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Ausgabe:

1965

Spalte:

629-630

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Steinwand, Eduard

Titel/Untertitel:

Verkündigung, Seelsorge und gelebter Glaube 1965

Rezensent:

Trillhaas, Wolfgang

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Seite 1

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629

Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 8

630

Vorbereitung für das Wirken des Geistes (35, 68 f. u. ö.) nidit
mehr nach Qumran als in die ntl. Gemeinde, die des den Kindern
geschenkten und in den „Herzen" schreienden Geistes gewiß
ist, nicht aber des durch kultische memoria-Übungen beeinflußbaren
(105, vgl. 134 f.: Gebet als „Seelsorge" Gottes)? Die
Lehre von der Präsenz des Geistes „in der Gliedhaftigkeit der
Kirche" (131), den alle zusammen „versichtbaren" sollen (179),
führt folgerichtig zum Verständnis der Gemeinde als „Modell
der Zukunftsabsichten Gottes in der Welt. . . und Aushängeschild
des Kommenden" (187), ja als „Modell der Gottesherrschaft
..., die das Reich vorausbildet" (180); das aber sind
Funktionen, die lebhaft an den Kirchenbegriff als Fortsetzung
Christi erinnern. Damit ist das Gegenüber zwischen Christus
und Kirche dann aufgehoben, was klassisch eingestanden wird
mit der Forderung: „Jesus als den Gegenwärtigen verkündigen
heißt. . . die Gemeinde predigen" (202). Wird aber die Präsenz
des Geistes im Wort Gottes nicht mehr ernst genommen, ist die
Problematik unseres Glaubens „die Problematik der göttlichen
Gegenwart in der Gemeinde" (133) und nicht die derjenigen im
Wort, dann tritt zwangsläufig eine Ethisierung ein und die
fromme, gewiß aktiviert „bewegte" Gemeinschaft an die Stelle
des Wortes", So ist die von B. mit frischen Farben geschilderte
und leidenschaftlich geforderte „charismatische Gemeinde" bisher
nicht deutlich zu unterscheiden von dem seit den Tagen der
ersten korinthischen Gemeinde in der Kirche sich unter verschiedenen
Parolen wiederholenden Experiment einer enthusiastischen
Gemeinde, die das Wort vom Kreuz überbieten will
in sichtbaren Darstellungen.

Bonn-Ippendorf Gerhard Krause

") Wie sehr der auf seine theologische Grundstruktur und Praxis
befragte Begriff der „charismatischen Gemeinde" bei B. schillert in
dieser Richtung auf Ethisierung, zeigen seine Versuche, chäris und
chärisma zu identifizieren oder doch jene nur in diesem wirksam zu
finden (147, 211). Dann sind für die Gemeinde die vom Wort und
Glauben mindestens stark gelockerten Charismen konstitutiv und
nicht allein die im Wort vom Kreuz sich schenkende Gnade. So wird
in dem Aufsatz über die Leitung der Gemeinde im Handumdrehen
aus dem Satz „alle Charismen sind Wortcharismen" über das Zwischenglied
, daß alle Auslegung „exemplifiziert", geschlossen, daß der Geist
die Gemeinde „durch das Beispiel der Sprechenden" leitet (213 f.).
Wie verwirrend und ungewiß ist dieser Geist im Gegensatz zur Auffassung
des NT und der Reformatoren! Er muß es sein, weil man auf
ihn nicht hoffen darf, „ehe wir uns in Bewegung setzen" (191).

Steinwand, Eduard: Verkündigung, Seelsorge und gelebter Glaube.

Gesammelte Aufsätze, hrsg. von Manfred S e i t z. Göttingen: Van-
denhoeck & Ruprecht [1964]. 218 S., 8°. DM 14.80.

Eduard Steinwand (1890—1960), zuletzt Ordinarius für
Praktische Theologie und Theologie des Christlichen Ostens in
Erlangen, war in vieler Hinsicht eine unzeitgemäße Erscheinung.
Hinter seiner tiefen persönlichen Wirkung und leidgeprüften
geistlichen Kraft trat die literarische Tätigkeit stark zurück.
Seine in sich ruhende „altgläubige" Art war wenig bemüht um
Kontakte mit der Theologie der Gegenwart, von der er nur gelassen
und ohne jedes Interesse an fachlicher Auseinandersetzung
Kenntnis nahm. So wird die vorliegende Sammlung von
Vorträgen und Aufsätzen denen, die ihn kannten, ein wertvoller
Anlaß zur fortgesetzten Zwiesprache mit dem Heimgegangenen
sein. M. Seitz hat der von ihm herausgegebenen
Sammlung eine sachgemäße Einleitung vorausgeschickt.

Die 21 Beiträge sind in zwei Gruppen gegliedert. Unter
dem Titel „Bezeugen und Dienen" sind 10 Aufsätze über
Fragen der Predigt und Seelsorge, unter „Verpflichtendes Hören"
11 Beiträge, die das geistliche Leben in der Gemeinde betreffen,
gesammelt. Ganz offenkundig überwiegt dabei das Interesse an
der Seelsorge, auch in der Weise, daß es die homiletische Thematik
durchdringt. Das ist ebenso im ersten Aufsatz „Die
Predigtvorbereitung als geistliche Übung" wie im folgenden
„Die beiden entscheidenden seelsorgerlichen Anliegen der Predigt
" der Fall; mit dieser doppelten seelsorgerlichen Aufgabe ist
hier Gericht und Gnadenverkündigung, also Predigt des Gesetzes
und des Evangeliums gemeint, aber gleichzeitig geht St.
davon aus, daß man diesen seelsorgerlichen Dienst durch die

Predigt nicht üben kann, wenn man ihn nicht selbst erfahren
hat. St.s Interesse an seelsorgerlichen Fragen ist aber nun bei
aller Nüchternheit wesentlich zum Charismatischen hin orientiert
. So handelt er von „Dämonie und Seelsorge" und von der
Gerichtpredigt, aber dann auch von der Gnadengabe, Geister zu
unterscheiden, und von der Ehelosigkeit, und das immer in
einem Sinne, der sich nicht lange mit historischen oder kritischen
Vorfragen aufhält, sondern die Dinge „unmittelbar", d. h.
„biblisch" im Blumhardtschen Sinne und unter Einsatz eigener
geistlicher Erfahrung zur Sprache bringt. Daß St. das konnte,
weitab von aller Schwärmerei und von jeder Art von Pietismus,
das war das Einzigartige an diesem unvergeßlichen Manne.

Und doch kann ich diese Anzeige der Veröffentlichung
seiner nachgelassenen Aufsätze nicht ohne ein kritisches Wort
ausgehen lassen. St. wair im ausgesprochensten Sinne ein Mensch
der mündlichen Mitteilung. Darum werden diese Aufsätze allen
denen willkommen sein, die ihren Verfasser gekannt haben.
Aber genügt das? Daß die Texte, wie der Hrsg. in seinem Vorwort
mit Recht betont hat, nicht eigentlich „wissenschaftlich"
sind, daß Zitat, Literatur und Diskussion nicht im Vordergrund
stehen, ja daß auch das Bibelwort fast durchweg in einer unr
reflektierten „erbaulichen" Absicht aufgeboten wird, das alles
würde mich noch nicht zu meinen kritischen Bedenken veranlassen
, weil ich dem hier vorwiegenden meditativen Verfahren
durchaus Recht und Sachgemäßheit zubillige. Aber die dargebotenen
Texte sind in vielen Fällen einfach zu kurz. Meditation
hat gewiß nicht die Aufgabe, sich mit historisch-kritischen
Einwänden auseinanderzusetzen. Aber sie hat die Aufgabe
, mit andersartigen Einwänden, mit solchen nämlich, die in
der eigenen Brust, in der eigenen zweifelnden Vernunft leben,
das kritische Gespräch zu führen. Und das bleiben diese Texte,
die eben vielfach ihre Herkunft aus der im Schreibtisch verwahrten
Sammlung nur zu deutlich erkennen lassen, dem Leser
schuldig. Ich nenne nur den Aufsatz über die Ehelosigkeit: ich
vermute, daß der Verf. der Kritik wahrscheinlich recht gegeben
hätte, daß der Text zur Veröffentlichung nicht ausreicht. Und so
fragt man sich zuweilen, inmitten aller Dankbarkeit für die
empfangenen Anstöße, ob dem Heimgegangenen mit der Sammlung
wirklich der beabichtigte Dienst geschehen ist.

Editionstechnische Wünsche seien nur am Rande vermerkt. Nur
in einem Falle ist auf den Ursprung des Aufsatzes verwiesen; sonst
finden sich keine Angaben über die Quelle oder bei ungedruckten
Vorträgen über Zeit und Ort sowie über den Anlaß des Vortrages. —
Daß bei dem Meditationscharakter der meisten Beiträge Literaturangaben
im üblichen Stil unwesentlich sind, ist im Vorwort mit Recht
bemerkt. Aber wenn doch Literaturhinweise als Anmerkungen beigegeben
werden (S. 11, 99, 183, 188), dann sollten sie doch vollständig
mit Erscheinungsort und -jähr, Zeitschriftenartikel mit Angabe der
Seitenzahl geboten werden. Es ist eine editorische Sorgfaltspflicht dem
Leser gegenüber. — S. 186 ist nach Z. 16 eine Zeile ausgefallen.

Göttingen Wolfgang T rill haas

Unsere Verantwortung für die Konvertiten. Berlin — Hamburg:
Luth. Verlagshaus 1963. 30 S. 8° = Missionierende Gemeinde, eine
Schriftenreihe, H. 10. Kart. DM 2.80.

Das evangelische Schrifttum zur Konvertitenfrage ist
schwach entwickelt. Dies Heft kann und will nur erste Hilfe
geben, ist aber eine wirkliche Verheißung an die Zukunft. Es
warnt vor Proselytismus, kurzatmigem Unterricht, übereilter
Aufnahme und fordert ernste Motivforschung, notfalls Abweisung
der Bewerber, ausgiebigen Unterricht, Bewährung im Gemeindeleben
, Mitwirkung der Gemeinde, Vertiefung des Übertritts
zu echter conversio. Viele praktische Hilfen und weiterführende
Literaturangaben! Besondere Hinweise verdienen die
beiden letzten Kapitel. Priesterkonversion: bei einer angenommenen
Zahl von 395 000 katholischen Priestern sei mit
7—10 % Abfälligen zu rechnen, von denen eine Minderheit in
die evangelische Kirche eintritt. „In Deutschland haben in den
letzten 20 Jahren etwa 1 000 Priester und Ordensangehörige
diesen Schritt getan. 70 von ihnen stehen heute im evangelischen
Pfarramt." Wenn es über vordergründige Propaganda hinaus
Sinn hätte, Kurzbiographien aus ihren Kreisen zu veröffentlichen
, so könnte schnell eine Bibliothek entstehen. Aber