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Ausgabe:

1965

Spalte:

689-699

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Courth, Franz

Titel/Untertitel:

Der trinitarische Gott, die Schöpfung, die Sünde 1965

Rezensent:

Andersen, Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 9

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nur als kritische Analyse der Stimmen anderer. So zu J. Sittler,
der, ,,von vielen Asiaten lebhaft begrüßt", keinen ,,Gegensatz
zwischen Natur und Gnade" machte (51 f.). ,.Massiv steht damit
das Problem der natürlichen Theologie, der natürlichen Gotteserkenntnis
wieder vor uns" (52). Mehr als die Beziehung auf
Barmen I und die Erkenntnis, daß die „Aussprache, die an dieser
zentralen Stelle in Delhi plötzlich neu begonnen hat", mit
..aller Gründlichkeit" wird ,,fortgesetzt werden müssen" spricht
N. selber nicht aus. Aber die Sammlung von Voten und Vorträgen
will ja auch keine grundlegenden Neuanfänge machen,
sondern die Barmer Thesen ,,als befreiendes Wort", und als
solches „bewährt", bezeugen und ihre Konkretisierung in den
Stellungnahmen des Verfassers belegen.

Jena Horst Be i n t It e r

Schmaus, Michael, u. Alois G r i 11 m e i e r [Hrsg.]: Handbuch der
Dogmengeschichte.

Band II: Der Trinitarische Gott. Die Schöpfung. Die Sünde. Fasz. 2a:
Schöpfung und Vorsehung. Von Leo Scheffczyk. VII, 152 S.
DM 27.60.

Band IV: Sakramentenlehre. Fasz. 4b: Eucharistie in Mittelalter und
Neuzeit. Von Burkhard Neunheuser OSB. V, 69 S. DM 13.80.
Freiburg-Basel-Wien: Herder 1963. 4°.

Vom großangelegten Werk des Handbuches der Dogmengeschichte
, das in fünf Großoktavbänden herauskommen soll, sind
im Jahre 1963 zwei weitere Faszikel erschienen. Das ist beachtlich
, wenn man bedenkt, wieviele Jahre ins Land gingen, bevor
nach dem ersten Faszikel (IV, 3 B. Poschmann, Buße und letzte
Ölung, 1951) der zweite herauskam (I, 4: J. Beumer S. ]., Die
mündliche Überlieferung als Glaubensquelle, 1962). Die Gesamtanzeige
des Werkes, die für die 34 Faszikeln 24 verschiedene
Verfasser benennt, darf wohl die Vermutung nahelegen, daß die
Herausgabe weiterer Teilbände nun zügig fortschreiten wird.

Auch die neuen Teilbände verfolgen das Ziel, das M.
Schmaus dem Gesamtwerk gesteckt hat: Es soll informieren und
im Sinne der Kirche belehren. Die informatorische Aufgabe, die
kirchliche Lehre in ihrem Werden aufzuzeigen, soll der heutigen
Lehrverkündigung dienen. Auch wenn sich an der Grundüberzeugung
nichts geändert haben dürfte, daß die umfassende Kontinuität
zwischen dem Ausgangspunkt des reinen Evangeliums
und der heute gültigen Lehrverkündigung nur in der katholischen
Kirche festzustellen ist, so ist daß Bestreben doch auffallend, die
Ergebnisse und Fragestellungen der evangelischen theologischen
Arbeit zu verwerten.

Das geschieht allerdings in verschiedenem Ausmaß, in der
Arbeit von L. Scheffczyk sehr viel stärker als in der von B. Neunheuser
. Es gibt Themen und Fragestellungen, für die sich die
katholische Forschung besonders interessiert hat und wo deshalb
keine entsprechenden Beiträge von evangelischer Seite vorliegen.
Ist das aber der Fall oder erscheinen die Beiträge von nichtkatholischer
Seite gewichtig, dann werden diese mit großer Freiheit
positiv herangezogen.

1. Das ist besonders offenkundig in dem ersten Kapitel der
Arbeit von Scheffczyk, in dem er die Grundlagen des Schöpfungsglaubens
in den biblischen Offenbarungszeugnissen behandelt
. S. weist in seinen Anmerkungen ungleich häufiger auf evangelische
als auf katholische Literatur hin. Dieser Tatsache kommt
deshalb besonderes Gewicht zu, weil der Verfasser durch eine
neue kerygmatisch ausgerichtete Theologie, die auch die Ergebnisse
der kritischen Bibelforschung (S. 152) berücksichtigt, eine
Auflockerung der „doktrinären Theologie und Spekulation der
Ncuscholastik" erhofft. Diese Form des kirchlichen Schöpfungsund
Vorsehungsglaubens hatte s. E's zwar ein historisches Recht.
Das erste Vatikanische Konzil, das sie entsprechend mitgeprägt
hat, hat das Verdienst, „daß das theologische Denken seitdem
vor Abirrungen bewahrt blieb". „Aber positive Impulse für eine
Vertiefung des Schöpfungsbegriffes in Korrespondenz mit den
geistigen Strömungen der Zeit entnahm die nachfolgende Theologie
aus dem Vatikanischen Konzil nicht" (S. 151).

Wir gehen deshalb wohl kaum fehl in der Annahme, daß
dem ersten Kapitel des Buches auch der Absicht des Verfassers
nach mehr als nur eine historische Bedeutung zukommt. Die

letzten Sätze des Buches, die von der Notwendigkeit eines theologischen
Bemühens um ein tieferes Verständnis der Schöpfungswahrheit
sprechen, verweisen den Leser wieder an den Anfang
zurück. S. sagt: Es kommt darauf an, die „Offenbarungsquellen"
unter Berücksichtigung der modernen Bibelwissenschaft neu zu
befragen. Wo das gechieht, wird zugleich auch den Forderungen
des modernen naturwissenschaftlichen Denkens Rechnung getragen
(vgl. S. 152). Damit rückt die von ihm in einem ständigen
Gedankenaustausch mit evangelischen Theologen vorgenommene
biblische Grundlagenbesinnung auffallend in den Vordergrund
.

Der 1. § des ersten Kapitels (Die Grundlagen des Schöpfungsglaubens
) behandelt: Die Schöpfung als Vorgeschichte des Heils
im Alten Testament. S. bezieht sich besonders ausführlich auf
die Arbeiten von Rads. Er stimmt ihm darin zu, daß der
Schöpfungsglaube heilsgeschichtlich bedingt und geprägt ist.
Auch wenn die alttestamentliche Offenbarungsurkunde mit
einem Bericht über die Schöpfung beginnt, so gilt dennoch weder
historisch noch sachlich, daß „der Schöpfungsgedanke die primäre
Wahrheit der israelitischen Religiosität und Ausgangspunkt des
theologischen Denkens gewesen wäre" (S. 2). „Die Hagiographen
haben ihren Standpunkt nicht im Schöpfungsglauben an sich,
sondern im Heils- und Erwählungsglauben, der sich bis zu den
Ursprüngen hin ausweitet und auch die Schöpfungstatsache einbezieht
" (S. 3). Zu geprägten Formulierungen des Schöpfungsgedankens
ist es vor allem durch Deuterojesaja, den priesterlichen
Bericht (Gen. 1, 1—2, 4a) und in einigen Psalmen gekommen
. Das soll zwar nicht heißen, als ob Jahwe nicht schon vor-
ler als Schöpfergott geglaubt und erkannt worden wäre. „Aber
es bedurfte einer längeren Zeit, bis sich diese Vorstellungen
theologisch in das ursprüngliche israelitische Credo einordnen
ließen" (S. 2).

Indem S. diesen theologischen Ansatz weiter entfaltet,
kommt er zu unmittelbar aktuellen theologischen Aussagen. Der
priesterliche Schöpfungsbericht hat eine antimythische Tendenz;
mit der Betonung des Wortcharakters der Schöpfung unterstreicht
er die Personalität und Geistigkeit des Schöpfers. „Das Schöpfungswort
wirkt aber nicht nur distanzierend und unterscheidend
, sondern stiftet auch Gemeinschaft und Kontinuität; denn
wenn die Schöpfung durch das Wort Gottes wurde, muß sie
gegenüber diesem Wort immer offenbleiben und kann sich so
niemals der Reichweite des Wortes, durch das sie begründet
wurde, entziehen" (S. 5).

In einigen knappen aber präzisen Hinweisen — der Verf.
will ja keine atliche Theologie vortragen — zeigt er, daß diese
heilgeschichtlich -soteriologische Sicht der Schöpfung im AT
dominiert. In der Weisheitsliteratur kommt allerdings eine
andersgeartete Schöpfungsvorstellung zum Durchbruch, die weniger
vom Heilsglauben als vom rationalen Zug zur Deutung des
Schöpfungsgeheimnisses bestimmt ist (vgl. S. 10). Die Schöpfungswahrheit
verliert ihre dienende Funktion im Ganzen des geschichtlichen
Heilsglaubens und tritt in ihrer Eigenbedeutung
klarer hervor. . „Das hat weiter zur Folge, daß die im Grunde
in den älteren Schriften des AT stark subjektiv und aktualistisch
verstandene Schöpfung vergegenständlicht, objektiviert und vom
Menschen in direkter Hinwendung und um ihrer selbst willen
betrachtet wird" (S. 10).

Es ist interessant und für den Fortgang der Untersuchung
wichtig, wie S. dieses Phänomen der Weisheitsliteratur bewertet.
Symptomatisch erscheint ihm die Tatsache, daß Israel erst hier
den griechischen Kosmosbegriff seinem Denken einverleibt.
Scheffczyk drückt sich sehr vorsichtig aus. Er stellt zwar fest,
daß darin eine rationale Welterkenntnis zum Vorschein kommt,
die mehr der kosmologischen Spekulation verpflichtet ist als dem
Begreifen der Schöpfung vom Standpunkt der Heilsgeschichte.
Der religiöse Bezug fehlt jedoch nicht. Die Heilsdeutung der
Weisheit ist allerdings vornehmlich persönlich und individualistisch
auf den einzelnen bezogen und nicht mehr auf das Volk
und die Gemeinde ausgerichtet. Ihr Ruf ergeht nicht an den
Menschen aus der Geschichte und ihrer kultischen Vergegenwärtigung
, sondern aus der gegenständlich und mit dem Wissenstrieb
erfaßten Größe der Schöpfung (vgl. S. 10).