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1965

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 10

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die Probleme. Und wohl jedes der aufgeworfenen Probleme ist
auch in anderen, näher oder ferner liegenden, Zusammenhangen
und unter anderen Etiketten verhandelbar und z. T. verhandelt
worden (und man vermißt manchmal den Vergleich mit ganz
naheliegenden analogen Bemühungen). Bloß die Architektonik
eines Rahmens, kein einheitliches Problem hält alles zusammen.
Dieser Rahmen für sich bleibt formal, fast schematisch; er ist
kein eigentliches Prinzip und schon gar kein Schlüssel für
wirkliche Problemlösungen. Daß — z. B. — feststellende und bewegende
Sprachform illegitim vermischt sind (beim orthodoxen
Verständnis der Wunder oder bei zu massiver Geschichtstheologie
), kann gewiß vieles verständlicher machen, ist aber doch
keine eigentliche Lösung der angeführten Probleme. Eine solche
kann nur in der jeweiligen Sachmaterie selbst, im Inhaltlichen,
gesucht werden, aber nicht in einem allgemeinen Prinzip, wie
theologische Rede ihrer .Eigenart' nach sein soll. Die theologischen
Grundprobleme, wie sie am Wunder und am Problem
einer Geschichtstheologie aufbrechen, sind nicht einfach methodologische
. Sie können von methodologischen Mißverständnissen
her zwar verstanden, aber nicht auf solche zurückgeführt und
von solchen her — den anderen überzeugend und nicht nur verstehend
— gelöst werden.

Freilich, das Grundsätzliche und Methodische ist nun einmal
Thema der Arbeit; und der Wert dessen soll nicht bestritten
werden, zumal man damit dem Trend der heutigen Diskussion
folgt (Hermeneutik, Sprachanalyse). Aber es muß doch immer
wieder ausgesprochen werden, daß die erste Frage die ist: ob
etwas und was nun eigentlich (in diesem und jenem konkreten
Zusammenhang) wahr ist, und nicht die, inwiefern
und in welcher für die Theologie exzeptionellen Weise
das Wahrsein dieses Wahren (prinzipiell) zu verstehen sei (womit
man alles Traditionelle rechtfertigen, aber auch alles streichen
kann).

Diese Bedenken sollen jedoch nicht die Feststellung beeinträchtigen
, daß die Arbeit von Röhricht wertvolle Anregungen
gibt und in jedem ihrer wohlgegliederten Abschnitte von Reife
und Können zeugt.

Berlin Hans-Georg F r i t z s c h e

Kinder, Ernst: Zur Lehre vom Heiligen Geist nach den lutherischen

Bekenntnisschriften.
Per eis, Otto: XAPIEMA im Neuen Testament.
Metzger, Wolfgang: Die Pfingstbewegung als Frage an die Kirche.

Zur Lehre vom Heiligen Geist.
Reinhardt, Paul: Bericht über die 17. Tagung des theologischen

Konvents Augsburgischen Bekenntnisses vom 26./28. März 1962 in

Berlin.

Berlin-Hamburg: Luth. Vcrlagshaus 1964. 94 S. 8° = Fuldaer Hefte.

Sdiriften d. theologischen Konvents Augsburgischen Bekenntnisses,

hrsg. v. F. Hübner, 15. Kart. DM 9.80.

Der erste Beitrag von Ernst Kinder bedarf einer Ergänzung
im Titel. Denn es soll nicht eine einfache Bestandsaufnahme
dessen gegeben werden, was die luther. Bekenntnisschriften über
den Heiligen Geist lehren. Vielmehr, so sagt Kinder, „sollen
hier aus der Lehre der luth. Bekenntnisschriften vom Heiligen
Geist vor allem diejenigen Punkte herausgegriffen und entsprechend
akzentuiert werden, die nach meiner Einsicht für das
kontroverstheologische Gespräch von besonderer Bedeutung
sind" (S. 7). Insofern also erlangt dieser Beitrag ein besonderes
Interesse, als er uns auf die Unterschiedlichkeit Teformatorischen
und katholischen Denkens aufmerksam macht. Ist etwa die Geistmitteilung
für den reformatorischen Denker an Wort und Sakrament
gebunden, so geht das katholische Denken darüber hinaus
und läßt die kirchliche Institution als solche, etwa auch das
bischöfliche Amt zum Vermittler des Heiligen Geistes werden
(S. 19 u. 24). Man könnte diese von Kinder weiter ausgeführte
Erkenntnis auch so formulieren: Das Wirken des Heiligen Geistes
ist nach reformatorischer Auffassung immer ein personales Geschehen
(S. 36), hingegen ist es nach katholischer Ansicht auch
ein institutionelles Ereignis.

Der zweite Beitrag von Otto P e r e 1 s bringt uns eine
Bestandsaufnahme über den vielschichtigen und vielseitigen Gebrauch
des Wortes Charisma im neutestamentlichen Schrifttum.
Charisma wird ausgewiesen als Ausdruck des „eschatologischen
Christusgeschehens" (S. 42). „Charismata haben zugleich Anteil
an dem Noch-Nicht und an dem Schon der Zwischensituation der
Gemeinde. Kein Glied der Gemeinde hat alle Charismata in
Fülle. Keines ermangelt jeden Charismas" (S. 42). Auch das Verhältnis
von Charisma und Amt wird in zutreffender Weise
formuliert (S. 44).

Der dritte Beitrag von Wolfgang Metzger geht von der
aktuellen Frage aus, ob sich die ökumenische Bewegung offen
halten sollte für eine Aufnahme der Pfingstbewegung (S. 47 f.).
Diese Frage setzt eine sachliche, fundierte Darstellung und Kritik
der Pfingstbewegung voraus und hat sich von jeder oberflächlichen
„pauschalen Ablehnung" zu distanzieren. Dieser Aufgabe
unterzieht sich Metzger in sehr sorgfältig abwägender Beurteilung
. Er stellt uns die Entgleisungen und theologischen Abwege
sowohl als auch die berechtigten Anliegen dieser Bewegung
vor. An besonderem Interesse gewinnt diese Darstellung Metzgers
durch seine offenen Fragen, die er an die reformatorisch Theologie
zu stellen hat. E6 geht ja nicht nur um die Rechtfertigung
sondern auch um die Gcrechtmachung und schließlich um die
neue geistgewirkte Existenz des Christen. „Aber diese Einsicht,
daß der geistgewirkte Glaube eine neue Lebendigkeit schafft,
bleibt letzte Randaussage" (innerhalb der Rechtfertigungstheologie
) S. 66. — Ist also die Bezeugung und Bekundung des Heiligen
Geistes bislang im reformatorischen Denkansatz zu kurz
gekommen? Haben die Reformatoren wirklich das, was vom
Heiligen Geist zu sagen war, „in die Struktur ihrer Theologie
eingebaut"? (S. 69). Damit hat Metzger dieselbe Thematik erreicht
, die ich bereits einmal in diesen Blättern aufgewiesen
habe"1.Metzger fragt: „Sind wir verriegelt gegen den Heiligen
Geist? Haben wir Angst vor seiner Dynamik?" (S. 81). — Indem
uns also eine Selbstkritik dringend anempfohlen wird, wird uns
auch die Frage nahegebracht, was durch unsere Versäumnis dazu
beigetragen wurde, daß sich eine Pfingstbewegung bilden konnte.
Wir haben einen äußerst beachtlichen Beitrag vorliegen sowohl
zum Verständnis der Pfingstbewegung als auch zur Besinnung
auf unsere eigenen Versäumnisse. —

Paul Reinhardt bringt als letzten Beitrag einen Bericht
über die 17. Tagung des Theol. Konventes Augsburgischen Bekenntnisses
. Hier stand als Thema auf der Tagesordnung: „Die
Gaben des Heiligen Geistes". Auf dieser Tagung hatten Otto
Pereis und Wolfgang Metzger zu den bereits oben besprochenen
Themen das Wort ergriffen. Reinhardt fügt noch einen kurzen
Bericht über den Gang der Ausprache zu diesen Themen an, der
uns zeigt, wie ausführlich und weitschichtig diese Themen diskutiert
wurden. —

Es kann aufs Ganze gesehen nur begrüßt werden, wenn im
Bereich von Kirche und Theologie das Thema des Heiligen
Geistes auf der Tagesordnung bleibt und wenn damit endlich
auch die Ausarbeitung und Darstellung des dritten Artikels als
ein selbständiger Funktionsbereich des Geistes zum Zuge gebracht
wird. Das befruchtet nicht nur unser kontraverstheologi-
sches Gespräch mit der katholischen Theologie, wie Kinder richtig
dartut, sondern auch unsere Selbstbesinnung und Selbstkritik angesichts
der Geistbcwesrungen außerhalb der Kirche, wie Metzger
sehr zutreffend dargelegt hat.

Berlin Otto A.D i 1 s eh n e i d e r

') O. Dilschneider, Die Geistvergessenheit der Theologie, Theo!.
Lit. Ztg. 1961 Nr. 4 Sp. 25 5—266.

Antweiler, Anton: Ist Glaube ein Vorurteil? (ThQ 145, 1965
S. 129—187).

Bourassa, Francois: La Redemption par le merite du Christ

(Sciences Ecclesiastiques VIII, 1965 S. 201—229).
B r e u n i n g, Wilhelm: Die Eucharistie in Dogma und Kerygma

(TThZ 74, 1965 S. 129—150).
D a n 11 n e, W.: Creation and Redemption: Attempt at a Thcological

Interpretation in the Light of the Contemporary Unterstanding of

the World (Scottish Journal of Theology 18, 1965 S. 129—147).