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1965

Kategorie:

Judaistik

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 8

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Thüringer Wald und dem Harz sich hinziehenden Handelsstraße
gelegen, erfreute sich E. besonders unter Landgraf Hermann
I. (1190—1217) eines Aufschwungs. In den ersten Jahrzehnten
des 13. Jahrhunderts hatte es bereits Wochen- und
Jahrmärkte und mehrere Kirchen und Klöster.

Erfurt, der bedeutendste Ort Thüringens, hatte bereits in
der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts Juden und im 1. Viertel des
13. eine jüdische Gemeinde. Für Eisenach liegt eine Nachricht
der wahrscheinlich in die 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts gehörenden
Thüringischen Chronik vor. Danach hätten unter
Landgraf Hermann L, um den Anbau der Stadt zu fördern, die
Juden die Erlaubnis erhalten, in E. nahe am Markt Häuser zu
bauen, weil sie das erforderliche bare Geld besessen hätten. Zu
des Chronisten Zeit hieß es noch, ,,dy beste gasse da", die
jetzige Karlstraße, die Judengasse, obwohl sie inzwischen
diese gegen die Löbergasse, wo damals ihre „Schule" stand,
hatten vertauschen müssen.

Sichere Kunde von einer jüdischen Niederlassung daselbst
in unserer Zeit erhalten wir nur durch den Namen Jechiel b.
Jakob aus Eisenach. Außer einem synagogalen Gedichte und
einem Klagelied über die Zerstörung des Tempels kennen wir
von ihm noch ein Klagelied über die Verfolgung von Lauda
und Bischofsheim aus dem Jahre 1235, in welchen beiden Klageliedern
sich der Verfasser im Akrostichon selbst nennt. In der
Überschrift zu dem ersteren Klagelied wird er nach E. genannt.
Ohne Zweifel war er Zeitgenosse der Verfolgung und stand
dem Schauplatz des blutigen Ereignisses nahe.

Erlangen Hans-Joachim Sc b oep s

Ahne, Lothar: „Jüdische und christliche Geistigkeit" (Junge Kirche

23, 1962 S. 271—274).
Loewenstein, Julius Izhak: Franz Rosenzweig (ZRGG 17, 1965

S. 20—43).

NEUES TESTAMENT

Marxscn, Willi: Einleitung in das Neue Testament. Eine Einführung
in ihre Probleme. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd
Mohn [1963-19643]. 240 S. gr. 8°. Lw. DM 19.80.

Laut „Vorwort" (S. 7) will das Buch „Hilfe" in einer
doppelten Not sein: es will den „traditionellen Lehrbücher(n)
der Einleitung in das Neue Testament", die wegen der „Fülle
historischer Einzelheiten ... oft unübersichtlich" sind, ein überschaubares
„Lesebuch" an die Seite stellen; es will ferner einen
„Gesichtspunkt", den diese Lehrbücher „nahezu unberücksichtigt
lassen", wieder zurückgewinnen: den der „Bedeutung der Einleitungswissenschaft
für die Exegese". Ob M. mit diesem letzten
Vorwurf recht hat, scheint mir zweifelhaft. Denn letztlich
will doch keine der bekannten „Einleitungen" etwas anderes
tun, als eben das Feld beackern, auf dem Exegese gedeihen soll.
Doch wie dem auch sei: recht hat er sicher mit seiner Beobachtung
, daß bei der „Exegese in der Praxis... die Einleitungs-
wissenschaft so gut wie vollständig ignoriert wird". Die Ursache
dafür sieht M. darin, daß „der Student zwar für das erste
Examen Einleitung gepaukt hat, sie dann aber beiseite legte,
weil er sie nie wirklich erfaßt hatte." Doch hätte M. gar nicht
den vielberufenen Mann der Praxis allein zu apostrophieren
brauchen. Er hätte außerdem darauf hinweisen können, daß ein
gewisser Trend auch in der theologischen Wissenschaft
heute die Gefahr heraufbeschwört, daß „Hermeneutik" und
„historisches Handwerk" sich als zwei disparate theologische
Arbeitszweige entfremden (vgl. nur die Diskussion von E.
Käsemann mit E.Fuchs und G. Ebeling in der ZThK 59, 1962,
S. 257 f.!). Die systematische Frage darf und kann sich aber von
der historischen nicht ablösen. Darum: „Einige müssen in der
gegenwärtigen Hochflut der .Interpretation' der Nachlaß-Verwaltung
der Historiker sich widmen" (E. Käsemann a. a. O.
257, Anm. 1). Insofern also ist M.'s Buch auf jeden Fall ein
notwendiges Buch, als es die theologische Relevanz
des Historischen an der ntl. Disziplin demonstriert,
die es ausschließlich mit Historie zu tun hat und eben darum in
unsern Tagen leicht einer gewissen Geringschätzung verfällt: an
der Einleitung in das NT.

Dabei ist M. — der sich auf die spezielle Einleitung beschränkt
— in seinen Ergebnissen keineswegs originell (was ja
wohl auch nicht in der Absicht eines solchen Buches liegt). Hier
steht er vielmehr auf den Schultern ganzer Forschergenerationen,
und zwar durchweg auf denen der stark kritischen Richtung
(z. B. mit der Behauptung der Unechtheit von 2. Thess., Kol.
und Eph.; mit den lit. Teilungshypothesen zu Phil., 2. Kor. und

1. Petr.; mit der Verteidigung der kirchlichen Redaktion des
Joh.-Ev. und anderem mehr). Originell aber ist er im Ansatz
seines Buches, in der Methodik und in der Darstellungsform.
M. hat sich mit seinen früheren Büchern über das Mk.-Ev. und
über den Frühkatholizismus im NT als Vertreter der traditions-
und redaktionsgeschichtlichen Erforschung des Neuen Testaments
ausgewiesen. Es ist klar, daß die hier gewonnenen Ergebnisse
früher oder später auch zu Konsequenzen in der Einleitungs-
wissenschaft führen mußten. Im einleitenden § 1 („Einleitung
in das Neue Testament als theologische Aufgabe", S. 9 ff.) werden
sie gezogen (vgl. aber auch die 6ehr instruktiven Abschnitte
„Zur Frage der Redaktion" S. 63 ff. [zum Phil.], S. 72 ff. [zum

2. Kor.], S. 121 ff. [zum Mk.-Ev.], S. 131 ff. [zum Mt.-Ev.],
S. 137 ff. [zum Lk.-Ev.], S. 201 ff. [zum l.Petr.], S. 214 ff. [zum
Joh.-Ev.]): Das NT wird im Ansatz verstanden als „der
älteste erhaltene Predigtband der Kirche" (S. 237), als Dokument
der „Verkündigungsgeschichte" des frühen Urchristentums
also, welches „das apostolische Zeugnis in je neue Situationen
hinein weiterverkündigt" hat (236). Daraus leitet sich für M. —
völlig konsequent — die theologische Relevanz und die Methode
einer „Einleitungswissenschaft" ab. Die theologische
Relevanz: „Indem sie (die Einleitungswissenschaft) nämlich
die geschichtliche Situation der einzelnen Schriften klärt, hilft
sie zu verstehen, warum die Botschaft gerade so formuliert
und gegenüber früherer Verkündigung variiert wurde. Eben dadurch
liefert sie entscheidende Gesichtspunkte, die eine sachgemäße
Prüfung überhaupt erst ermöglichen" (S. 17). M. a. W.:
Durch Erhebung der geschichtlichen Situation einer Schrift wird
ihre sachgemäße Exegese überhaupt erst möglich. Die Methode
: Begreift man die Schriften des NT sozusagen als den
literarischen Niederschlag einer Verkündigungsgeschichte, so ist
klar, daß „die historische Methode die dem Charakter
der Quellen einzig gemäße" ist (S. 16; vgl. auch S. 19 und S. 153).
Es ist dann ferner klar, „daß nicht jede der 27 Schriften des NT
unmittelbar am Ein-für-allemal der Offenbarung orientiert
ist. Die Schriften stehen vielmehr in bestimmten Traditionslinien
" (S. 17). Das aber muß in der Gliederung zum
Zuge kommen. Es gilt, „die späteren Schriften von den in der
Traditionslinie früheren aus zu verstehen" (S. 18). Also Behandlung
der Schriften in „der Reihenfolge ihrer Entstehung" (S. 18)!

Daraus ergibt sich die Disposition des ganzen Buches in sechs
Hauptabschnitte: I. Die paulinischen Briefe, S. 21—100 (in der Reihenfolge
1.2. Thess, Gal, Phil, Phlm, 1.2. Kor, Rm. Eine Inkonsequenz
ist die Position des 2. Thess. M. erkennt ihn nicht als Paulus-Brief an,
sondern sieht darin ein Pseudonymes Schreiben, das „bald nach 70"
geschrieben wurde, S. 44. Sein geschichtlicher Ort wäre dann — im
Aufriß von M. — zwischen Mk [vor 70] und Mt [nach 80]. Dieser erste
Hauptabschnitt enthält außerdem einleitend ein Kap. über „Die Chronologie
des Lebens des Paulus", S. 21—26 und ein sehr gutes Kap.
über „Paulus als Verfasser brieflicher Verkündigung", S. 26—31); II.
Die synoptischen Evangelien und die Apostelgeschichte, S. 101—152
(mit den Unterabschnitten „Das syn. Problem", S. 101 ff., Das syn.
Traditionsgut, S. 107 ff., Markus-Evangelium, S. 120 ff., Matthäus-
Evangelium, S. 130 ff., Lukas-Evangelium, S. 137 ff., Exkurs: Zur Frage
der Synoptiker-Exegese, S. 143 ff., Apostelgeschichte, S. 147 ff.); III.
Die deuteropaulinischen Briefe, S. 153—191 (in der Reihenfolge Kol,
Eph, Past, Hebr); IV. Kirchenbriefe, S. 192—208 (in der Reihenfolge
Jak, 1 Ptr, Jud, 2 Ptr); V. Das johanneische Schrifttum, S. 209—227
(in der Reihenfolge Joh-Ev, 1 Joh, 2. 3joh); VI. Die apokalyptische
Literatur, S. 228—233 (Joh-Offbg.). Den Abschluß des Buches bilden
Epilegomena: „Das NT und der Kanon", S. 234 ff. Hier zieht M. die
Konsequenzen seines Ansatzes aus bis zur Frage nach der Verbindlidi-
keit des Kanons: als historische Größe löst er sich auf; als sachliche
Größe bleibt er unaufgebbar. Denn der „eigentliche Kanon",
d. i. „das apostolische Zeugnis, dem allein normative Autorität zukommt
", liegt „vor dem Neuen Testament" und kann allein „durch
Rückfragen durch das NT hindurch" ermittelt werden (236).

Ansatz und besondere Zielsetzung des Buches bestimmen