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Ausgabe:

1965

Spalte:

41-43

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Vanhoye, Albert

Titel/Untertitel:

La structure littéraire de l'épitre aux hébreux 1965

Rezensent:

Delling, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 1

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leisten kann und was nicht. A. Jülicher vertrat zwar in
der letzten Auflage seiner „Einleitung in das Neue Testament"
('1931, S. 605) die Anschauung, daß sich aus den altlateinischen
Handschriften des NT nach allgemeiner Anschauung zwei Textformen
erkennen lassen, eine afrikanische und eine europäische,
fügt jedoch hinzu, daß er für sicher halte, „daß auch auf europäischem
Boden nicht nur eine Übersetzung des Neuen Testaments
ins Lateinische entstanden ist". Trotzdem legte er seiner
Ausgabe der altlateinischen Evangelienübersetzung die Hypothese
zugrunde, daß sich nicht nur die afrikanische von der europäischen
Textform (mißverständlicherweise auch ,,Itala" genannt
) eindeutig unterscheide, sondern daß sich auch aus den
verschiedenen Zeugen des europäischen Textes ein zugrunde
liegender gemeinsamer Text erschließen lasse. Infolgedessen ist
die Ausgabe so angelegt, daß der „europäische" und der afrikanische
Text in zwei Zeilen übereinander abgedruckt sind, wobei
den afrikanischen Text im Johannesevangelium nur der Codex
Palatinus (e) repräsentiert, während der „europäische" Text die
Rezension Jülichers wiedergibt, unter der die Lesarten der von
diesem Text jeweils abweichenden Handschriften genau angegeben
werden. Nun haben weder Matzkow noch Aland feststellen
können, nach welchen Grundsätzen Jülichers recensio des
europäischen Textes vorgenommen worden ist, so daß die der
Ausgabe zugrunde gelegte Fassung des „europäischen" Textes
nur als Resultat einer subjektiv begründeten Hypothese angesehen
werden kann, also weder den „europäischen" Text
wiedergibt noch die Frage endgültig entscheidet, ob es überhaupt
einen solchen Text gegeben hat. Außerdem hat Jülicher
seiner Ausgabe nur die altlateinischen Bibelhandschriften (für
Johannes jetzt 18, z.T. sehr fragmentarische Handschriften) zugrunde
gelegt, nicht aber auch die Texte der Kirchenväter, ohne
deren Zeugnis aber die Geschichte der altlateinischen Übersetzung
nicht wirklich erforscht werden kann. Innerhalb dieser
bewußten Begrenzung leistet aber die nun fertiggestellte Ausgabe
der altlateinischen Evangelien von Jülicher-Matzkow einen
wertvollen Dienst: der Text der an den verschiedensten Orten
veröffentlichten Handschriften ist hier zuverlässig und klar gemeinsam
dargeboten, und der Benutzer kann, wenn er erst einmal
das sehr einfache System der Kennzeichnung der Lesarten
sich klar gemacht hat, auf einen Blick sowohl die Gemeinsamkeiten
wie die Abweichungen in der lateinischen Wiedergabe
eines Textes durch die verschiedenen Handschriften erkennen.
Damit ist einerseits die Möglichkeit geboten, die sonst nur durch
mühsames Suchen und anhand einer großen Bibliothek bestand,
die Verweise auf das Zeugnis der altlateinischen Handschriften
in den gebräuchlichen Ausgaben des griechischen NT nachzuprüfen
und zu konkretisieren, andererseits ist eine zuverlässige
und bequeme Hilfe geschaffen zur Untersuchung des Sprachgebrauchs
und des Zusammenhangs der altlatcinischen Evange-
lienhandschriftcn. Man kann darum den Herausgebern nur herzlich
danken, daß sie das von A. Jülicher begonnene Quellenwerk
zur ältesten Geschichte der Evangelienübersetzung und
-interpretation zu einem guten Ende gebracht haben.

Marburg/Lahn Werner Georg Kümmel

Vanhoye, Albert, S. J.: La Structure litteraire de l'Epitre aux
Hebreux. Preface du R. P. St. Lyonnet, S. J. Paris-Bruges: Desclee
de Brouwer [1963]. 285 S. 8° = Studia Neotcstamentica, Studia I,
ed. A. Descamps et B. Rigaux. bfr. 360.—.

In der neuen Reihe von Arbeiten katholischer Theologen
zum Neuen Testament in französischer Sprache1 (s. ThLZ 88
[1963] 761) erschien nun auch der erste Band der Studia —
Nach einem kritischen Bericht über frühere Versuche der Gliederung
des Hb (11-32) grenzt V. in Kap. II, von einer Vorarbeit
von L. Vaganay2 aus ansetzend, fünf Hauptteile des Hb
sowie deren größere Unterteile gegeneinander ab (33—63). Das

') Vor kurzem begann mit den SANT eine neue Serie deutschsprachiger
Monographien katholischer Autoren, s. ThLZ 88 (1963)
756; nicht sehr viel älter sind die Bonner Bibl. Beiträge (die Neutest.
Abh. erscheinen seit 1908).

=) Le plan de l'Epitre aux Hebreux, Memorial Lagrange (Paris
1940) 269—277.

umfänglichste Kap. III ist der Aufgabe gewidmet, den Aufbau
des Hb bis ins einzelne zu analysieren (65—224). Wichtig werden
für V. zunächst die sog. Einschließungen — markiert durch
Wörter oder Ausdrücke, die am Anfang und am Ende eines Abschnittes
begegnen'1 —, für die V. die Zahl 32 angibt (223), sodann
zusammenfassende Formulierungen in einem abschließenden
Vers, der seinerseits mitunter auch schon den Gegenstand
des nächsten Abschnittes ankündigt (in diesem Sinn fungieren
u. U. auch mehrere Verse, 7, 26—28), dann aber besonders die
sog. Symmetrien, vor allem die konzentrischen Anordnungen
von großen und kleinen Abschnitten nach dem Schema A B B' A'
oder ABXB'A' (nach diesem Schema glieder V. auch Hb als
ganzen), die ebenso in kleinen Einheiten vorliegen wie Hb 1, 5 f.
(zwei wörtlich übernommene Zitate aus LXX, deren Zusammenstellung
das Schema a b b'a' ergibt); 3,3 (parallele und konzentrische
Symmetrie); 7, 11 f.; 10, 38 f., auch 10,11—13.

Dazu kommen zahlreiche Beobachtungen anderer Art, die
die Struktur des Textes betreffen. In dem Unterabschnitt 7, 11
—19 finden sich 7 ydg, von denen 6 sich nach V. symmetrisch
um den die Mitte bildenden V. 14 gruppieren; die Satzteile mit
yng entsprechen sich in V. 13 und 17, V. 12 und 18, V. 11
und 19. Der Wechsel zwischen 3 Wortbildungen mit naid-
in 12,9—11 ist kunstvolle Absicht. In 4,12 werden 5 Kennzeichnungen
des Xöyog gegeben, nach V. in einem rythme
savant geordnet in Wörtern mit 1, 2, 3, 4, 5 Silben (102). —
Den Schluß des kunstvoll aufgebauten Briefcorpus (für das etwa
an Apollos als Autor gedacht werden könnte) bildet übrigens
nach V. Hb 13, 20 f.; die anders gearteten Begleitzeilen 13,
22—25 sind angefügt (womöglich gar durch Paulus?) anläßlich
der Absendung an eine bestimmte Gemeinde (219.221 f.).

In Kap. IV bemüht sich V. um die Querverbindung
zwischen den Abschnitten der fünf Hauptteile des Briefes (225
—235), etwa zwischen 7, 11—28 und 10, 1—18, zwischen 5,
11-6,20 und 10,19-39. In Kap. V sollen an Hand des erarbeiteten
literarischen Aufbaus die theologischen Grundgedanken
des Hb herausgestellt wrden (237—258). Die Mitte des Briefes
ist danach 9, 1—14 bzw. speziell 9, 11 mit dem Wort tXQiaz6s
— Hb trägt eine Christologie vor (237 f.). Thema des Mittelteils
III ist das Opfer Christi, das Thema der Teile II und IV
ist ekklesiologisch (darin wird besonders der Bundesgedanke
einbezogen), das von I und III eschatologisch bestimmt (l, 5
—2,18; 12,14—13,18). Diese Trilogie von Themen findet sich
nach V. überall im Brief; ,sie erscheint darin in allen Stadien
der Entwicklung. Hier liegt in Wahrheit der Schlüssel der Komposition
' (239). Das Ineinander der Themen innerhalb ein und
desselben Abschnittes spricht nicht gegen die These, daß der
Autor des Hb .einem vollkommen konstruierten Plan' folgt
(247).

V. hebt ausdrücklich des Autors raffinement hervor
(71.120,153), seine virtuosite coutumiere (190), die elegance
seiner Arbeit (131.136), die beabsichtigte maniere artistique
(98) usw.; er bewundert in Hb ,eine erstaunliche literarische
Großtat' (235). Für den gebildeten Juden Alexandriens war es
ein Spiel (in dem er geübt war), die Fäden der Struktur des Hb
zu entwirren (101).

Freilich ergibt sich m. E. mehrfach die Frage, ob bestimmte
Befunde, die in der Analyse V.s als Finessen des Stils oder des Aufbaus
erscheinen — z. B. die Struktur parallellaufender Sätze, die zwei
Tatbestände einander gegenüberstellen (etwa 9, 13 f.; 9, 25 f.) —, sich
nicht o. w. aus der Absicht der Aussage, dem sachlichen Zusammenhang
usf. ergeben. Daß der Autor des Hb seine Sätze auch sprachlich
wohl durchdacht hat, soll damit ganz gewiß nicht geleugnet sein; man
kann aber fragen, ob er bestimmte Stilmittel nicht auch ohne besonderes
Raffinement gebraucht. Nicht jeder hervortretende Gebrauch
eines Wortes in 2 Versen mit bestimmtem Abstand und in bestimmtem
Zusammenhang weist auf die Bildung eines Abschnittes hin, vgl.
das akzentuierte anoXeineiai in Hb 4, 6.9 (V. teilt denn auch nicht
4,6—9, sondern 4,6—11 als Unterabschnitt ab). Daß eine bestimmte

•1) Manche dieser Wörter finden sich sonst in Hb überhaupt
nicht, so ajiiaxia 3,12.19, äxF.lfteia 4,6.11 — hier sagt V.: da«
Wort ist vom Autor für eine Einschließung reserviert (97) —, vm&Qot
1,11/6,12 (nur hier im N. T), dixatw/iaza 9,1.10.