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Ausgabe:

1965

Spalte:

529-533

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Konstitution des II. Vatikanischen Konzils "Über die heilige Liturgie" 1965

Rezensent:

Schanze, Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 7

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und Mensch, göttlichen und menschlichen Geist in eine klare
Beziehung zueinander zu bringen.

Wenn man B.'s Abneigung gegen alles „Objektive" und
„Statische" kennt, muß es wundernehmen, wenn Verf. behauptet,
,,B. sehe in der ganzen objektiven statischen Welt nadi den
Worten Jakob Böhmes ein Symbol Gottes" (S. 67). Insofern die
Welt als objektiv und statisch erscheint, gehört sie zum Bereich
der Objektivation, und ihre Symbole erscheinen im pessimistischen
Licht der Objektivationsidee. Gerade gegen diese objektivierte
Welt lehnt sich ja B. auf, in der Genesis seines Schaffens
ist dies das Grundpathos. Er will aber nicht, wie Verf. behauptet
, daß sich der Mensch gegen das Vorhandensein der Schöpfung
auflehnt (S. 74). Seine Rebellion gilt „dieser" Welt, insofern
sie eine Ordnung oder ein Existenzmodus von Unfreiheit, Zer-
spaltung, persönlichkeitsfeindlichen Prinzipien ist, eine ,,Welt",
die nicht Gott geschaffen hat, sondern der Mensch durch seinen
„Fall" (dessen philosophische Explikation die Objektivationsidee
i6t). Diese Welt mit ihrer Statik und Objektivation ist also nach
B. keinesfalls Symbol Gottes. Wieder muß darauf hingewiesen
werden, daß B. vor dem Umbruch in seinem Denken einen anderen
Symbolbegriff vertreten hatte. Doch liegt in diesem Fall der
Fehler in einer falschen Textinterpretation. Eine Nachprüfung
der vom Verf. angegebenen Stelle ergibt, daß B. hier die Gedanken
Böhmes wiedergibt. Verf. ist hier einer stilistischen
Eigenart B.'s zum Opfer gefallen, die er selbst ausgiebig praktiziert
. Oft ist man im unklaren, ob er B. sprechen läßt, oder ob
er selbst Stellung nimmt. Die Verständlichkeit seiner Ausführungen
leidet zudem stark unter einem spröden, allzu knappen
Stil und dem Verzicht auf erläuternde Zwischenglieder von
Gedankenketten. Die teilweise recht ironische Schreibweise zeugt
nicht gerade von einem ökumenischen Einfühlungsstreben. Gegen
Ende seines Buches stellt Verf. B.'s Konzeption folgendermaßen
in Frage: „Was hat denn nun das menschliche Schöpfertum faktisch
geleistet? Am Ende stehen wir doch vor einem Fiasko
(Verf. spricht hier von B.'s „Scheitern der Geschichte"). Schon
der Ursprung ist mehr als verdächtig. Ungrund, ungeschaffene
Freiheit — es ist nur gut, daß das Verbot, die Dinge denkend
bewältigen zu wollen, uns bald in wohltätige Dämmerung einhüllt
" (S. 95). B.'s Auffassung von der Freiheit wird hier auch
als „Nonsens" bezeichnet. Es mutet demgegenüber verwunderlich
an, wenn der Verf. wiederholt von dem „grandiosen" oder
„genialen" Entwurf der ewigen Schöpfung bei B. spricht, „der
unserer Achtung wert sei".

Edesheim/Pfalz Roman Rössler

Asmussen, Hans: Kirchenkampf und Geschichtsschreibung (LM 4,
1965 S. 38—42).

Bammel, E.: Overbeck über seine Freunde (ThZ 21, 1965 S. 113
-115).

Bethge, Eberhard: Steglitz (EvTh 25, 1965 S. 156—159).
Blaser, K.: Harnack in der Kritik Overbecks (ThZ 21, 1965 S. 96
—112).

Marie, Rene: Un temoin de l'Eglise evangelique: Dietrich Bonhoetfer

(RechSR 53, 1965 S. 44—76).
N i e m ö 11 e r, Wilhelm: Zwischen Dahlem und Steglitz (EvTh 25,

1965 S. 113—141).
Smith, Morton H.: The Presbyterians of the South 1607—1861 (The

Westminster Theological Journal 27, 1964 S. 21—30).
Stupperich, Robert: Die Evangelisch-Theologische Fakultät der

Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster (DtPfrBl 64, 1964

S. 464—466).

KIRCHEN- UND KONFESSIONSKUNDE

Landersdorfe r, Simon Konrad, Bischof, Jungmann, Josef A.,
u. Johannes Wagner: Konstitution des II. Vatikanischen Konzils
„Uber die heilige Liturgie", hrsg. und erläut. Lateinischer Text u.
deutsche Übersetzung. Münster/W.: Aschendorff [1964]. III, 100 S.
gr. 8° = Sonderausgabe d. Liturg. Jahrbuches, H. l/2, 1964. Kart.
DM 5.-.

Das Kernstück dieser Veröffentlichung ist der von Papst
Paul VI. am 4. Dezember 1963 promulgierte lateinische Text der
Konstitution des II. Vatikanischen Konzils „Über die heilige Liturgie
". Dem lateinischen Text steht seitengleich die deutsche

Übersetzung gegenüber. Um diesen Text gruppieren sich eine
Anzahl aufschlußreicher Beigaben. Dem kurzen Geleitwort von
Bischof Landersdorfer, das vor voreiliger Praktizierung der Reformen
warnt, folgt eine Einleitung von Josef A. Jungmann. Sie
macht in Kürze die Intentionen der römischen Liturgiereform
deutlich und weist auf die entscheidenden Punkte in dem umfangreichen
Dokument hin. Für den evangelischen Leser ist dabei von
Interesse, daß gewisse bisherige Tendenzen der römischen liturgischen
Praxis, die nunmehr überwunden werden sollen, u. a. erklärt
werden als Reaktion auf die „oft maßlosen Angriffe der
Reformatoren" gegen den Opfercharakter der Messe und gegen
die besondere Stellung des geweihten Priesters (S. 2). — Im Anschluß
an den Text findet sich zunächst ein Auszug aus der abschließenden
Ansprache des Papstes, in der die zentrale Bedeutung
des Gottesdienstes, insonderheit des Gebetes unterstrichen wird,
wie sie die Konstitution selbst verschiedentlich hervorhebt. — Als
weitere Beigabe erscheint das Hirtenschreiben der deutschsprachigen
Bischöfe an ihren Klerus vom Tage der Promulgation.
Dieses gehaltvolle Dokument wirbt um Verständnis für die liturgische
Reform, als deren zentrales Anliegen die Stärkung und Aktivierung
des religiösen Lebens in den Gemeinden durch lebendigen
Mitvollzug des gottesdienstlichen Geschehens gekennzeichnet
wird. Zugleich wird gegen etwaigen reformerischen Wildwuchs
die liturgische Autorität des Episkopates betont und auf Behutsamkeit
und Einheitlichkeit der Neuerungen gedrungen. — Schließlich
bietet das Heft eine Anzahl Anmerkungen zu einzelnen
Punkten der Konstitution (von Jungmann und Wagner) und Quellenhinweise
(von Wagner), in denen Zitate und Anspielungen
nachgewiesen werden, soweit sie sich auf die Bibel und auf bisherige
offizielle Verlautbarungen der römischen Kirche beziehen.
Wagner macht dabei geltend, daß das ganze „Geflecht vielfältiger
Abhängigkeiten" erst aufgedeckt werden könne, wenn die
noch sub secreto liegenden Konzilsakten zur Verfügung stehen.

Eine ausführliche Besprechung der neuen vatikanischen Liturgie
-Konstitution, die allen Intentionen, Sicherungen und Schattierungen
dieses genau überlegten Textes nachspürt, überschreitet
den Rahmen einer solchen Anzeige. Wenn wir uns im folgenden
darauf beschränken, einiges Charakteristische herauszuheben, das
für die evangelisch-katholische Problematik bedeutsam ist, so
darf nicht übersehen werden, daß das für die Konzilsväter nicht
der einzige Aspekt war, ja wohl nicht einmal der vordringliche.
Das Zweite Vatikanum war nicht mehr vorrangig orientiert an
der Auseinandersetzung mit der Reformation, wie das in der tri-
dentinischen Periode des Katholizismus der Fall war. Für die Liturgie
-Konstitution wirkt sich das in der Weise aus, daß — vielleicht
zur Überraschung der protestantischen Welt — eine Menge
von Reformen anvisiert werden, die genau in der Linie dessen
liegen, was Luthers liturgische Bemühungen im Auge gehabt haben
. Anscheinend handelte man dabei auf dem Konzil unbefangen
und ohne antiprotestantische Komplexe.

Bedeutsam ist zunächst die Tatsache, daß die römische Kirche
überhaupt eine Liturgiereform dieses Ausmaßes in Angriff
nimmt. Die Unantastbarkeit der gottesdienstlichen Texte war
bisher zwar nie unbedingtes Prinzip, lag aber wenigstens seit
Trient in der Intention der Kirche und hatte sich, wenn auch
vage, in der allgemeinen Vorstellung vom römisch-katholischen
Gottesdienst verankert. Es ist ein wichtiger Schritt, wenn Rom
heute an diesem Punkte elastisch wird. — Fast noch bemerkenswerter
ist, daß das Prinzip der strengen liturgischen Einheitlichkeit
in der römischen Weltkirche aufgegeben wird. Zwar ist eine
rituelle Uniformität niemals ganz durchgeführt worden. Es gab
von jeher diesen und jenen liturgischen Naturschutzpark für
Sondertraditionen. Es gab seit einiger Zeit auch Sonderlizenzen für
gottesdienstliche Neuerungen und Versuche, die als Vorstufen
der heutigen Liturgiereform angesehen werden können. Grundsätzlich
aber lag die Tendenz vor, die Einheit der römischen Kirche
gerade in der über die ganze Welt hin geltenden Einheitlichkeit
der lateinischen Messe zu demonstrieren. Es ist ein markanter
, wenn auch notwendiger und unvermeidlicher Schritt, wenn
heute diese Einheitlichkeit aufgelockert wird mit Rücksicht auf
die unterschiedlichen Denk- und Empfindungsweisen der in einer
Weltkirche zusammengeschlossenen Völker und Kontinente. In