und der Enzyklopädie (Verkündigung und Forschung
1960/62, S. 149—164).

Dederen, R: Eugene Michaud et la Revue Internationale de Theologie
(IKZ 25, 1965 S. 34—45).

Harms, Christian: Leiden an der Kirche (DtPfrBl 65, 1965 S. 381—
385).

Jacob, Günter: Exodus in die Welt von morgen (ZdZ 19, 1965
S. 242—249).

Pietz, Reinhold: Ein Christ und Theologe der „Gemeinschaft".
Zum Gedenken an Johannes Kühne [1885—1963] (ZdZ 19, 1965
S. 21—28).

RELIGIONSWISSENSCHAFT

Duchcsnc-Guillcmin, Jacques, Prof. : La religion de l'Iran
ancien. Paris: Presses Universitaires de France 1962. 411 S. m. 1 Kte.
8° = „Mana". Introduction ä l'histoire des religions, 1: Les an-
ciennes religions oricntales, III. N. F. 20.—.

Nachdem seit H. S. Nybergs berühmtem Buch über die Religionen
(!) des alten Iran (schwed. 1937, dt. 1938) keine ähnliche
Synthese auf dem Gebiet der iranischen Religionsgeschichte erschienen
ist, sind in jüngter Zeit kurz hintereinander fünf solcher
Darstellungen herausgekommen — ein Anzeichen dafür
offenbar, daß man die Zeit wieder für gekommen hält, Zusammenfassungen
zu wagen (A. Bausani 1959, R. C. Zaehner 1961,
Duchesne-Guillemin 1962, M.Mole 1963, G. Widengren 1965).
Diese Werke spiegeln die oft sehr unterschiedlichen Ansichten
über eines der problemreichsten Gebiete der orientalischen Religionsgeschichte
6ehr gut wider; besonders die Arbeit von M.
Mole ist geradezu als revolutionär zu bezeichnen1, während Zaehner
einen traditionell-konservativen Standpunkt einnimmt und
Widengren die Position seines Lehrers Nyberg verteidigt. Es ist
daher begrüßenswert, wenn der bekannte belgische Iranist aus
Liege (Lüttich), J. Duchesne-Guillemin, einen zuverlässigen Führer
für diesen Bereich verfaßt hat, der sich durch eine gediegene
Qellenkenntnis und einen flüssigen Stil auszeichnet. Natürlich
ist der Autor, wie es ja nicht anders möglch ist, einer besonderen
Schule bzw. Forschungsrichtung verpflichtet, der von G. Dumezil
(vgl. S. 397 f.), und neigt eher der „ecole vedisante" als der
„ecole pehlevisante" zu (s. S. 52, 391), aber — und das ist das
Schätzenswerte an diesem Buch — er wahrt eine gesunde Mitte
und Vorsicht im Urteil. Weiterhin iöt das Buch dadurch ausgezeichnet
, daß es die Quellen in möglichster Vollständigkeit (ein-

') Culte, Mythe et Cosmologie dans l'Iran ancien, Paris 1963
( Ann. Musee Guimet, B. E. 69 ), 597 S. Vgl. dazu bereits Duchesne-
Guillemin, Rituel et eschatologie dans Je Mazdeisme: Structure et Evolution
, in NUMEN VIII, 1961, S. 46—50 (mit: Mole, Reponse ä M.
Duchesne-Guillemin, ib. S. 51—63); auch im anzuzeigenden Buch geht
D.-G. wiederholt kurz darauf ein (S. 34 A. 1; 99; 141 f.; 169f.; 398 f.).