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Ausgabe:

1965

Spalte:

537

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Erläuterungen zu 2. Lieferung Karte NF 13-21 1965

Rezensent:

Holtz, Gottfried

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537

R ö s s 1 e r, Helmut: Die Kirche als Mäzen (Kunst und Kirche 27,

1964 S. 147—150).
Schmidt, Heinrich: Gemeindezentrum — Aufgabe oder Gefahr?

(Kunst und Kirche 27, 1964 S. 172—174).
Striffler, Helmut: Aufgabe des Kirchbaus heute (Kunst und Kirche

27, 1964 S. 155—157).

RELIGIÖSE VOLKSKUNDE

Z e n d e r, Matthias: Atlas der deutschen Volkskunde. Neue Folge.
Auf Grund der 1929 bis 193 5 durchgeführten Sammlungen im Auftrage
der deutschen Forschungsgemeinschaft hrsg. Lfg. 2. Karte 13
—24. 70X80 cm. Erläuterungen zur 2. Lfg. S. 233—528, Abb. 26
—61. 4°. Marburg: Elwert 1963.

Über die Neue Folge des Atlas der deutschen Volkskunde
ist ThLZ 1960 Sp. 34 f. berichtet. Die zweite Lieferung verdient
hohe Beachtung der Theologen, denn sie ist dem Bestattungsbrauch
gewidmet. Speziell der gewichtige Beitrag des
Herausgebers über die Grabbeigaben (S. 230—380 des Kommentars
) verdient höchstes Interesse. Hier werden wir in einer
u. E. bisher nicht erreichten Materialfülle und Gründlichkeit mit
dem Volksglauben über den Tod bekannt gemacht. Es fällt
schwer, besonders Kennzeichnendes herauszuheben. Überall
herrscht der Glaube an das Weiterleben des Toten, darum
werden z. B. Lebensmittel, Geld, Waschzeug, Kamm und Bürste,
auch Lieblingsgegenstände (bei Kindern z. B. Puppen) in den
Sarg gelegt. Einige Hinweise lenken darauf hin, daß ein vorgeschichtlicher
Totenglaube bis in die Gegenwart nachwirken
könnte. Doch genügt das archäologische Material hoch nicht zu
sicherer Urteilsbildung. Manche Beigabe ist durch den Glauben
an den Nachzehrer (Vampir) zu deuten, so schon oft die
Geldbeigabe, — etwa in dem Sinn: Du bist ausgezahlt, Du
kannst gut leben, belästige mich gefälligst nicht mehr! Die
Lebensmittelgaben haben oft den gleichen Sinn, desgleichen
unvollendete Handarbeit, so ewig zu flickende Netze oder
immer wieder aufzulösende Strickerei. Der Tote soll völlig
beschäftigt sein, damit er nicht auf den Gedanken der spukhaften
Wanderung kommt. Einige Beigaben (Lorbeer, Apfel,
Zitrone) sollten desinfizierende und apotropäische Kraft haben.
Eitrige Binden, blutgetränkte Tücher, Urin, Warzen u. a. sollten
, wenn der Tote sie mitnimmt, Krankheit der Lebenden
bannen. Solche Vorstellungen also lebten bis in unser Jahrhundert
in weiten Volkskreisen, und die Kirche mit ihrer
Heilsbotschaft berührte sie nicht! Besonders wichtig dürften
Hinweise auf Brauchtumswechsel sein. In ihm werden wir auch
auf frühe Spuren der Säkularisation geführt. So sind die
Blumengaben späte säkularistische Erscheinungen, die an die
Stelle abgetaner Glaubensvorstellungen traten. Der Zerfall des
alten Volksglaubens scheint im allgemeinen in protestantischen
Volksteilen früher eingesetzt zu haben als in katholischen.
Die Konfessionen schieden sich auch an den Grabbeigaben
(Gesangbuch, Rosenkranz, Heiligenbild; das Bild des liebsten
Menschen ist wieder Säkularisierung). Allgemein war Gold im
Sarg verboten. Der Ehering war auch deshalb zu entfernen,
weil er den magischen Kontakt mit dem überlebenden Ehegatten
festhielt und ihn nachholen konnte. Darum wurden
auch Namen und Monogramme aus dem Totenlinnen entfernt.
Genug der Beispiele! Zender geht sehr vorsichtig und kritisch
mit dem Material um. Karten, Abbildungen und Text — alle
drei gleich vorzüglich! — weisen die regionalen Grenzen auf
und ermöglichen die Analyse der Schichtungen und die Erklärung
des Werdens, Welkens und Sterbens. Der Religions-
geschichtler, Kirchengeschichtler und praktische Theologe haben
viel daraus zu lernen. — Die beiden übrigen Kapitel gelten dem
Totenfest, speziell dem Gebäck zu Allerseelen, und den Speisen
beim häuslichen Totenmahl. Sie haben viel mehr nur deskriptives
volkskundliches Interesse als der schwergewichtige
Hauptbeitrag Zenders, dem in erster Linie unsere Aufmerksamkeit
zu gelten hat. Wir möchten wünschen, daß das Werk
Eingang in die Institutionsbüchereien fände.

Rostock Gottfried Holtz

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Bauer, Paul: Horoskop und Talisman. Die Mächte des heutigen
Aberglaubens und die Macht des Glaubens. Stuttgait: Quell-Verlag
[1963]. 286 S., 8 Taf. 8°. Lw. DM 16.80.

Das Buch gehört zum gehobenen Gemeindeschrifttum. Behandelt
werden Themen wie diese: Zauberei und Zauberbücher,
Hellsehen, Wahrsagen, Traum, Spuk, Lourdes, Konnersreuth,
Erdstrahlen, Hexenglauben und Hexenbanner, Blumhardt. Ein
Anhang bringt Bilder. Es erfolgt wertvolle Information und
Aufklärung, die bei dem seuchenhaften Auftreten des modernen
Aberglaubens immer unentbehrlicher werden. Bei allem guten
Willen, der Psychologie und ihren Grenzwissenschaften die Ehre
zu geben, bleibt eine Enge des christlichen Urteils und ein
vorschneller christlicher Irrationalismus. Eine Fühlungnahme
mit der modernen Ontologie fehlt ganz. Man stößt auf Urteile
wie diese: „Gläubige Menschen empfinden diese Welt als
grundsätzlich (!) rätselhaft und unvollkommen" (ll). „Der
Glaube lehnt jeden rein menschlichen Versuch außersinnlicher
und übernatürlicher Zukunftsschau als Aberglauben ab" (69).
Der ungeklärte Begriff der okkulten Behaftung wird kritiklos
von K. E. Koch übernommen. Der sich beängstigend verfestigenden
volksmissionarischen Apologetik muß man tatsächlich
die massive Frage stellen: sind Zaubern, Besprechen, Teufelspakt
allein die auslösenden Faktoren der okkulten Behaftung, nicht
auch Verlogenheit, Unzucht, Völlerei, Roheit? Will man auch
sie mit dem Exorzismus bekämpfen? Ist Rhine etwa dadurch
widerlegt, daß Prokop und Tornier sich kritisch gegen ihn
äußerten? Tut man wohl recht daran, weiße und schwarze
Magie als Gegenpole einanderzuzuordnen, die beide dämoni-
stisch zu beurteilen sind? Es ist ja klar, daß das Reden von der
weißen Magie unter Kategorialzwang erfolgen muß. — Voller
Rätsel ist der Fall eines indischen Mädchens, dessen Behauptung
, schon einmal gelebt zu haben, sich durch Tatsachen zu
bestätigen schien. Die Wiedergabe dieses Phänomens ist sehr
dankenswert.

Wir benutzen die Gelegenheit, auf zwei wichtige Bücher nebenbei
hinzuweisen: H. Schäfer, Der Okkulttäter, 1959 (Entlarvung der
Schwindler); A. v. Schrenk — Notzing, Grundfragen der Para-
psychologie, 1962 (Neudruck klassischer Experimentalberichte).

Rostock Gottfried Holtz

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Skydsgaard, Kristen E., u. Lukas Vischer [Hrsg.]: Schrift und
Tradition. Untersuchung einer theologischen Kommission. Zürich:
EVZ-Verlag 1963. 185 S. 8° = Ökumenischer Rat der Kirchen,
Kommission für Glauben und Kirchenverfassung. Kart. DM 14.80.

Die in diesem Band vereinigten Untersuchungen sind aus
der Arbeit der europäischen Sektion der von der 3. „Faith and
Order"-Weltkonferenz in Lund 1952 eingesetzten „Theological
Commission on Tradition and Tradirions" hervorgegangen und
stellen darum eine wichtige und wertvolle Ergänzung zu den von
dieser Kommission der 4. „Faith and Order"-Weltkonferenz in
Montreal 1963 vorgelegten Abschlußberichten (Faith and Order
Paper No. 40, Geneva 1963; deutsch: Zürich 1963) dar.

Den grundlegenden und umfassenden Begründungshorizont
des speziellen Problems Schrift und Tradition (dem die europäische
Sektion besonders nachgegangen ist) weist die einleitende
Untersuchung von Jean-Louis L e u b a über „Tradition und Traditionen
" (9—23) auf: Tradition ist zum ersten dadurch und
darin gegeben, daß Christus als „Hingabe der Wirklichkeit, die
er ist und die hereinbricht in die Ganzheit der von ihm verschiedenen
Wirklichkeiten" (12), als „Bewegung dieser Wirklichkeit
von ihrem Ursprungsort aus an den Ort, wo sie inmitten der
anderen Realitäten ihre Stelle einnimmt" (9 f.), selbst traditio
ist. Tradition ist zum anderen dadurch und darin gegeben, daß
dieses Hereinbrechen Christi seine „Einreihung ... in eine lineare
. .. Abfolge von Ereignissen" ist, in eine „Gesamtheit von
.traditiones', von Übermittlungen einer Vergangenheit in eine
Zukunft" (12). Traditio Christi — eben sein Eintritt in die Wirklichkeit
dieser Zeit und seine Anwesenheit in ihr als traditum
tradendum — geschieht also als Eingehen in die Traditionen der
Zeit als actus tradendi. Christus unterwirft sich so den Bedingungen
der Zeit, daß er sich ihrer Struktur, die ein Weiter-

Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 7