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Ausgabe:

1965

Spalte:

43-46

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Stalder, Kurt

Titel/Untertitel:

Das Werk des Geistes in der Heiligung bei Paulus 1965

Rezensent:

Jüngel, Eberhard

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 1

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Wendung einen Gedankengang einleitet und abschließt, kann natürlich
von der Sache her gegebenes Merkmal für die Abgrenzung eines
Abschnittes sein (vgl z.B. Rm 8, 35a.39; in Rm 13, Sb.lOb* ist die
„Einschließung" deutlich darin begründet, daß ein Beweisgang durchgeführt
wird). Für Hb 3,7—4,14 (statt 3,7—4,13) scheint mir die Abgrenzung
nach dem Gesichtspunkt der Einschließung nicht überzeugend
zu sein. — Übrigens spricht V. es gelegentlich aus, daß bestimmte von
ihm als solche verstandene Feinheiten nicht o. w. in die Augen
fallen, daß einzelne Abschnitte (z.B. Hb 11) weniger streng strukturiert
sind usw. Die größte Sorgfalt ist nach V. an den Aufbau von
8, 1—9,28 gewandt (138).

Für das, was das Buch zu geben hat5, ist es aber m. E. zuletzt
nicht entscheidend, wieweit die Befunde im einzelnen auf
die Absicht kunstvoller Gestaltung zurückgehen. Mögen auch
manche Entdeckungen allzu scharfsinnig sein — bestimmend für
den Wert der Untersuchung V.s ist die Analyse zahlreicher Textstücke
in ihrer Bedeutung für das Verständnis des Hb überhaupt
(unabhängig von der Frage des bewußten Gebrauchs bestimmter
Kunstregeln), sind etwa auch mancherlei Hinweise auf Querverbindungen
zwischen äußerlich einander nahe- oder auch fernerstehenden
Abschnitten — hauptsächlich im Kap. III —; offenbar
sind in Hb gerade die Ausführungen des Mittelteils (5, 11
—10,39 nach V.), ist in besonderer Weise wiederum dessen
Mittelstück (8, 1—9,28) im Vorangehenden bewußt vorbereitet.
Das Werk V.s ist nicht nur anregend im Blick auf das von ihm
gestellte Problem der literarischen Form, es arbeitet vielmehr
der eindringlichen Sachinterpretation des schwierigen, in der
Forschung nicht allzuhäufig eingehend als ganzen behandelten
Briefes so vor, daß wir mit Lyonnet (6) erwartungsvoll nach
einem ausgeführten Kommentar V.s zum Hb ausschauen.

Halle/Saale Gerhard D e 11 i n g

4) Hier sind übrigens die betreffenden Wörter — 3 + 3 — in konzentrischer
Symmetrie, d.h. chiastisch, geordnet; ob mit Absicht?

5) Bibliographie und Indices (261—282) erleichtern die Benutzung
des Werkes.

Stalder, Kurt: Das Werk des Geistes in der Heiligung bei Paulus.

Zürich: EVZ-Verlag [1962]. VIII, 523 S. gr. 8°. Lw. DM 28.-.

Das umfangreiche Buch ist die etwas verkürzte Ausgabe
einer von der Christkatholisch-theologischen Fakultät der Universität
Bern angenommenen Dissertation. Der Verf. ist an derselben
Fakultät inzwischen zum Professor für Neues Testament
ernannt worden. Dennoch hat das Buch vorwiegend systematischen
Charakter. Sein Titel ist eine These: in der Heiligung geschieht
(nach Paulus) das Werk des hl. Geistes. Aber wie? Zur
Beantwortung dieser Frage ergibt sich für St. die Notwendigkeit
, die pln. Bedeutung der die Untersuchung leitenden Hauptbegriffe
„Heiliger Geist" (1. Teil: S. 9—100) und „Heiligung"
(2. Teil: S. 101—238) zu erfragen. Erst dann wendet sich die
Untersuchung speziell dem „Werk des Geistes in der Heiligung
" (3. Teil: S. 239—487) zu, wobei auch hier noch einmal
die Klärung spezieller Vorfragen (Aeonen-Lehre, Gesetzes- und
Gnadenverständnis) sich als notwendig erweist. Danach wird das
eigentliche Thema in einer ausführlichen Erklärung von Rm. 8,
1—17 abgehandelt. In einem kurzen Summarium werden die
„Hauptergebnisse" (S. 487—494) zusammengefaßt. Von den
3 Registern (biblische Stellen, Namen, Begriffe) bietet dem
Leser das Begriffsregister eine sicherlich besonders willkommene
Orientierungshilfe für dieses an Problemstellungen und
Wiederholungen reiche Werk, das gleichermaßen die exegetische
und systematische Aufmerksamkeit der Theologen beanspruchen
will und wird.

Die Methode des Verfs. soll es vermeiden, die Antwort
der Untersuchung zu präjudizieren und das exegetische
Blickfeld zu verengen. Deshalb gilt als methodisches Postulat:
den pln. Text „von innen heraus, aus sich selbst zu verstehen
zu suchen" (S. 6 f.). Die thematischen Fragen sollen „nicht

durch Beibringung neuen Materials ...... sondern durch eine

neue Analyse der einschlägigen Gedankengänge" (S. 6) des
Apostels gelöst werden. Um der möglichen Mehrdeutigkeit pln.
Begriffe nicht zum Opfer zu fallen, fordert der Verf., nicht von
einer Untersuchung der die Relationen und Tätigkeiten
des thematischen Subjektes (Geist) aussagenden Prädikate
, sondern von einer Klärung des Wesens des thematischen
Subjektes auszugehen. „Es ist also unerläßlich, daß
wir zuerst Klarheit über das Wesen des Geistes zu erhalten
suchen und dann prüfen, welchen Charakter die Tätigkeiten
haben, die Paulus von ihm aussagt" (S. 7 f.). An dieser Forderung
hält der Verf. fest, obwohl er weiß, „daß Paulus die Frage
nach dem Wesen des Geistes nie zum Thema seiner Erörterungen
macht" (S. 8). Pls. redet nur vom Werk des Geistes. Was
bleibt also anderes übrig, als das Sein des Geistes im Sinne
einer selbstverständlichen Voraussetzung der pln. Theologie zu
eruieren? Der Verf. tut es, indem er auf das pln. Zeugnis von
Gott rekurriert (S. 9—18). Denn es „muß aus diesem Zeugnis
von Gott auch eine Bestimmung darüber hervorgehen, was der
Geist Gottes ist und was er nicht sein kann..." (S. 8). Es
ist klar, daß diese methodische Prämisse, die bewußt darauf
verzichtet, die (gewiß nicht überflüssige) Frage nach dem Sein
des Geistes von den pln. Aussagen über das Wirken des Geistes
her zu beantworten, und statt dessen die dogmatische Lokalmethode
bevorzugt, den Gang der Untersuchung und deren Ergebnisse
entscheidend präformiert.

Doch ist nicht gerade ein Vorgehen, das sich an den dem thematischen
Subjekt „Geist" zugeordneten Tätigkeitsaussagcn orientiert,
die methodisch angemessene Weise, nach dem Sein des Geistes zu
fragen? Der Verfasser kann doch — bei der nach dem Offcnbarscin
Gottes fragenden Exegese von Rm. 1, 18 ff. — zur Abwehr einer falschen
Ontologie der Offenbarung selbst postulieren: „Man muß auf
die Verben achten!" (S. 13). Warum gilt das nicht auch bei der
Frage nach dem Sein des Geistes?

Vom pln. Gottesverständnis her ergibt sich für den Verf.
— in kritischer Auseinandersetzung mit den religionsgeschichtlichen
und anderen Versuchen zur Bestimmung des pln. Geistverständnisses
— folgende Definition für das Sein (Wesen) des
Geistes: „der Heilige Geist ist für Paulus Gott selbst, sofern
er aus sich heraustritt, um in der Kirche und ihren Gliedern sein
Werk zu vollenden und von daher sogar sich selbst gegenüber
für die Kirche und ihre Glieder einzustehen" (S. 47). Diese
Definition wird durch eine Analyse von 2. Kor. 3, 17 f. christo-
logisch dahin ergänzt, daß „der Geist... auch der Kyrios" ist,
„sofern der Kyrios aus sich heraus- und sich selbst gegenübertretend
in uns eingeht, um sich so in uns zur Geltung zu bringen
" (S. 54). Das filioque ist — in soteriologischen Bezügen —
exegetisch präpariert: „Der Geist ist nicht nur eine Bewegung
von Gott her zu uns, sondern auch eine Bewegung vom erhöhten
Kyrios her zu uns" (S. 54). Diese Bewegung ist nicht nur
ein Tun, sondern ein das Für-sich-Sein Gottes und des Kyrios
wahrendes „besondertes Sein" bzw. eine „besonderte Seinsweise
Gottes", in der Gott „sich selber gegenübertreten" (S. 62)
kann. Das Aus-sich-heraus-Treten Gottes im besonderten Sein
des Geistes ist nicht zu trennen davon, daß Gott sich „in sich
selbst im Geist gegenüber" tritt (S. 63). Beides aber ist die
Ermöglichung des Werkes des Geistes, der in den Menschen
eingeht, um diesen in die Bewegung der sich im Geist vollziehenden
Gotteserkemrtnis (l.Kor. 2, 10 ff.) einzubeziehen.

Nun kann von der Wirkungsweise des hl. Geistes explizit
geredet werden. Der Geist wirkt im Menschen die Heilserkenntnis
. Dabei ist für den Verf. entscheidend, daß der Geist nicht
in der Taufe mitgeteilt wird. Die gängige exegetische Auffassung
der Taufe als Mittel der Geistmitteilung hält der Verf.
für exegetisch unbegründet. Unter Berufung auf Gal. 3, 2. 5
heißt es vielmehr, daß der hl. Geist „sich uns durch die Botschaft
von Jesus Christus vernehmbar und verständlich" aber
so zugleich „das Christusgeschehen auch für uns zur Offenbarung
" (S. 81) macht. Hingegen ist der Glaube nicht das
Werk des Geistes. Wohl aber ist die ursprüngliche Einigung der
Glaubenden zur und die Erhaltung der Gemeinschaft der Glaubenden
als Kirche das Werk des Geistes. Damit stehen wir
vor der Frage nach der Heiligung.

Verf. orientiert sich zuerst am atl. Phänomen der Heiligung, das
durch die Selbstheiligung Gottes konstituiert sei. Der atl. Botschaft
von der Selbstheiligung Gottes entspricht aber bei Paulus sachlich
(nicht terminologisch) „der Begriff der Rechtfertigung des Sünders"
(S. 123). Die pln. Rechtfertigungslehre steht denn auch im Mittelpunkt
der Erörterungen über die Heiligung durch Gott und (!) durch
den Menschen. Die christologische Begründung der Rechtfertigungs-