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Ausgabe:

1965

Spalte:

53

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Rogge, Joachim

Titel/Untertitel:

Zwingli und Erasmus 1965

Rezensent:

Staedtke, Joachim

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53

Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 1

54

R 0 g g e, Joachim: Zwingli und Erasmus. Die Friedensgedanken des
jungen Zwingli. Berlin: Evang. Verlagsanstalt [1962]. 56 S. gr. 8° =
Autsätze u. Vorträge z. Theologie u. Religionswissenschaft, hrsg. v.
E.Schott u. H. Urner, H. 26, u. Stuttgart: Calwer Verlag [1962]. =
Arbeiten zur Theologie, hrsg. m. A. Jepsen u. O. Michel v. Th.
Schlatter, H. 11.

Diese Studie untersucht die ersten erhaltenen Schriften
und Briefe des Reformators Zwingli und vergleicht sie in ihren
Aussagen, ihren Begründungen und ihrer Geisteshaltung mit
den zeitlich und sachlich entsprechenden Büchern des Erasmus
von Rotterdam. Aus diesen Vergleichen resultiert für den Verf.,
daß der Friedensgedanke „eines der Generalthemen im Denken
Zwingiis" sei (S. 11). Weil es bei der „Problematik Krieg und
Frieden . . . nicht nur um einen speziellen Aspekt der Zwingli-
forschung" geht, so meint der Verf., „könnte eine diesbezügliche
Erörterung zum Paradigma und Reagenz zugleich für 6ein
Denken werden" (S. 11). In 18 Kapiteln wird die zentrale Wirkung
des erasmischen Pazifismus auf den jungen Zwingli nachgezeichnet
.

Die Frage nach dem Verhältnis von Erasmus und Zwingli
ist sicher richtig gestellt. Zwingiis Ausgangspunkt war ein „ungebrochener
Erasmianismus" (S. 10). Es fragt sich nur, ob
Rogges Darstellung nidit ein Element der geistigen Welt des
werdenden Reformators zu stark akzentuiert. Der Friedensgedanke
ist nur ein Teil im geistigen Gefüge des Christianismus
renasecns. Er sollte noch stärker in den großen Rahmen
des ethischen Universalismus eingebettet werden.

Daneben hat der Verf. unter Verwertung der bisherigen
Forschungsergebnisse mit seiner Studie ein 6ehr wesentliches
Stück der Initia Zwingiii im Kern getroffen: der Ausgangspunkt
der zwinglischen Reformation ist nicht Luther. „Als
Zwingli Ende 1518 den Namen Luthers zum ersten Male mit einer
festeren Vorstellung verband, waren die Fundamente für ihn
bereits gelegt, die Akzente bereits gesetzt" (S. 46).

Zur Einzelausführung des Themas durch den Verf. wäre
freilich manches Kritische zu sagen. Trotzdem muß man dankbar
für dieses Buch sein. Rogge unternimmt den in der deutschen
Forschung eher seltenen Versuch, Zwingli aus seinen
eigenen Voraussetzungen zu verstehen. Dieser Versuch dürfte
weitgehend gelungen sein. Das Buch gibt ein eindrückliches
Bild von der Geisteswelt des angehenden Schweizer Reformators
.

DUbendorf/Zürich Joachim S ta ed t k e

Biet, Pierre: Lc concordat de Bologne et la reforme tridentine

(Gregorianum 45, 1964 S. 241—279).
B I u h m, Heinz: Martin Luther and the Idea of Monasticism (Con-

cordia Theological Monthly 34, 1963 S. 594—603).
— Luthcr's View of Man in His Early German Writings (Concordia

Theological Monthly 34, 1963 S. 583—593).
Calvin, Jean: Deux Congregations et Exposition du Catechisme.

Premiere reimpression de l'edition de 1563 avec une introduetion et

des notes par Rodolphe Peter (Presses Universitaires de France 1964,

XXX111, 49 S.).

[Calvin:] Johannes Calvin. I. Aus der Frühzeit und zur Lehre vom
dreieinigen Gott, ausgewählt u. übers, v. J. Rogge. Berlin: Evang.
Verlagsanstalt [1964]. 112 S. kl. 8° = Quellen. Ausgewählte Texte
a. d. Geschichte d. christl. Kirche, hrsg. v. H. Ristow u. W. Schultz,
H. 29, I. DM 3.50.

C o a t e s, Thomas: Calvin's Doctrine of Justification (Concordia
Theological Monthly 34, 1963 S. 325—334).

Delius, Hans-Ulrich: Luther und das „Salve regina" (FF 38, 1964
S. 249—251).

Jedin, Hubert: Das Tridentinum und die Bildenden Künste (ZKG

74, 1963 S. 321—339).
Mackensen, Heinz: Historical Interpretation and Luthers Role in

the Peasant Revolt (Concordia Theological Monthly 35, 1964 S. 197

-209).

Mayer, Frederick: The Voice of Augustana VII on the Church
(Concordia Theological Monthly 34, 1963 S. 135—146).

Meyer, Carl: John Colet's Significance for the English Reformation
(Concordia Theological Monthly 34, 1963 S. 410—418).

M o e 11 e r, Bernd: Das Innocentianum von 1215 in der Confessio
Augustana (ZKG 75, 1964 S. 156—158).

Reimann, Henry: Matthias Flacius Illyricus (Concordia Theological
Monthly 35, 1964 S. 69—93).

Rogge, Joachim: Zur Erasmusforschung der Gegenwart (ZdZ 18,
1964 S. 251—258).

Sachsse, Carl: Die politische und soziale Einstellung der Täufer in
der Reformationszeit (ZKG 74, 1963 S. 282—315).

V o 1 z, Hans: Zur Entstehungsgeschichte von Luthers Schmalkaldischen
Artikeln (ZKG 74, 1963 S. 316—320).

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Ebcling, Gerhard: Theologie und Verkündigung. Ein Gespräch mit
Rudolf Bultmann. Tübingen: Mohr 1962. XII, 146 S. gr. 8° = Hermeneutische
Untersuchungen zur Theologie, hrsg. v. G. Ebeling,
E.Fuchs, M. Mezger, l. Kart. DM 11.—; Lw. DM 14.50.

E.s Studie gliedert sich in fünf Abschnitte: „Die Spannung
jzwischen .wissenschaftlicher' Theologie und .kirchlicher' Verkündigung
" (1—9), „Historische und dogmatische Theologie"
(10—18), „Kerygma und historischer Jesus" (19—82), „Leitsätze
zur Christologie" (8 3—92), „Leitsätze zur Ekklesiologie"
(93—103); es folgen ein Anhang und ein Nachwort. Das Schwergewicht
liegt auf dem (auch umfangreichsten) dritten Abschnitt.
Dieser enthält eine sehr sorgfältige Auseinandersetzung mit
Bultmanns These, daß für das Kerygma nur das Daß der Geschichtlichkeit
Jesu, nicht aber sein Was und Wie bedeutsam sei.
E.s in immanenter Kritik erhärtete Gegenthese lautet: „In der
Frage nach dem historischen Jesus geht es um den hermeneuti-
schen Schlüssel zur Christologie" (52). Für die „theologische
Notwendigkeit der Frage nach dem historischen Jesus" spricht
nach E. zweierlei: 1. „fordert das bloße Faktum, daß das Kerygma
von Jesus spricht, dazu heraus, dieses Reden von einer
historischen Person in der Weise ernst zu nehmen, daß man der
Person, von der es spricht, historisch nachgeht"; denn es ist
„spezifisch theologisch, auch als Theologe gewissenhaft zu denken
" (61). — 2. gehört das Erwägen der Differenz zwischen
Jesus selbst und den Aussagen des Kerygmas über ihn „notwendig
zur Interpretation des Kerygmas" (63). „Hier Verbotstafeln
aufrichten oder das Kerygma von vornherein als durch
solches Fragen (sc. nach dem historischen Jesus) nicht tangierbar
erklären, hieße dem Kerygma unterstellen, daß es die Nennung
Jesu nicht ernst meine". Mit Jesus steht und fällt das
Kerygma: „Die Berufung des Namens Jesus ist das Gemeinsame
in der Variabilität des Kerygmas. Das Kerygma nennt selbst als
sein Kriterium Jesus" (64). Zwar ist das Kerygma wesenhaft
Christologie (und dadurch von Jesu Lehre unterschieden), aber
„Christologie gründet in Jesus ... als Folge seiner Vollmacht,
Gott konkret anzusagen und dadurch die Situation so zu bestimmen
, daß Glaube und Unglaube akut werden. Ohne die so
bestimmte und erhellte Situation ist das urchristliche Kerygma
nicht verstehbar" (75). Im Menschen Jesus begegnen wir dem
„Beieinander von Gesetz und Evangelium". Wäre das nicht so,
dann „könnte man das christologische Kerygma allenfalls als
mythologische Beschreibung einer Gabe verstehen, die uns in
den Bereich der Phantasie entführt, nicht aber als Lobpreis des
Gottes, der uns in dieser unserer Wirklichkeit sucht und sich
in eben dieser Wirklichkeit finden läßt und der deshalb sein
Heil als Wort vom Kreuz zum Leben in der Buße darreicht"
(82). Die Leitsätze zur Christologie gipfeln in der These, daß
der Glaube „als das von Schuld und Angst befreite und darum
gute Gewissen . . . von Jesus her und unter Berufung auf ihn . . .
als das schlechterdings Notwendige verkündigt" wird (91). Die
Kirche ist vollmächtiges Wortgeschehen auf Grund der Vollmacht
Jesu (102). — Im ganzen läßt sich E.s gedankenreiche und
anregende Studie kennzeichnen als ein eigenständiges Anknüpfen
an Positionen W. Herrmanns (und A. Ritschis), also an
Theologen, von denen die dialektische Theologie vor 40 Jahren,
allerdings in leidenschaftlicher Antithese, ausging. Diese Rückkehr
zur Ausgangsposition ist symptomatisch für die Aporie, in
die heute die Theologie geraten ist, weil die von der ehemaligen
liberalen Theologie gestellten Probleme in den zwanziger
Jahren nur beiseite geschoben, aber nicht gelöst worden
sind.

E.s eigene Konzeption ist so beziehungsreich und gehaltvoll
, daß sie im Rahmen einer Besprechung nicht ausreichend