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Ausgabe:

1965

Spalte:

533-535

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Die Stimme der Ostkirche 1965

Rezensent:

Hammerschmidt, Ernst

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 7

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diesem Zusammenhange herauszustellen, daß Christus es ist, der
durch den Priester handelt, also nicht dieser aus eigener Vollmacht
. „Christus ipse baptizat": das ist ein Gedanke, der sich
auch bei Luther findet. Doch ist die durch die Priesterweihe gegebene
hierarchische Dignität in vollem Umfange beibehalten. Jungmanns
Einleitung (S. 7) läßt durchblicken, welche schwierigen Auseinandersetzungen
es gegeben hat über die Frage, ,,ob im Begriff
der Kirche die Hierarchie oder das Gottesvolk an die erste Stelle
zu rücken sei". Für die ecclesiologische Konzeption des Konzils ist
die starke Betonung des bischöflichen Amtes in der Liturgie-
Konstitution von Interesse. Es erhält gegenüber der Zentralinstanz
ein stärkeres Gewicht hinsichtlich des jus liturgicum
(Art. 22, 1 u. 2). Aber auch gegenüber den Ortsgemeinden wird
seine Bedeutung betont (Art. 41 f.): Episcopus ut sacerdos magnus
sui gregis habendus est, a quo vita suorum fidelium quodammodo
(was bedeutet dieser vage Ausdruck?) derivatur et pendet. — In
diesen Punkten präjudiziert die Liturgie-Konstitution schon gewisse
ecclesiologische Entscheidungen, die den künftigen Erörterungen
des Konzils vorbehalten sind.

Es sei mit diesen Hinweisen genug, obwohl noch eine Fülle
von Einzelheiten zur Feststellung und Kommentierung verlocken.
Zusammenfassend sei gesagt, daß Rom mit dieser Reform am
Kernstück kirchlichen Lebens einen beachtlichen und erfreulichen
Schritt vollzieht, um in Selbstbesinnung und im Rückgriff auf
frühchristliche Normen seinen Gottesdienst sinnvoller und wirkungsvoller
zu gestalten. Aber soviel Verwandtes uns in diesen
Bemühungen ansprechen mag: dieser Gottesdienst bleibt in seinem
dogmatischen Kern die römische Messe, an der die reformatorische
Kritik auch nach 1963 nicht zurückgenommen werden
kann.

Weimar Wolfgang Schanze

Die Stimme der Ostkirche. Sendung und Anliegen der mel-
kitischen Kirche. Schriften und Reden des Patriarchen Maximos IV.
und des griechisch-melkitisch-katholischen Episkopats. Hrsg. vom
Patriarchat der griechisch-melkitisch-katholischen Kirche. Aus dem
Franiös. übers, von A. L u b i n s k y. Freiburg/Br. — Wien: Herder
[1962]. 238 S. 8°. Kart. DM 4.80.

Das hier anzuzeigende Buch ist wohl eines der freimütigsten
, die innerhalb des römisch-katholischen Raumes über die
Frage der unierten Gemeinschaften erschienen sind. Dazu tritt
eine Klarheit der Gedankenführung und — bei aller Achtung der
Zentralautorität in Rom — ein Bewußtsein von der Größe der
eigenen Tradition, die einen beträchtlichen Teil der hier vereinigten
Aufsätze zu einer wichtigen Quelle der Kenntnis der
unierten Kirchen werden läßt.

Der Band wurde vom mclkitischen (d. h. griechisch-unierten)
Patriarchat von Antiochien in französischer Sprache herausgegeben
und von Anneliese Lubinsky ins Deutsche übertragen. Für die
Herausgabe zeichnet eine anonyme Gruppe verantwortlich, die
sich „Diener der Kirche im Osten" nennt und über die man auch
in der Notiz S. 238 — außer allgemeinen Grundsätzen — nichts
Näheres erfährt.

Patriarch Maximos IV. Saigh1 (Sä'ig) von Antiochien und
dem ganzen Orient, von Alexandrien und Jerusalem" ergreift nur
an wenigen Stellen selbst das Wort [5—7 (Vorwort), 44—57,
139—43, 169—74 und 223—37], doch spricht sein Geist und seine
Einstellung aus allen anderen Aufsätzen seiner Bischöfe2. Dies
gilt in besonderem Maße von Petrus K. Medawar, dem Auxiliar-
bischof des Patriarchen, der wohl als sein Sprachrohr anzusehen
ist und neben ihm am schärfsten formuliert.

Obwohl ein guter Teil des Buches von den Gravamina bestimmt
wird, die die unierten Kirchen gegen Rom vorzubringen
haben, hinterläßt es durchaus nicht den Eindruck einer negativen
Kritik. Den roten Faden, der sich durch alle Darstellungen zieht,
bildet die Forderung nach einer Stärkung der Stellung der östlichen
Patriarchen, nicht im Sinne von Konzessionen, sondern

') Zu ihm vgl.: Patriarch Maximos. Porträt eines Konzilsvaters
= Materialdicnst des Konfessionskundlichen Instituts Bensheim 14
(1963) 90—92.

*) Dies geht bis zu wörtlicher Übereinstimmung einzelner Passagen
: so S. 35 mit S. 50, S. 41 mit S. 56, S. 42 mit S. 56.

von einer Anerkennung und Zurkenntnisnahme alter und wohlbegründeter
Rechte durch Rom. Dabei wird unausgesprochen deutlich
, daß es nicht nur darauf ankommt, die östlichen Riten als
besondere (wenn auch gleichberechtigte) liturgische Ersdieinungß-
formen zu erhalten, sondern auf eine tiefgehende Umorientie-
rung, die die unierten Patriarchate als in sich geschlossene und in
sich bestehende Kirchenwesen anerkennt, die wohl durch die Annahme
des päpstlichen Primates, aber nicht durch eine dirigistische
Einmischung in ihre innere Struktur, mit Rom verbunden
sind. In der römischen Praxis heißt aber „Union" bisher meist
nur Konzession des eigenen Ritus. Und auch die Garantie des
eigenen Ritus wurde durch die Latinisierungstendenzen westlicher
Missionare oft und nachhaltig verletzt, obwohl die Päpste —
zumindest in ihren offiziellen Verlautbarungen — solche Tendenzen
immer wieder verurteilt haben: „Die Helfershelfer der Unie-
rung' haben tatsächlich nur die Riten des Ostens respektiert;
bei allem übrigen versuchten sie dem Osten das Bessere zu
nehmen, um ihm vorzuschlagen oder aufzuerlegen, was der Westen
oft weniger Gutes hatte. ... So hat er (d. h. der Westen)
sich bemüht, alles zu zerstören, was ihm nicht glich, und man
muß zugeben, daß es ihm recht gut gelungen ist; denn in der
Mehrzahl der ostkatholischen Gemeinschaften gleicht außer den
liturgischen Riten (und die auch noch kaum!) nichts mehr dem
Westen als dieser unierte Osten" (51). „Wir haben unsere östliche
Geistigkeit verloren und nur unvollkommen den westlichen
Geist angenommen" (52)

In der Gegenwart hat der Kanon 11 § 1 des Motuproprio
Cleri sanctitati (1957)5 den Widerspruch der unierten Orientalen
hervorgerufen, die hierin mit Recht eine Verschlechterung
ihrer Stellung sehen: Früher mußten Orientalen, die zur römischkatholischen
Kirche übertraten, in ihrem Ritus bleiben. Nun
wird ihnen die Wahl des Ritus freigestellt. Was dies bei der
materiellen und sonstigen Überlegenheit lateinischer Missionare
im Orient bedeutet, kann man sich leicht vorstellen. Gegen
diese Vorschrift (die auf Vorstellungen der amerikanischen
Bischöfe geschaffen worden sein soll) wird in diesem Band scharf
protestiert (162-64, 189 f.).

Die Situation der unierten Orientalen ist nicht einfach.
Praktisch müssen sie eine dreifache Frontstellung beziehen:
1. Einmal müssen sie sich gegenüber und in den modernen islamischen
Staaten behaupten, was besonders seit der ägyptischen
Revolution immer schwieriger wird. 2. Dann haben sie sich mit
der römischen Zentralgewalt und mit den lateinischen Missionaren
auseinandersetzen; die letzteren scheuten sich z.B. nicht, in
Ägypten eine Verleumdungskampagne gegen die Melkiten zu
inszenieren. Und was soll man schließlich zu einer Schrift sagen,
in der ein historisch und theologisch nicht sehr bewanderter
Professor am lateinischen Patriarchalseminar von Jerusalem
(Pierre Medebielle) den Unierten die zeitliche Priorität des lateinischen
Ritus vor dem byzantinischen in Palästina zu beweisen
versucht? In der Antwort des melkitischen Patriarchates (175—96)
wird eine — liturgiegeschichtlich im wesentlichen richtige —
Gegendarstellung geboten. 3. Schließlich werden die Unierten
von den Orthodoxen aller Länder mit größtem Mißtrauen betrachtet
, die sie als „Spione", „reißende Wölfe in Schafskleidern",
„Hauptagenten der römischen Proselytenmacherei" (49) und als
„Köder" (47) ansehen.

In ihrem Bemühen, von den modernen islamischen Staaten
als gleichberechtigte und gleichwertige Bürger anerkannt und
auch behandelt zu werden, postulieren die Melkiten eine „totale
Einfügung" (31 und 3 3) in das Leben dieser Staaten. Bedeutet
dies auch die Übernahme der von diesen Staaten betriebenen
Propaganda gegen den Staat Israel und damit eines widerchristlichen
Antisemitismus? Daß die Gefahr des Antisemitismus
greifbar nahe ist, zeigt die Haltung der unierten Hierarchen auf
dem Zweiten Vatikanischen Konzil in der Diskussion über das

3) Diese Form wird hier verwendet, um den pejorativen Sinn
wiederzugeben; vgl. S. 58.

*) Beide Zitate stammen aus einem Beitrag des Patriarchen Maximos
IV.

6) Es enthält das Personenrecht für die unierten Kirchen.