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Ausgabe:

1965

Spalte:

649-660

Autor/Hrsg.:

Macuch, Rudolf

Titel/Untertitel:

Zur Frühgeschichte der Mandäer 1965

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 9

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denkend zu umschreiben. Keine Terminologie bekommt dies Geheimnis
in den Griff. Alle Interpretation kann bestenfalls dazu
dienen, das im Christusbekenntnis ergehende Urteil in seinem
unbedingten Gültigkeitsanspruch, seiner unableitbaren Kontingenz
und seiner Adresse an alle vor uns hinzustellen, ohne selbst
den Wahrheitsbeweis führen zu können. Im Blick auf unsere
Frage heißt das: Es muß zum Ausdruck kommen, daß in Jesus
Christus Gottes gnädige Entscheidung über uns gefallen ist und
keiner Ergänzung oder Inkraftsetzung durch unsere Stellungnahme
bedarf, um gültig zu sein. Darum schien uns eine primär
am Adressaten der Botschaft orientierte Redeweise nicht zureichend
, um das Extra nos gebührend zur Geltung zu bringen.
Es muß andererseits festgehalten werden, daß Gottes über uns
gefallene Entscheidung in Christu6 darauf zielt, daß wir ihr zustimmen
und Gott rechtgeben.. Deshalb erschien uns nicht nur
der Begriff der Existenz, sondern auch der der Geschichte problematisch
, wenn er — jedenfalls in der genannten Weise — zum
alles tragenden Nenner der Christologie gemacht werden sollte.
Wir besannen uns darauf, daß wir Christus nicht direkt, sondern
in seinem Wort haben, d. h. daß das vollendete Geschehen der
Versöhnung in Christus zu uns kommt in Gestalt einer Verkündigung
, die weder nur Bericht noch nur Enitscheidungsruf ist,
sondern am ehesten als Proklamation des göttlichen Urteils und
Freispruchs verstanden werden kann. Das hat, so versuchten wir
zu zeigen, Konsequenzen für die FoTm der chri6tologischen Aussagen
. Im Christusbekenntnis geht es um eine Aussage, die nur
im Glauben al6 Wahrheit erfaßt werden kann. Die hier verkündete
Wirklichkeit kommt in Gestalt der promissio. Es ist also
nicht zufällig, sondern sachentsprechend, daß diese Botschaft
im Neuen Testament in dem unlöslichen Miteinander von Indikativ
und Imperativ, von Perfektum und Futurum zur Sprache
kommt. Darin verrät sich das Wissen um die rechte Zuordnung

des Extra nos und des Pro nobis — mit unseren Stichworten zu
reden —, d. h. darum, daß Gottes rettende Tat in Christus
Wirklichkeit ist und als solche aller Anerkennung durch uns
vorausgeht und dennoch zugleich unser einstimmendes Ja erwartet
wird, wozu die Botschaft selbst uns aufruft und ermächtigt.
Diesem Sachverhalt hat die dogmatische Aussage in der Christologie
Rechnung zu tragen, und eben dies versuchten wir zu tun,
indem wir von Jesus Christus als Gottes Urteil und Freispruch
redeten.

Ein Urteil wird nur recht verstanden, wenn es anerkannt
wird. Insofern führt uns diese Terminologie nochmals auf die
Grenze aller Christologie. Jeder Versuch, hier nachdenkend zu
verstehen, läuft letztlich darauf hinaus, daß wir erkennen: Wir
selbst sind hier gefragt, ob wir bereit sind, diesem Urteil rechtzugeben
. Wir haben keinen Schlüssel zur Auflösung des Christusbekenntnisses
, es kann sich uns nur selbst erschließen im heiligen
Geist. Rechte Christologie weist darum immer auf eine entsprechende
Pneumatologie hin, so gewiß das recht verstandene
Wort den heiligen Geist verheißt und um ihn bitten lehrt. Denn
die Botschaft von Jesus Christus, das Urteil, daß dieser Gekreuzigte
der Herr ist, bleibt nicht nur Ärgernis, sondern auch Torheit
, d. h. es ist unbegreiflich, wenn es sich nicht durch den
heiligen Geist, über den wir nicht verfugen, uns erschließt als
„Weisheit Gottes". Die Aufgabe der Christologie kann also
nur die sein, dieser Selbsterschließung Gottes in Christus Raum
zu geben, statt Jesus Christus so oder so „auf den Begriff zu
bringen". Alles Dogma, alle Lehre kann das Geheimnis der
Offenbarung nicht auflösen, kann dem heiligen Geist nicht vorgreifen
, sondern mit allen notwendigen dogmatischen Sätzen
kann sie doch nur Hüter an der Schwelle dieses Geheimnisses
sein, das in eigenem Licht leuchtet und sich selbst offenbar
macht — ubi et quando visum est Deo.

Zur Frühgeschichte der Mandäer

Von Rudolf Macuch, Berlin

Unter diesem Titel hat Ernst Bammel1 seine durch meinen
Aufsatz „Alter und Heimat des Mandäismus nach neuerschlossenen
Quellen""' veranlaßten Ausführungen zum mandä-
ischen Exodus veröffentlicht. Ähnlich hat sich vor ihm Kurt
Rudolph im ersten Band seines monographischen Werkes über
die Mandäer3 geäußert. Beide haben an meiner Ansetzung der
mandäischen Migration in die Zeit Artabanos'III. (12 —ca. 38
n. Chr.) Anstoß genommen und ohne Rücksicht auf die einheitliche
mandäische Tradition, die die Auswanderung aus Palästina
in die Zeit vor der Zerstörung Jerusalems ansetzt, an die Zeit
eines späteren Artabanos (Bammel: IV. Rudolph: V.) denken
wollen.

Es ist erfreulich, daß dieses wichtige religionsgeschichtliche
Problem die Aufmerksamkeit der Forscher fordert. Es ist aber
noch wichtiger, daß diese ihre Grenzen nicht überschreiten und
kein verfälschtes Bild der mandäischen Frühgeschichte darstellen.
Nach demselben Dokument, das mir die Ansetzung des mandäischen
Exodus in die Zeit Artabanos' III. ermöglicht hat, halte
ich aus den darin erwähnten aber auch anderen objektiven Gründen
, die von den beiden erwähnten Forschern unbemerkt geblieben
sind, meine geäußerte Datierung als die einzig zulässige
Ansetzungsmöglichkeit. Zur Zeit, da ich meinen oben angeführten
Aufsatz schrieb, war ich mit der Vorbereitung des mandäischen
Wörterbuchs so völlig beschäftigt, daß es mir unmöglich
war, alle Details dieses komplizierten Problems so klar und einfach
darzustellen, daß hier keine Mißverständnisse vorkommen
könnten. Ich mußte mich mit einer allgemeinen Darstellung meiner
Lösung des Problems zufrieden stellen in der Hoffnung, daß sie
von den Forschern richtig und ohne Übersehen der darin implizierten
Details verstanden werde. Inszwischen habe ich mich zu

*) Orientalia 32/1963, S. 220-225.
s) ThLZ 1957, Sp. 401—408.

j Die Mandäer h Prolegomena, S. 99 f.; vgl. dagegen Macuch,
OLZ 1961, Sp. 385, Anm. 3, und ThLZ 1962, Sp. 740f.

diesem Problem unter dem Titel „Anfänge der Mandäer"4 ausführlich
geäußert, so daß ich mich hier nur auf wesentliche
Bemerkungen beschränken kann.

Schon Lidzbarski5 war es klar, daß der mandäische Exodus
im ersten christlichen Jahrhundert stattgefunden haben sollte.
Da aber die damals bekannten mandäischen ebenso wie andere
geschichtliche Quellen kein genaues Datum der mandäischen
Migration erwähnten, konnte Lidzbarski seine schon ziemlich
genaue Vermutung nicht näher präzisieren. Die einheitliche mandäische
Tradition, nach der die Auswanderung noch vor der Zerstörung
Jerusalems stattfand, hat ihm genügt, seine angeführte
Meinung auszusprechen und sich dadurch einer heftigen Opposition
und blinden verfehlten Kritik auszusetzen. Denn die Zerstörung
Jerusalems wird als Strafe für die Verfolgung der Jünger
erwähnt, die sich vor dieser Katastrophe gerettet haben (Gj
[= Ginza jamina] 322 f.). Wenn sich nun aus einem späteren,
in Lidzbarskis Tagen unbekannten, von Lady Drower veröffentlichten
Dokument Diwän Harän Gawaitä6 (= HG) ergibt, daß
eine mandäische Einwanderung ins medische Bergland zur Zeit
des Königs Artabanos stattfand, so ist es unter den angegebenen
Umständen ausgeschlossen, in diesem König einen anderen als
Artabanos III. zu suchen. Weder Bammels Artabanos IV. noch
Rudolphs Artabanos V. kommen hier berechtigterweise in Betracht7
.

Rudolphs späte Datierung halte ich für ebensowohl ausgeschlossen
wie eine Ansetzung der Zerstörung Jerusalems ins 3.
chir. Jh. Was nun Artabanos IV. betrifft, habe ich eine Ansetzungsmöglichkeit
der mandäischen Einwanderung in seine

4) In F. Altheim u. R. Stiehl, Die Araber in der alten Welt 11,
S. 76-190.

*) OLZ 25/1922, Sp. 56.

") E. S. Drower, The Harän Gawaitä and the Baptism of Hibil-
Ziwa (Studi e Testi 176), 1953.

7) Vgl. darüber meine „Anfänge der Mandäer", S. 128 ff.