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Ausgabe:

1965

Spalte:

587-589

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Fohrer, Georg

Titel/Untertitel:

Studien zum Buche Hiob 1965

Rezensent:

Hempel, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 8

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Heidenchristentums zumindest auf das hellenistische Judenchristentum
nicht ausschließen. Da H. mit Recht dem hellenistischen
Judenchristentum besondere Bedeutung für die Gestaltung
der Christologie zuerkennt, wirkt die Einseitigkeit seiner Bezugnahme
hier ebenso wie die spärliche Heranziehung vorpauli-
nischer Traditionen beeinträchtigend und ist besonders bedauerlich
. Die durch sein ei nliniges Entwicklungsschema bedingte Textbehandlung
wie die Tatsache, daß an entscheidenden Punkten
Behauptungen anstelle sachlicher Begründungen stehen, nehmen
seiner Darstellung auch in Einzelheiten allzu häufig ihre Überzeugungskraft
. Methodisch fragwürdig ist schließlich auch die
primäre Orientierung der Entwicklung am irdischen Jesus statt
am Auferstandenen.

Begrüßenswert an H.s Buch ist außer dem Fehlen von apologetischen
Rekursen auf das Selbstbewußtsein Jesu besonders
die Aufarbeitung der immensen Literatur, wenn ihm auch manche
Publikationen wie gerade die entscheidenden Arbeiten zum
Kyrios-Problem entgangen sind. Die vor 50 Jahren durch W.
Boussets .Kyrios Christos' gestellte religionsgeschichtliche und
theologische Frage ist hier leider nicht in Angriff genommen.

ALTES TESTAMENT

F o h r e r, Georg: Studien zum Buche Hiob. Gütersloh: Gütersloher
Verlagshaus G.Mohn [1963]. 132 S. gr. 8°. Kart. DM18,—.

Es ist dankenswert, daß Prof. Fobrer, wie er s. Z. seinem
Ezechiel-Kommentar seine „Hauptprobleme des Buches Ezechiel"
(BZAW 72, 1952) vorausgehen ließ, so auch seinem umfassenden
Hiob-Kommentar (Gütersloh 1963) eine Reihe von Aufsätzen
zu Einzelproblemen vorausgeschickt, ihn dadurch entlastet
und diese Auseinandersetzungen mit Spezialfragen jetzt zusammengefaßt
hat erscheinen lassen. Man wird gut tun, den Kommentar
nicht ohne diese Studien zu lesen.

Die erste: „Nun aber hat mein Auge dich geschaut. Der
innere Aufbau des Buches Hiob" (S. 7—25) weicht von dem
meist verbreiteten Verständnis darin ab, daß für sie nicht das
Problem des Leides mit Einschluß der Theodizee, sondern das
Verhalten des Menschen i m Leide das große Thema (mit
Nebenthemen) des Buches darstellt, und darin, daß die erste
Eliphaz-Rede nicht als Neueinsatz, sondern als Reaktion auf
Kap. 3 verstanden wird. Damit verschiebt sich das Verhältnis
der Hiob- zu den Freundesreden überhaupt. So beginnt für ihn
der zweite Redegang bereits in 12, 1, nicht wie für — um nur
ein neuestes Beispiel zu nennen — Terrien in der Interpreters
Bible III, S. 1015 mit 15, 1. Es ist mir zweifelhaft, ob damit
nicht die Gefahr entsteht, die Besonderheit der einzelnen
Freundesrede — etwa in der ersten Bildadrede die kulturgeschichtlich
so bedeutsame Möglichkeit, die Rationalität göttlichen
Handelns von der künstlerischen Seite her anzufassen
[kein Künstler wird, was er geschaffen, ohne zwingenden Grund
zerschlagen] — zu kurz kommen zu lassen. Der Vorzug ist, wie
ich schon ZAW 71, 242 ausgeführt habe, die Straffheit, die
Fohrer für den Aufbau des Dialogs erarbeitet. Analog bietet er
für die Dreiheit der Herausforderungsreden Hiobs an Gott, die
Gottesrede und die Wende in Hiob im losen Anschluß an das
kultische Schema der Herbeiführung „eines kultprophetischen
Orakels mit erhörender Heilszusage oder eines Gottesurteils"
eine straffe Hinführung auf das Ziel: Hiob ist „in alledem der
häretische Mensch, der der falschen Theologie der Freude eine
nicht weniger falsche Meinung entgegensetzt. Daß ihre Lehre
unhaltbar ist, hat sich im Dialog erwiesen. Daß seine Ansicht
genauso unhaltbar ist, muß noch erwiesen werden" (S. 22).

In der zweiten Studie: „Zur Vorgeschichte und Komposition
des Buches Hiob" (S. 26—43), die zuerst mehrere Jahre
vor der ersten veröffentlicht ist, ist insofern der Grund für die
erste gelegt, als aufgezeigt wird, daß sowohl die Rahmenstücke
als die Gottesreden (mit geringen Abweichungen) zum Bestand
des Buches gehören, wie es der Dichter der Gesamtkomposition
geformt hat. Die Vorgeschichte, welche die Hioblegende vor
ihrer Benutzung durch diesen Dichter gehabt hat, sucht die
dritte Studie (S. 44—67) aufzuhellen. In sorgfältiger Beobachtung
jedes einzelnen Zuges wird die Legende von der vorisraelitischen
Zeit (vgl. vor allem S. 64 den Nachweis ugaritischer
Parallelen) über die frühisraelitische (Hiob Halbnomade im
Kulturland am Rande der Wüste) und den Einfluß der Weisheit
bis zur frühexilischen (Ez. 14, 12—23) zur frühnachexilischen
Zeit (der Satan!) verfolgt. Auf die Fülle der Einzelbeobachtungen
kulturgeschichtlicher (Nichtvorkommen des Pferdes, aber
des Kameles) unid sprachgeschichtlicher Art (Vorkommen und
Geschichte von Einzelworten, Benutzung der Gottesnamen)

kann hier nur verwiesen werden. Der wichtigste Eingriff des
Dichters besteht darin, daß er in 2, 13 ff. die Bekannten und
Verwandten, die gleich der Frau Hiob versucht haben, und die
in 42, 11 wieder auftauchen, durch die drei Freunde ersetzt hat.

In der vierten Studie: „Form und Funktion in der Hiob-
dichtung" (S. 69—86) wendet sich Fohrer gegen eine einseitige
Benutzung der formgeschichtlichen Methode mit ihrer Frage
nach dem „Sitz im Leben" der einzelnen literarischen Form mit
der These, daß die Form im „Buch" eine eanz andere Funktion
haben könne, und sucht diese Annahme durch Beispiele aus dem
Hiob zu unterbauen. So erhalten, um nur ein Beispiel zu geben,
„die in der Hiobdichtune vielfach vertretenen Formen des
Rechtslebens" in dem Dialoe mit den Freunden, der sich „weithin
unter Verwendung von Rechtsformen (vollzieht), obwohl
kein Prozeß und Gerichtsverfahren stattfindet, ... da Hiob die
seiner Ansicht nach falsche Belehrung der Freunde ablehnt, dazu
vielmehr die Funktion einer Bestreitung falscher Lebensregeln"
(S. 75). Eine Redeform kann bei ihrer Verwendung geradezu in
ihr Gegenteil verkehrt werden. So zielen die Formen der Klage
„im Gegensatz zu den Psalmen in 3, 11—13. 21 ff. und 6, 8—10
nicht auf eine Besserung der Situation des Klagenden ab, sondern
(sie) beklagt, daß der Tod nicht eingetreten ist, und stellt
eine unausgesprochene Bitte um ihn dar" (S. 77). Die Tatsache,
daß Eliphaz in seiner ersten Rede auf dies „Liebeslied auf den
Tod" in Kap. 3 nicht eingeht, ist einer der Gründe meiner oben
geäußerten Zweifel an der Neueruppierun? des ersten Redeganges
. Worum es Fohrer dabei besonders geht, ist, der Vernachlässigung
der Redeformen der Weisheit gegenüber denen
der Rechtssprache und der Klage ein Ende zu machen. Der Zusammenhang
mit der Weisheit beherrscht nun die Elihureden,
deren eingehender Analyse (32, 6—22 Einleitung, 33, 1—30
erste, 34,2—37 zweite, 33,31—33, 3 5, 2—26 dritte, parallel
gebaute Rede, 37,14—24 Schluß mit 36,27—37, 13 als einem
seine Reden mißverstehenden, eingelegten Hymnus) die 5. Studie
(S. 87—107 gewidmet ist. Sie führen sachlich unter immer
erneutem Zurückgreifen auf Äußerungen Hiobs von der Betrachtung
des Handelns Gottes als Erziehungs- und Prüfungsleiden
, das den Menschen „vor das Entweder-Oder der schließlichen
besseren Einsicht oder des völligen Untergangs stellt",
für „den verstockten Sünder" zu der „Möglichkeit des persönlichen
Eingreifens Gottes, das die Rettung herbeiführen kann"
(S. 105). Solches Wissen ist dem Elihu nach seinem Selbstverständnis
in einer „übernatürlichen Erleuchtung und unmittelbaren
Eingebung" zuteilgeworden, wie sie den Propheten zuteil
wird (S. 103). Wie in der zweiten Studie die Gottesreden zum
Bestand des von dem Dichter geschaffenen Buches gerechnet
werden, so — mit Ausnahme der Schilderung von Nilpferd und
Krokodil — auch in der sechsten und letzten (S. 108—130), oder
besser gesagt nicht die Gottesreden, sondern eine in einen
einleitenden (38,2—3), einen ausführenden (38,4—39,30, in
sich mehrfach untergliedert) und einen Schlußteil (40, 2. 8—14)
geordnete Rede, „Gottes Antwort aus dem Sturmwind". Auch
sie wird (vgl. die Aufgliederung S. 122 in ihrem Zusammenhang
mit der Listenwissenschaft und ironischen Formen der
Streitschrift des Papyrus Anastasi, aber auch mit „den Fragen in
den Streitgesprächen der Weisen und den Verhörfragen vor der
Rechtsgemeinde"), formal und sachlich analysiert. Das Ergebnis
wird dahin zusammengefaßt, daß Hiob als der, der Gott gleich