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Ausgabe:

1965

Spalte:

47-48

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Jahrbuch für Antike und Christentum, Jg. 5 1965

Rezensent:

Campenhausen, Hans

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 1

48

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Jahrbuch für Antike und Christentum. Hrsg. v. Franz-Joseph-
Dölger-Institut a. d. Universität Bonn. Schriftleitung: Th. Klauser,
A. Stuiber, A. Hermann. Jg. 5, 1962. Münster/W.: Aschendorff
[1963]. 201 S. m. 15 Abb., 11 Taf., 1 Taf.-Beilage 4°. Kart. DM 25.—,
Lw. DM 28.—.

Der im vorigen Jahr erschienene neue Band des Jahrbuches
ist auch diesmal von schönster Reichhaltigkeit. Er braucht im
Ganzen nicht mehr empfohlen zu werden.

Pietätvoll wird er wieder durch eine fünfte Gruppe von „Beiträgen
zur Geschichte des Kreuzzeichens" aus dem Nachlaß von
Franz Josef D ö 1 g e r eröffnet. Sie behandelt die bekannte Kreuzsymbolik
im Gebetsgestus mit reichem Belegmaterial und das Kreuzeszeichen
im Ritus vor und nach der Taufe. Stärker theologisch akzentuiert
ist der bedeutsame Vortrag, den E. D i n k 1 e r bei der Jahresversammlung
des Vereins zur Förderung des F.-J.-Dölger-Jnstituts gehalten
hat: er faßt seine früheren Untersuchungen über das „Kreuzeszeichen
und Kreuz" teilweise zusammen und führt sie weiter. Das
jüdische Taw, als eschatologisches Siegel verstanden, erklärt nicht
nur die rätselhaften Kreuze an vielen jüdischen Ossuaren und
Grabstätten, sondern bildet auch eine wesentliche Komponente zum
Verständnis der altchristlichen Interpretation des Kreuzes Christi, wie
im einzelnen nachgewiesen wird. Ein Katalog jüdischer Kreuzzeichen
ist beigegeben.

Einen spannenden Beitrag zu einer schon wissenschaftshistorischen
und doch noch immer lebendigen Streitfrage bildet A. v. Gerkans
Aufsatz „Petrus in Vaticano et in Catacumbas", an den sich eine
Diskussion mit Theodor K1 a u s e r anschließt. Es geht um das
Rätsel der zwei römischen Apostelstätten. Gerkan möchte sich
ausschließlich an den archäologischen Befund halten und lenkt, anders
als vor Jahren, wieder zu Lietzmanns These einer Translation
zurück, die während der Valerianischen Verfolgung stattgehabt hätte.
Klauser betont mit allgemein historischen Erwägungen die Unwahr-
scheinlichkeit einer solchen Überführung. Das hat dann auch seine
Rückwirkung auf die Frage des ursprünglichen Petrusgrabes, dessen
Lage im Vatican unter der Aedicula Gerkan auf Grund eines „sicheren
Indizienbeweises" trotz des Fehlens greifbarer Reste für erwiesen
hält. In den Zusammenhang der Verfolgungsgeschichte gehört auch die
Freiburger Antrittsvorlesung Leo Koeps: „.Religio' und .Ritus' als
Probleme des frühen Christentums". Ohne wesentlich Neues zu
bringen, wird hier die — im Gegensatz zu heidnischen Vorstellungen —
untrennbare Zusammengehörigkeit beider Begriffe für die Christen
breit und fesselnd illustriert.

Auf das archäologische Gebiet führen A. Hermanns kenntnis-
und materialreiche „Ägyptologische Marginalien zur spätantiken
Ikonographie". P. Paulsens Behauptung, die Darstellung der
Lazarus-Erweckung sei eine „Umsetzung" der ägyptischen Mundöffnungsszene
des Osiris, läßt sich ebenso wenig halten wie Hilde
Zaloskers vorschnelle Annahme, der Nimbus spätägyptischer
Mumienporträts mache die Dargestellten als christliche Heilige erkennbar
. Doch führt die nicht sehr schwierige Widerlegung jedesmal
auch zu neuen, positiven Erkenntnissen, wobei auf eine interessante
Hypothese über Ursprung und Technik der Nimbierung besonders hingewiesen
sei. Endlich wird auf dem 1942 entdeckten, heute leider
stark zerstörten byzantinischen Mosaik von ,Umm al Munäbia' in
Jordanien eine Darstellung der ägyptischen Festung Babylon
(= Alt-Kairo) mit seiner Marienkirche sehr wahrscheinlich gemacht.
K1 a u s e r setzt seine „Studien zur Entstehungsgeschichte der
christlichen Kunst" mit einem fünften Beitrag weiter fort (S. 113—124).
Seine Untersuchung des bekannten Gute-Hirten-Sarkophags von
Salona macht der christlichen Deutung auch dieses „Paradestücks der
frühchristlichen Sarkophagplastik" ein unwiderrufliches Ende. Aber die
eingehende Interpretation der Szene und des (gewiß heidnischen) Ehepaars
, dessen wohltätige Stiftungen dadurch verewigt werden sollten,
madit das Denkmal darum gewiß nicht weniger interessant. Es sei
hier auch noch auf Klausers ausführliche, kritische Besprechung
von Ferrruas Publikation der 1955 entdeckten Katakombe an der
Via Latina hingewiesen (S. 179—184) und auf seine Anzeige von
Instinskys „Siegel des Kaisers Augustus" (S. 179), die ihm Gelegenheit
gibt, noch einmal auf seine im Jahrbuch 1961 vorgetragene
Ableitung der frühchristlichen Grabeskunst von Siegelbildern zurückzukommen
. Mehr liturgiegeschichtlich sind die Ausführungen O. Nußbaums
über „die Bewertung von rechts und link« in der römischen
Liturgie" (S. 158—171). Sie entspricht, wie sich vielfach belegen läßt,
der antiken und allgemein-menscklichen Einschätzung beider Seiten
durchaus.

Den umfangreichsten Beitrag des Bandes stellt die Fortführung
der „Untersuchungen zum Ursprung und zur Geschichte der christlichen
Poesie" von Klaus Thraede dar (S. 125—157). Diese betreffen

neben Commodian diesmal besonders Prudentius und Paulinus, haben
zugleich aber wieder eine allgemeinere und grundsätzliche Bedeutung.
Es geht um die Aufnahme allgemeiner literarischer Konventionen (im
besonderen der typischen „Unfähigkeitsäußerungen") in die christliche
Poesie, die sich als solche nicht isolieren läßt, und um die Verwendung
bestimmter Brieftopoi (I. Kor. 5, 3 ist ein solcher!) und den Stil der
Kontaminierung verschiedener klassisdier Anspielungen, die durch beigemischte
Bibelzitate verchristlidit werden. In diesen Zusammenhang
gehört gleichfalls noch eine Rezension des Verfassers (über S a 1 v a-
tores Studi Prudenziani, S. 186—188), sowie eine Miszellc Ilona
O p p e 1 t s über ein nur leicht umgeformtes „Horazzitat bei PseudoEucherius
" (S. 174). Von der gleichen Verfasserin stammen auch die
zwei Nachtragsartikel zum Lexikon: Aischylos (S. 191—194) und
Aristophanes (S. 195—199), beide durch Knappheit ausgezeidinet und
durch die geschickte Art, mit der aus den späteren christlichen Anführungen
die Nachwirkung und Einsdiätzung dieser Dichter verdeutlicht
wird. Endlich sei noch auf einen aktuellen Text des trefflichen
Hilarius von Poitiers hingewiesen, der die Problematik der „Bischöfe
auf dem Richterstuhl" behandelt (S. 172—174). Klauser, selbst
der fruchtbarste Mitarbeiter seines Jahrbuchs, hat ihn übersetzt und
in die eigenen Forschungen über die bischöflichen Rechte erläuternd
eingeordnet.

Auch diesen Band des Jahrbuches wird niemand, der sich
für die spätantike Kultur- und Kirchengeschichte interessiert,
ohne Gewinn und Genuß aus der Hand legen.

Heidelberg Hans von Campen hausen

Fabricius, Cajus: Zu den Jugendschriften des Johannes Chrysosto-
mos. Untersuchungen zum Klassizismus des vierten Jahrhunderts.
Lund: Gleerup [1962]. 159 S. gr. 8°.

Schon Isidor von Pelusium hat sich bewundernd über den
Attizismus des Joh. Chrys. ausgesprochen, und in der modernen
Forschung wird das Urteil von U. v. Wilamowitz-Moellendorff,
er sei ein beinahe puristischer Attizist, bis in die Gegenwart
weitergegeben. Aber es bedarf der Nachprüfung. Verf. untersucht
daher eine Gruppe von fünf Jugendschriften' aus der Zeit vor
3 86, dem Datum der Priesterweihe des Chrys. Zum Vergleich
werden die Autoren seiner Zeit, soweit entsprechende Arbeiten
über sie vorliegen, vor allem sein Lehrer Libanios, der bedeutendste
Klassizist des 4. Jhs., für dessen Syntax der Verf. selbst
das Material gesammelt hat, herangezogen. Das Klassizistische
muß vom Unklassischen und vom allgemein Griechischen unterschieden
werden. Da die methodischen und sachlichen Voraussetzungen
für die Arbeit erst zu schaffen waren, beschränkt sich
die Untersuchung notwendigerweise auf einige wichtige syntaktische
Erscheinungen (Genitivus separativus, Gebrauch des Pronomen
); der Wortschatz wird untersucht und drittens die Imitation
klassischer Ausdrücke, Phrasen und Stellen behandelt. Was
den Wortschatz betrifft, so fällt auf, daß in allen Gruppen, bei
den Kennwörtern der klassizistischen Prosa wie bei den unklassischen
Wörtern die mit Präpositionen gebildeten Komposita,
die Wörter mit Alpha privatum und sonstige zusammengesetzte
Wörter sehr stark hervortreten. Soweit sie aus der klassischen
Prosa stammen, fügen sie sich dem hellenistischen und kaiserzeitlichen
Griechisch bei dessen Neigung zur Verwendung von
Komposita — eine Neigung, die sich bis ins Neugriechische verfolgen
läßt — ohne Schwierigkeiten ein, ja, kommen dessen
Sprachgeist sogar entgegen. Soweit sie aber unklassisch oder nachklassisch
sind, wäre zu fragen, wie weit es sich dabei um dem
klassischen Griechisch analoge Wortbildungen handelt, die also
demselben Sprachgeist entstammen. Bei manchen Neuschöpfungen
der späteren Sprache mag auch der Wandel der Kultur den Anstoß
gegeben haben, der der Umgangssprache Wörter vermittelt, die
ähnlich wie die besonders behandelte .christliche' Gruppe,
eigenen Gesetzen folgen. Der Verf. weist daher selbst darauf hin,
daß gewisse Wörter ihrem Typ nach sehr wohl neu gebildet sein
können. Das Griechisch der LXX hat als Übersetzungsgricchisch
seine besondere Art (okkasionelle und wohl auch usuelle Semitismen
). Vielleicht hängt es damit zusammen, daß der Sprachschatz
des Chrys. jedenfalls in den behandelten Schriften nur
verhältnismäßig wenig von ihr beeinflußt zu sein scheint.

Im ganzen ergibt sich: 80 % der Wörter in dem Vokabelschatz
der behandelten Schriften des Chrys. sind gemein-griechisch;
11 % sind unklassisch und nur 2 % klassizistisch. Chrys. ist also