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Ausgabe:

1965

Spalte:

598-601

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Schmithals, Walter

Titel/Untertitel:

Paulus und Jakobus 1965

Rezensent:

Wilckens, Ulrich

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 8

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nun aber auch in entscheidender Weise die Form der Darstellung
. Sie geschieht nicht schematisch, sondern läßt sich
jeweils durch den geschichtlichen Ort einer Schrift, ihre Absicht,
ihren lit. Charakter und dgl. bestimmen. So wird z. B. beim
2. Kor. das „literarische Problem" zum Ausgangspunkt der Betrachtung
gewählt, weil M. hier Tedaktionelle Arbeit vermutet
(,,Wenn es gelingt, den Ablauf der Korrespondenz des Paulus
mit der Gemeinde aufzuzeigen, wird diese einen besseren Einblick
in den Ablauf der Ereignisse gewähren. Das wiederum wird
zum Verstehen der einzelnen Teile des Briefes [nun: an ihrem
geschichtlichen Ort] helfen", S. 73). Oder beim Rm. wird der
Einstieg bei der „literarischen Gattung" genommen, und zwar
darum, weil Paulus hier einen „Brief" schreibt, ohne daß doch
— wie sonst immer — eine ihn in dieser Form rechtfertigende
Situation klar zu erkennen wäre. Warum schreibt er gerade den
Römern dieses „doctrinae christianae compendium"? (S. 87).
Zur Beantwortung dieser Frage wird eine breite Analyse der
Kap. 12—15 vorangestellt (die mehr eine theologische Auslegung
denn eine Einleitung ist! S. 88—97). Erst dann folgt auf
zweieinhalb Seiten ein „Überblick über die Kap. 1—11"
(S. 97 f.)! Oder bei der Behandlung der Evangelien treten die
speziellen Einleitungsfragen gegenüber der Redaktionsgeschichte
stark zurück. Was dabei im einzelnen ausgeführt wird (etwa zur
Passionsgeschichte, S. 117 ff.), ist weit eher theologische Interpretation
als Einleitung. Charakteristisch sind auch die zahlreichen
Anweisungen an die Exegeten (vgl. S. 143 ff.; 55; 65;
85; 166; 202; 218; 229; 237 u. ö.). Beim Joh.-Ev. vermißt man
jedoch eine Erörterung der religionsgeschichtlichen Stellung sehr.
Wie denn überhaupt das Buch gegen Ende sehr kurz wird (z. B.
fehlt bei der Joh.-Offbg. eine Diskussion der Quellen, der lit.
Form des Aufbaues). Der dominierende Gesichtspunkt der Frage
nach der theologischen Relevanz läßt alle anderen Gesichtspunkte
stark zurücktreten.

Überhaupt ist nun hier der Ort, auch einige grundsätzliche
kritische Einwände zu erheben: 1. Ist das Buch wirklich eine
„Einleitung in das NT"? Schon der Untertitel macht stutzig:
„Eine Einführung in ihre (!) Probleme." Man würde erwarten:
in seine Probleme, nämlich die des NT. Das ist wohl auch
gemeint. Denn es soll doch wohl nicht in die Problematik der
Einleitung eingeführt werden (sozusagen als Einleitung in die „Einleitung
"!), sondern in die Probleme, welche die Einleitungswissen-
schaft als Gegenstand hat. Dann ist der Untertitel aber auf jeden
Fall unscharf. Erst recht die Lektüre macht deutlich, daß es sich
nicht oder doch nur zu einem geringen Teil um eine Einleitung
im traditionellen Sinn handelt. Laut eigener Zielsetzung (S. 7!)
ist das Buch vielmehr eine Art Anleitung zu einem theologisch
sachgemäßen Umgang mit den Schriften des NT. Sofern damit
das richtige Verstehen „eingeleitet" wird, kann man das
natürlich auch „Einleitung" nennen. Aber im theol. Wissenschaftsbetrieb
ist dieser Name nun einmal terminus technicus
für eine bestimmte Disziplin, die sich (was die spezielle Einleitung
anbetrifft) eben besonders um die Entstehungsverhältnisse
(Verfasser, Leserkreis, Zeit und Ort der Abfassung, Veranlassung
und Zweck, Quellen, Integrität) der einzelnen Schriften
bemüht. Man kann darum fragen, ob der Titel für M.'s
Buch nicht zweckmäßigerweise hätte vermieden werden sollen,
und zwar besonders im Blick auf viele Käufer und Leser, die
hinter ihm etwas anderes vermuten. — 2. Das Buch beschränkt
sich auf die „spezielle Einleitung" (S. 7). Darf es das bei seiner
Zielsetzung? Wir geben zu bedenken, was A. Jülicher im Vorwort
zu seiner Einleitung (1894) schrieb: Er beklagt sich, daß
sein Buch trotz aller vom Verlag auferlegten Einschränkungen
immer noch zu umfangreich sei. „Der 2. und 3. Teil, die Geschichte
des Kanons und die des Textes, werden die Hauptschuld
daran tragen; ich mochte bei ihnen am wenigsten mit den
Zeilen markten, weil sie in der Regel zu gering geschätzt
werden, der Einblick in dieses Werden aber vor Anderem geeignet
ist, eine gesunde Auffassung theologischer (!) Fragen
herbeizuführen" (S. V). — 3. Sonst aber hat M. in der Beschränkung
wirklich Vorbildliches geleistet. Allein darf — bei
einem solchen Buch! — die Kürze auf Kosten der Diskussion
gehen? Das ist grundsätzlich problematisch, zumal bei einem

„Lesebuch", das offenbar für ein breiteres Publikum gedacht ist
(alle griech. Wörter werden übersetzt). Wie soll dieser Leserkreis
die „implizit" geführte Diskussion überhaupt wahrnehmen
? Muß er nicht vielmehr annehmen, die von M. vorgetragenen
Argumente seien überhaupt die allein stichhaltigen?
Das um so mehr, als oft nur die Literatur angegeben wird, die
M.'s These stützt (z. B. zu Gal., S. 56; oder zu Lk., S. 143; oder
zu Joh., S. 219). — 4. Überhaupt ist das Literaturverzeichnis —
selbst bei mildester Beurteilung — zu einseitig und oft auch zu
knapp. Warum — außer den Kommentaren — E. Bammel (Judenverfolgung
und Naherwartung. Zur Eschatologie des Ersten
Thess. ZThK 1959, 294 ff.) als einzige Lit. zum l.Thess. genannt
wird (S. 3 8), versteht man nicht. (S. 37, Anm. 1 werden
allerdings auch K. G. Eckart: Der zweite echte Brief des Apostels
Paulus an die Thess, ZThK 1961, S. 30 ff. und W. G. Kümmel:
Das lit. u. geschichtl. Problem des ersten Thess., in: Neotesta-
mentica et Patristica, Freundesgabe für O. Cullmann, 1962,
S. 213 ff. genannt.) Beim Phlm (S. 67) sollte U.Wickert (Der
Philemonbrief — Privatbrief oder apostol. Schreiben? ZNW 52,
1961, S. 230 ff.) nicht fehlen, bei Mt. (S. 136) nicht G.Strecker
(Der Weg der Gerechtigkeit. Untersuchungen zur Theol. des
Mt. FRLANT 82, 1962). Beim Hebr. werden überhaupt nur
O. Michel (Meyer "i960) und E. Käsemann (Das wandernde
Gottesvolk, *1961) zitiert. Die guten Untersuchungen der kath.
Exegeten O. Kuß (Der theol. Grundgedanke des Hebr. MThZ 7,
1956, S. 233 ff. = Ausl. u. Verk., Ges. Aufs. I 1963, S. 281 ff.)
und F. J. Schierse (Verheißung und Heilsvollendung. Zur theol.
Grundfrage des Hebr., 195 5) sollten aber unbedingt genannt
werden, vor allem aber der ausgezeichnete Aufsatz von W. Nauck
„Zum Aufbau des Hebr." (Jeremias-Festschr., BZNW 26, 1960,
S. 199 ff.). — 5. Der Wechsel von Großdruck und Kleindruck
ist in seiner Motivierung nicht immer durchsichtig. Dem Leser,
der das Kleingedruckte für weniger wichtig hält und überschlägt,
entgehen sicher einige bedeutende Partien des Buches (z. B.
S. 106 f. 174. 175. 176 f. u. ö.).

Jedoch: All diese kritischen Anmerkungen berühren nicht
den Gesamtentwurf des Buches: der ist nach Methode und Ergebnis
überzeugend und wird seinen Weg machen. Eine große
und dankbare Leserschar ist M. gewiß.

Corrigenda: S. 37, Anm. 1 lies Eckart statt Eckard; ebd.: lies
„Das literarische und geschichtliche Problem" statt „Das Problem . . .".
— S. 73, Anm. 1 lies 1961 statt 1962. — S. 85 lies (im Lit.-Verz.) 1961
statt 1962; ferner ZNW 1942. S. 3 3 ff. statt ZNW 1942. S. 13 ff. - S. 94,
Anm. 6 lies 1959 statt 1954/8: ebenso S. 100 (im Lit.-Verz.). — S. 103,
Anm. 3 lies 1817 statt 1807 (in der 3. Aufl. verbessert). — S. 152 (im
Lit.-Verz.) lies 13. Aufl. statt 12. Aufl. — S. 153, 9. Z. v. u. lies ex-
pressis verbis statt expressiv verbis. — S. 161 (im Lit.-Verz.) lies 1953
statt 1958; ebenso S. 171. — S. 173, 15. Z. v. o. lies Michaelis statt
Michaiis; ebd. Anm. 2 lies 1961 statt 1962. — S. 194, Anm. 1 lies 1961
statt 1962. — S. 197, 11. Z. v. u. lies Nomismus statt Nominismus. —
S. 211, 9. Z. v. o. lies johanneische statt johenneische (in der 3. Aufl.
verbessert). — S. 233 (im Lit.-Verz.) lies 8. Aufl. statt 9. Aufl.

Bochum Erich Gräßer

Schmithals, Walter: Paulus und Jakobus. Güttingen: Vanden-
hoeck & Ruprecht 1963. 103 S. gr. 8° = Forschungen z. Religion
u. Literatur d. Alten u. Neuen Testamentes, hrsg. v. E. Käsemann
u. E. Würthwein, 85. H. Kart. DM 12.80.

Dieser schmale Band verdient Beachtung. In ihm liegt nichts
weniger als ein neuer Entwurf der Geschichte des Urchristentums
vor, der den Anspruch erhebt, das Konzept F. C. Baurs von
Grund auf zu ersetzen. Hat Verf. in seinen verschiedenen Studien
zu dem Problem der Gegner des Paulus die Meinung vertreten,
daß es sich bei diesen — auch bei denen des Galaterbriefes! —
um keinerlei judenchristliche Radikalisten handle, und irgendwelche
Beziehungen zwischen ihnen und Kreisen der Jerusalemer
Urgemeinde (geschweige denn deren Führern) nicht bestehen,
so soll die vorliegende Untersuchung darüberhinaus den Nachweis
führen, daß es „judaistische" Judenchristen im Bereich der
Urgemeinde überhaupt nicht gegeben habe. Das Verhältnis
zwischen Paulus einerseits, Petrus und Jakobus andererseits, war
zu keiner Zeit durch solche ,Judaistischen" Kräfte belastet. Die
Repräsentanten des Juden- und Heidenchristentums gehören viel-