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Ausgabe:

1965

Spalte:

58-59

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Begründung und Gebrauch der heiligen Taufe 1965

Rezensent:

Brinkel, Karl

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 1

58

Stenz Gottes im Bekenntnis des Glaubens, München 1963). Seine
Argumente, die er vor allem in Abschnitt D positiv entwickelt,
haben meines Erachtens deshalb eine besondere Aktualität.

Die lutherische Unterscheidung von Gesetz und Evangelium
gibt Gloege aber nicht nur die Möglichkeit einer Anerkennung
von Bultmanns Ansatz, sondern sie dient ihm zugleich auch dafür
als „Schema", wie er selber — unter Hinweis auf die „Exi-
stentialien" und „Essentialien" Gottes (S. 99 ff.) — die Aufgabe
einer theologischen Interpretation gelöst wissen will. Seine Argumentationsweise
erweckt dabei fast den Eindruck eines Rechen-
exempels. Aus der Parallelisierung von Gesetz und Mythologie
kommt Gloege in Analogie zu seiner Gesetzeslehre zu folgenden
Aussagen über das Verhältnis von Mythologie und Kerygma:
..Das Kerygma ist das Ende der Mythologie. Das bedeutet:
1) Die Mythologie zielt auf das Kerygma. 2) Die Mythologie
wird durch das Kerygma aufgehoben. 3) Die Mythologie wird
vom Kerygma aufbewahrt" (S. 104). Ersetzt man in diesen
Sätzen die Begriffe Mythologie und Kerygma durch Gesetz
und Evangelium, dann ergeben sich daraus die Leitthesen der
Gloegeschen Lehre von Gesetz und Evangelium. In dem Satz:
..Christus ist das Ende des Gesetzes" ist nach Gloege dreierlei
beschlossen: das Gesetz zielt auf das Evangelium — das Gesetz
ist durch das Evangelium aufgehoben — und das Gesetz ist vom
Evangelium „aufgehoben" im Sinne von aufbewahrt (vgl.
S- 102 ff.).

Nun wirkt eine so kurze Skizzierung der Gedanken
Gloeges natürlich noch schematischer und konstruktiver als ihre
Darlegung in dieser Schrift selbst. Aber es bleibt der Eindruck
einer Beweisführung, bei der in zu selbstverständlicher Weise
Begriffe gegeneinander ausgetauscht werden. Gloege versucht
zwar unter Zuhilfenahme der Begriffe „Gegebenheit" und „Ereignis
" seinen Beweisgang zu veranschaulichen. Mit dem Hinweis
, daß das Gesetz als „Gegebenheit" ein „Vorhandenes" anzeigt
, führt er den Bultmannschen Begriff von Mythologie — „in
der Mythologie geht es um die Gesamtheit derjenigen Aussagen,
in denen das Umgebene als Gegebenheit. . . angesehen wird"
(S. 27) — als einen Faktor in seine „Gleichung" ein. Aber es erscheint
uns fraglich, ob die darauf aufbauende Beweisführung
auch von Bultmann aus gesehen ohne weiteres theologisch
schlüssig ist.

Gloege übt an Bultmann nicht nur sachliche, sondern auch
formale Kritik. Er wirft ihm Llnschärfc der Fragestellungen
(S. 48) und Unklarheit in seinen zentralen Begriffen vor (S. 50).
Das erschwert ihm die Auseinandersetzung. Aber kann sie dadurch
Zustandekommen, daß er nun seinerseits die Fragestellung
präzisiert und einen Begriff von Mythologie einführt, der möglicherweise
nach einer ganz anderen Richtung orientiert ist?
Wäre der Gegenvorwurf nicht denkbar, daß sein Mythologie-
Begriff das nicht mehr oder nur zu einem Teil deckt, was Bultmann
mit ihm im Sinn hat?

An dieser Stelle liegen für uns Fragen, die weiter bedacht
werden müssen. Einer Klärung bedarf auch der Gesetzesbegriff,
mit dem Gloege arbeitet. Es ergeben sich bei seiner Argumentationsweise
überraschende und interessante Perspektiven, und er
kommt in der Zusammenfassung (S. 158) zu Schlußfolgerungen,
die stärkste Beachtung verdienen. Aber es bleibt uns eine Frage, ob
sich die verschiedenen Begriffe, mit denen Gloege seinen „Dreisatz
" variiert, in der offenbar von ihm erhofften Weise gegenseitig
interpretieren und erhellen. Das gilt von dem Begriff
Mythologie, der mit verschiedenen Begriffen in Parallele gesetzt
wird, die ihm nicht so selbstverständlich entsprechen. Die systematische
Kraft der Gedankenführung ist imponierend. Gloege
arbeitet mit der gleichen „Dialektik" (S. 118) außer bei der Verhältnisbestimmung
von Gesetz und Evangelium und den schon
genannten Gegensatzpaaren Mythologie/Kerygma und Gegebenheit
/Ereignis auch mit denen von Objektivität/Aktualität, Lehre/
Verkündigung, Apokalyptik/Eschatologie (vgl. S. 109 ff.) und
Buchstabe/Geist (S. 134). Gloege sagt meines Erachtens zu allen
angeschnittenen Fragen in großer Kürze sehr Wesentliches. Insofern
regt dieses Buch in vieler Hinsicht zum Mitdenken und
Weiterdenken an. Ob sich allerdings das von Bultmann aufgeworfene
Problem in dieser ..Dialektik" letztlich so „einfach"

lösen läßt, das bleibt vielleicht manchem Leser am Ende doch
fraglich.

Neuendettelsau Wilhelm A n d e rse n

Pereis, Otto: Begründung und Gebrauch der heiligen Taufe. Aus

der Arbeit einer Studientagung. Unter Mitwirkung v. G. Härder,
R. Hermann f u. A. Strobel hrsg. Berlin-Hamburg: Luth. Verlagshaus
1963. 124 S. gr. 8°. DM 9.80.

In diesem Band sind fünf Vorträge zusammengefaßt, die im
Oktober 1961 vor den Lutherischen Arbeitsgemeinschaften in
Berlin-Brandenburg bei einer Studientagung über die Kinder-
taufe gehalten worden sind und die zu der Frage nach dem
Recht der Kindertaufc positiv Stellung nehmen. Der erste,
längste und auch gewichtigste Beitrag ist der von August Strobel
über die „Säuglings- und Kindertaufe in der ältesten Kirche".
In kritischer Auseinandersetzung mit den Standpunkten von J.
Jeremias und K. Aland sucht Strobel eine eigene Lösung des
Themas darzubieten. An Jeremias bemängelt Strobel, daß er sein
sehr kompliziertes Bild von der Kindertaufe in der Urkirche
konstruiert habe, ohne vorher die Äußerungen der Kirchenväter
des 3. Jhdts. zur Kinder- und Säuglingstaufe abgehört zu
haben. Bei ihrer Interpretation, die in ständiger Auseinandersetzung
mit Aland und Jeremias geschieht, kommt Strobel zu
dem Ergebnis, daß die Geschichte der Säuglingstaufe bereits im

2. Jhdt. begonnen habe und daß die Kindertaufe noch höheren
Alters sein dürfte. Im weiteren setzt sich Strobel mit Alands
Behauptung auseinander, daß die seit der Urkirche herrschende
Auffassung von der Sündlosigkeit der Kinder zu Beginn des

3. Jhdts durch die Lehre von der adamitischen Sündhaftigkeit
auch des Säuglings abgelöst worden ist und so ein entscheidendes
Motiv zum Aufkommen der Säuglingstaufe in dieser Zeit
wurde. Auf Grund von Interpretation verschiedener Texte des
2. Jhdts. kommt Strobel zu dem Ergebnis, daß in bezug auf die
Kinder „seit apostolischer Zeit mit einem in sich ungeklärten,
doppelten Sündenbegriff agiert wurde", mit einem engen theologischen
und einem weiten ethisch-faktischen. Die theologisch
gültige Heilsbedürftigkeit der Kinder unterstützt Strobels Hypothese
von den Anfängen der Säuglings- und von der Kindertaufe
, zumal über das Taufalter bei der Taufe damals nicht reflektiert
wurde. Für die neutestamentliche Zeit tragen mit Aland
die Oikosformeln für die Frage der Kindertaufe nichts aus.
Aber die sog. „Haustafeln", die ihren Sitz im Leben in der ständisch
gegliederten Unterweisung der Gemeinde haben, bezeugen
die Anwesenheit der Kinder im Gottesdienst. Auf dem Hintergrund
dieses Erziehungsprinzips war auch in apostolischer Zeit
die Kindertaufe immer möglich. Für das Aufkommen der Säug-
lingstaufc ist nichts Genaues auszumachen. Mögliche Faktoren,
die die Entwicklung zur Säuglingstaufe beschleunigt haben, sind
das Auslegen der Proselytentaufe und das mit der eschatologi-
schen Erwartung gekoppelte sakramentale Bedürfnis der Gemeinde
. Entscheidendes Agens aber dürfte die Überzeugung gewesen
sein, auch Neugeborene von der Taufe nicht ausschließen
zu dürfen. Die Säuglingsstufe ist so nicht eine historisch gewordene
„Unordnung", sondern die notwendige Folge der von
Anfang an in der christlichen Botschaft enthaltenen Gewißheit,
daß das allen notwendige Heil nur in Christus gegeben ist.
Wenn in urchristlicher Zeit Säuglinge und Kinder christlicher
Eltern auf Grund der in der Urchristenheit gültigen Gleichsetzung
von Familien- und Kultsolidarität noch ungetauft
blieben, so konnte doch im weiteren Ablauf der Geschichte
„die neutestamentlich-evangelische Glaubenswahrheit von Gottes
grenzenloser Gnaden- und Liebestat in Christo nur durch die
Ordnung der Säuglings- und Kindertaufe gesichert bleiben".

Auf die Frage nach dem Verhältnis vom Taufvollzug zur
Geistwirkung antwortet Günter Härder mit seinen Bemerkungen
zum Thema „Taufe, Wasser, Geist", in denen er die verschiedenen
Tauftexte des NT auf diese Frage hin abhört. Im Gegensatz
zu Markus Barth, der im NT die Geistwirkung nur an die
Verkündigung gebunden sieht und der die Taufe dann nur als
bittende oder dankende Bestätigung der Geistestaufe versteht,
kommt Härder zu dem Ergebnis, daß im NT die Taufe immer
mit der geistwirkenden Botschaft des Evangeliums verbunden