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Ausgabe:

1965

Spalte:

759-761

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Lüders, Anneliese

Titel/Untertitel:

Die Kreuzzüge im Urteil syrischer und armenischer Quellen 1965

Rezensent:

Haendler, Gert

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 10

760

M a r a, Maria Grazia: Osservazioni sull' „Ad Diognetum" (SMSR 3 5,
1964 S. 267—279).

Nielsen, Charles Merrit: Polycarp, Paul and the Scriptures (AThR
47, 1965 S. 199—216).

O e y e n, Christian: Eine frühchristliche Engelpneumatologie bei
Klemens von Alexandrien (IKZ 65, 1965 S. 102—120).

R o r d o r f, W.: Der Sonntag als Gottesdienst- und Ruhetag im ältesten
Christentum (ZEE 7, 1963 S. 213—224).

V ö ö b u s, Arthur: Abraham De-Bet Rabban and His Röle in the
Hermeneutic Traditions of the School of Nisibis (Harvard Theologi-
cal Review 58, 1965 S. 203—214).

KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

L ü d e r s, Anneliese: Die Kreuzzüge im Urteil syrischer und armenischer
Quellen. Berlin: Akademie-Verlag 1964. VIII, 123 S., 1 Kte.,
11 Stammtaf. gr. 8° = Deutsche Akademie d. Wissenschaften zu
Berlin, Inst. f. griechisch-römische Altertumskunde, Berliner Byzan-
tinistische Arbeiten, 29. Kart. MDN 42.50.

Die hier neu erschlossenen Quellen zur Geschichte der Kreuzzüge
sind von Christen geschrieben; die Arbeit beginnt daher
mit einem Überblick über die moreenländischen Nationalkirchen
(S. 1—5). Das anschließende Kapitel über die Quellen
(S. 5—21) darf als das grundlegende angesehen werden. An erster
Stelle wird die Chronik des Patriarchen Michael I. von Antiochien
genannt, der von 1166—99 amtierte. Als Leiter der jakobitischen
Kirche übersah er ein weites Gebiet, 1172 schlugen Verständigungsversuche
mit Byzanz fehl. 1178 wurde er vom Papst zum
3. Laterankonzil eingeladen. Michaels Chronik führt bis zum
Jahre 1195; der geistige Standort Michaels wird folgendermaßen
charakterisiert: „Wenn es ein Urteil aus Michaels Mund gibt, so
ist es die Entscheidung über gut und böse, eine moralische Wertung
, aber keine Klärung der Kausalzusammenhänge des historischen
Geschehens" (S. 11). Als 2. Historiker wird uns vorgestellt
Gregorius, genannt Bar Hebräus, der von 1264—86 sein
Amt als Maphrian versah, d. h. die nächst dem Patriarchen höchste
Stelle in der jakobitischen Kirche. Sein Hauptwerk ist das Chro-
nikon Syriacum, das verschiedene Quellen verarbeitet, darunter
die Chronik Michaels, aber auch mohamedanische Quellen (S. 14).
Die bei Michael konstatierte theologisch-moralische Geschichtsschreibung
„ist einer wesentlich kühleren, distanzierteren Haltung
bei Bar Hebräus gewichen, der das Handeln der Menschen
als solches objektiver und ohne Beziehung zu Gott zu sehen
imstande ist" (S. 15). Bs gibt auch eine Darstellung desselben
Verfassers in arabischer Sprache, das der Mentalität der mohame-
danischen Leser in erstaunlichem Maße entgegen kommt (S. 16).
Als 3. Zeuge wird Mattheus von Edesßa genannt, ein Armenier,
der Superior eines Klosters war; seine Chronik reicht bis 1136,
wahrscheinlich ist Mattheus beim Fall Edessas 1144 umgekommen
. „Die Lage Armeniens als Gebiet christlichen Bekenntnisses
in muslimischer Umgebung und seine Zerrissenheit als
Staatsgebilde machen die unverhohlen freudige Erwartung des
Mattheus von Edessa verständlich, mit der dieser der Ankunft
der . . . Kreuzfahrer entgegensah." (S. 19). Freilich wurde die
Hoffnung der Armenier schwer enttäuscht; Mattheus fällt
„schließlich das vernichtende Urteil, daß die Franken, anstatt die
Gläubigen zu erretten, deren Untergang erst verursacht hätten"
(S. 19).

Das Kapitel „Die Ursachen der Kreuzzüge" (S. 21—31) bestätigt
die Differenzierung der Quellen. Die syrischen Quellen
zeigen recht unvollkommene Vorstellungen, der Armenier ist
genauer informiert. Einig sind alle drei Geschichtsschreiber in
ihrer Feindschaft gegen Byzanz. Das Kapitel „Der Charakter der
Kriegführung der Franken" (S. 31—49) hebt die persönliche
Tapferkeit und die Habgier der Kreuzfahrer hervor. Es ergibt
sich „das Bild einer beschränkt-selbstsicheren Haltung, welche
die natürlichen Voraussetzungen, falls sie sie überhaupt im richtigen
Schwierigkeitsgrad einzutaxieren in der Lage war, ignorieren
zu können glaubte" (S. 40). Unter der Überschrift „Die
Rolle des Menschen in den fränkischen Staaten" (S. 50—57)
werden 2- bis 6-stellige Zahlen kritisch geprüft. Mehrere Beispiele
zeigen, daß aus der Nachfolgefrage oft große Schwierigkeiten
entstanden (S. 56). Eine Fülle von Einzelheiten hat die

Verfasserin zusammengetragen in dem Kapitel „Urteile über
abendländische und syrische Franken" (S. 57—66). Das ausführliche
Register (Eigennamen auf Seite 104—15, zweispaltig!) erleichtert
die Benutzung. Reiches Material bietet auch der Abschnitt
„Die Stellung der Franken zur jakobitischen Kirche und
deren Urteil über das geistliche Leben der Franken" (S. 66—72).
Von einer Plünderung 1148 abgesehen, ist es zu keiner Ausschreitung
der Kreuzfahrer gegen jakobitische Christen gekommen
. Interessant ist ein längeres Quellenzitat zur Frage
der Rechtgläubigkeit der Franken. Die monophysitischen Jako-
biten stellen die Franken mit den Byzantinern in eine Reihe, da
auch diese der Zweinaturenlehre anhingen; zugleich betonen sie
aber auch die Unterschiede zwischen Griechen und Franken.
Wörtlich heißt es, daß die Franken „niemals eine Schwierigkeit
hinsichtlich des Glaubens gekannt, noch nach einem einheitlichen
Bekenntnis aller Völker und Sprachen gestrebt hätten,
auch seien für sie alle die Christen, die das Kreuz anbeteten,
ohne Prüfung noch Untersuchung" (S. 68 nach der Chronik
Michaels). Die Verfasserin sieht darin „Verständnislosigkeit,
wenn nicht Geringschätzung"; es könnte aber wohl auch eine
entschuldigende Tendenz mit darin liegen. Wir hören, daß eingeborene
Jakobiten in Edessa zeitweilig ihre Kinder in fränkischen
Kirchen taufen ließen, weil ihr jakobitischer Patriarch die
Stadt mit dem Bann belegt hatte (S. 70). Das Kapitel „Das Verhältnis
der Franken zur staatlichen Umwelt" behandelt die Beziehungen
zu Byzanz (S. 73—78), zu Armenien (S. 78—86), zu
den Muslimen (S. 87—90) und zu den Mongolen (S. 90). „Die
Reaktion der vorderorientalischen Welt auf das Erscheinen der
Franken" (S. 90—99) kam erst allmählich zustande und erreichte
erst im 13. Jahrhundert ihren Höhepunkt. Das Ende der Kreuzfahrerstaaten
ist nicht nur militärisch, sondern auch moralisch
bedingt: „Aus den Kreuzrittern, die im Namen des Herrn die
heiligen Stätten aus den Händen der Ungläubigen befreien wollten
, waren Söldner in muslimischen Diensten geworden. Damit
sprachen sich die Franken ihr eigenes Urteil" (S. 99). Für das
abschließende Kapitel „Handel, Verkehr und bauliche Tätigkeit
der Franken" (S. 99—100) geben die Quellen kaum etwas her;
lediglich Bar Hebräus weist zuweilen auf Handelsbeziehungen
hin, eTwähnt Befestigungsbauten und den Wiederaufbau einiger
Städte auf Initiative Ludwigs IX. um 1250 (S. 100).

Unbefriedigend ist der Hinweis in der Anmerkung l,
neuere Literatur finde man bei St. Runciman; es ist doch fraglich
, ob alle Leser jenes 3-bändige Werk bequem zur Hand
haben. Zudem hätte ein Hinweis auf die Bibliographie zur Geschichte
der Kreuzzüge von H. E. Mayer (i960) nicht fehlen
dürfen. Sehr streng ist die Verfasserin von der Voraussetzung
ausgegangen, „daß der Leser Kenntnis besitzt sowohl von den
abendländischen Entwiddungslinien, die zur Entstehung der
Kreuzzüge führten, als auch von der Geschichte der fränkischen
Staaten in Syrien" (S. l); es wird tatsächlich keine einzige
abendländische Quelle zum Vergleich herangezogen. Problematisch
ist aber vor allem die Gliederung: Drei große Kapitel, die
jeweils für sich die 3 verschiedenen Quellen darstellen in der
historischen Abfolge Mattheus (bis 1136) - Michael (bis 1195) —
Bar Hebräus (bis 1280) wären doch instruktiver gewesen. Die
Zusammenziehung der zeitlich wie örtlich so verschiedenen
Quellen unter die genannten Kapitelüberschriften bringt eine
gewisse Uneinheitlichkeit mit sich. Zudem kann so die Chronik
Michaels nicht voll erfaßt werden; es wird ja überwiegend nach
dem äußeren Ablauf der Kreuzzüge gefragt, während Michael
sich gerade durch seine theologisch-moralische Deutung auszeichnet
. Andererseits wird man der Verfasserin zugestehen
müssen, daß sie sich mit guten Gründen streng auf ihre Quellen
beschränkt hat und daß auch das Ineinander jener 3 Quellen
einen gewissen Reiz hat. Die Fragestellungen der Verfasserin
sind wohl geeignet, jene unbekannten Quellen erst einmal aufzuschließen
. So haben wir der Verfasserin für ihre gründliche
Quellenarbeit viel zu danken. Auch dem Herausgeber der Reihe,
Johannes Irmscher, gebührt Dank, daß er diese Hamburger
Dissertation von 195 3 in Ostberlin zum Druck gebracht hat.
Hoffentlich kann seine in einem Geleitwort ausgesprochene Zu-