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Ausgabe:

1965

Spalte:

520-522

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Tengström, Emin

Titel/Untertitel:

Donatisten und Katholiken 1965

Rezensent:

Diesner, Hans-Joachim

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519

Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 7

520

Es handelt sich um eine gnostische Schrift (die Ursprache
war wohl griechisch). Also kann die Überschrift nicht „Auferstehung
" im Sinne der Kirche meinen, sondern muß den Begriff
umdeuten. Wir können einen solchen Versuch öfters nachweisen;
einmal bereits 2. Tim. 2, 18, wo Menschen erwähnt werden, die
meinen „die Auferstehung sei bereits eingetreten". Das Wort
wird also von Grund aus vergeistigt. Wir dürfen daraus schließen,
daß der Verf. des Briefes als Christ gelten will; der Ausdruck
ist bezeichnend für Juden und Christen. Wir erkennen, daß das
Christentum einen Nimbus trägt, den Gnostiker nicht gern
preisgeben.

Der Anfang des Briefes klingt wie eine Warnung, nicht zu
viel wissen zu wollen: hatte darin nicht schon der alte Herakleitos
von Ephesos eine Gefahr erblickt (Diels, Vorsokratiker:l
Nr. 40)? Als Grund deutet unser Text wohl an: es diene nur
der Selbstsucht, wenn man ungelöste Fragen beantworte. Solche
wißbegierigen Menschen bewegen sich auch nicht innerhalb des
Logos der Wahrheit, sondern suchen ihre eigene Ruhe; aber die
wahre Ruhe ist ein Geschenk Jesu. (Hier sind Zusammenhang
und Gedankengang unklar; das mag Schuld des koptischen Übersetzers
sein.) Jedenfalls will sich der Briefschreiber dem Reginos
nicht versagen, der in der Sache der anastasis freundlich bei ihm
anfragte. Der Briefschreiber bekennt sich sofort zum Gedanken
der anastasis, obwohl er weiß, daß es viele Leugner gibt, und
daß sie schwer zu erreichen ist. Als entscheidend gilt offenbar
zunächst, festzustellen, wie Jesus, der Herr, als er im Fleische
war als Sohn Gottes, sich zu dem Begriff stellte (anscheinend
werden in dieser Gnosis noch andere kirchliche Begriffe übernommen
und umgedeutet). Jesus sprach einst am Ort, wo Reginos
sitzt (also in Palästina?) von dem Gesetz der Natur (nomos
physeos), d.h. vom Tode; als Sohn Gottes besiegt er den Tod;
als Sohn des Menschen vollzog er eine Rückkehr zum pleroma
(apokatastasis); er war ja vorher als höherer Same der Wahrheit
bereits da, bevor der Aufbau (systasis) (der Welt) entstanden
war, mit ihren Herrschaften und Gottheiten. „Ich weiß, daß ich
die Auflösung in schwierigen Fragen bringe"; anscheinend ist
Reginos anderer Meinung als der Verfasser unseres Briefes.
„Aber es gibt nichts Schwieriges für (?) den Logos der Wahrheit
". Es muß ja in jedem Falle alles offenbar werden (dieser
Gedanke auch im Thomas-Evangelium): sowohl die Auflösung
des Bösen wie die Offenbarung des Auserwählten (wohl = des
Guten). Jesus verließ den kosmos, der zu Grunde geht, und verwandelte
sich in einen unvergänglichen aion. So gab er uns den
Weg unserer Unsterblichkeit (allem Anschein nach ist das der in
unserer Gnosis anerkannte Weg zur Auferstehung). Die große
Frage entsteht: wie können wir bereits ,,in den Himmel gegangen
" 6ein, wenn wir in dieser Welt noch sichtbar sind, ja
sogar Jesu Bild an uns tragen? Wir sind Strahlen, die von Jesus
ausgehen, bis zu unserem Untergang (der Mensch wird als Stern
gedacht, der einmal untergeht). „Das ist die pneumatische anastasis
, die die psychische und sarkische verschlingt". Das ist
freilich nicht beweisbar. Man kommt nur mit der pistis an die
Erkenntnis heran; keinesfalls kann einer Ungläubige überzeugen
(peithein). Unklar bleibt eine Bemerkung über einen Philosophen,
der anscheinend einen ähnlichen Begriff von Auferstehung vertritt
: man hat den Eindruck, daß er keine anastasis erlebt; denn
der Glaube der Gnostiker ist aufs engste mit Jesus verbunden
und vorher bestimmt. Das Fleisch kann in sich eine höhere
Macht bergen; sie ist es, die den Menschen rettet. Eine Einzelfrage
wird eingeschaltet: die Glieder des Menschen, die sichtbar,
aber tot sind, werden nicht gerettet. Keinesfalls aber darf die
anastasis als Sinnestäuschung (phantasia) angesehen werden:
sonst wären auch Moses und Elias unwirklich gewesen, als sie
Jesus bei seiner Verklärung erschienen (das soll vielleicht einen
Schriftbeweis andeuten). Eher darf man die (sichtbare) Welt als
eine Sinnestäuschung ansehen. Auferstehung bedeutet also: Umgestaltung
(metabole) in eine „Neuheit" (man kann dafür vielleicht
„Daseinsform" setzen). Das pleroma macht das Mangelhafte
vollkommen. Der Schluß des Büchleins zieht ethische Folgerungen
(49, 13 ff.). „Komm weg von den (fleischlichen) Trennungen und
Fesseln: schon hast du die anastasis" (49, 13). Das erinnert an
die gnostischen Gedanken, die sich z. B. im Thomas-Evangelium

finden. Alles soll zur Einheit streben. Verschwinden müssen
z. B. die Unterschiede von Mann und Frau, von Greis und Kind,
von Hoch und Niedrig. Die Forderung strengster Askese ist hier
eingeschlossen: sie gilt als wesentlicher Bestandteil der echten
(gnostischen) anastasis. Als etwas, das beseitigt werden muß, ist
vor allem die Ehe anzusehen. Wer die anastasis bereits erlebte,
darf eben nicht beharren, als ob er sterben würde (auch Sterben
gehört zu den Worten, die in verschiedenem Sinne schillern
können). Diese Lebensweise ist für den Gnostiker nicht einfach:
man muß sie üben (gymnazesthai, askein: die Begriffe sind in
verwandtem Sinne in der Philosophie längst üblich). Der Briefschreiber
, der seinen Namen leider nicht nennt, erklärt, daß er
die mitgeteilten Erkenntnisse der Neidlosigkeit seines Herrn
Jesus Christus verdanke (wir können diese Aussage wohl nur so
verstehen, daß er von Jesus eine Sonderüberlieferung erhielt);
nun gibt er das Empfangene weiter, um Reginos und seine Brüder
zu belehren; offenbar ist er in diesem Kreise ein angesehener
Mann: er nennt diese Jünger „meine Söhne". Falls er nicht verstanden
wird, ist er bereit, den Betreffenden weiter zu helfen.
Der Schlußsatz lautet: „Viele ersehnen, was ich dir geschrieben
habe. Diese lehre ich den Frieden unter ihnen und die Gnade.
Ich grüße dich und die, die euch in Bruderliebe lieben".

So wird noch einmal deutlich, in welchem Maße hier der
christliche Sprachgebrauch benutzt wird, um neue Gedanken
wiederzugeben. Lehrreich scheint mir, daß der Verf. sich in seiner
Mission auch auf eine besondere Sehnsucht (der Menschen) beruft
. Ich möchte das auf die verbreitete, von Piaton und seinen
Nachfolgern geförderte Stimmung beziehen, alles Äußerliche abzulehnen
; sie gibt sich öfters den Ausdruck, ta ektos hätten
keinen Wert. Es ist ein Gedanke, den man, wenn man ihn entsprechend
versteht, auch bei Jesus finden kann. Immerhin ist
festzustellen, daß unser Gnostiker keinen klaren Begriff von Jesus
hat; das tritt zumal an der sonderbaren Stelle 44, 17 ff. hervor:
„er saß an diesem Platze, an dem du sitzest, wobei er vom Gesetze
der Natur sprach" usw. Immerhin tritt das Mythologische in den
Hintergrund, ähnlich wie im Thomas-Evangelium. Doch ist auch
weltanschaulich nicht alles in Ordnung: es gelingt dem Briefschreiber
nicht, seine Stellung zur unsichtbaren Welt eindeutig
festzulegen, also sein Verhältnis zu dem Gnostiker Valentin. Ich
kann mir deshalb nicht recht vorstellen, daß die Schrift große
Werbekraft besaß. Sie steht aber sicher einer Richtung der
Valentinianer nahe (vgl. Tertull. de resurr. mort. 19, 6).

Die deutsche Übersetzung der koptischen Schrift stammt
von dem ausgezeichneten Kenner des Koptischen Walter Till f.
Man darf aber bei keiner dieser Übersetzungen glauben, daß sie
den koptischen Text immer einwandfrei bis in die letzte Einzelheit
wiedergeben. Die Klangfarbe des einzelnen Wortes, ebenso
die Art der Gedankenverbindung bleibt oft unsicher: der Kopte
kann nicht jede Nuance eines griechischen Textes treu und
sicher ausdrücken. Da wird es noch mancher weiteren Arbeit
bedürfen, um restlose Klarheit zu schaffen, und die Arbeit
wird wohl in manchen Fällen hoffnungslos sein.

Johannes Leipoldtt

Tengström, Emin: Donatisten und Katholiken. Soziale, wirtschaftliche
und politische Aspekte einer nordafrikanisdien Kirchenspaltung.
Göteborg: Almqvist & Wiksell [1964]. 202 S. gr. 8° = Studia Graeca
et Latina Gothoburgensia, XVIII. Schw. Kr. 36.— ; geb. 45.—.
Der schwedische Wissenschaftler wendet sich in diesem Buch
Fragen zu, die beim heutigen Forschungsstand sowohl für das Gebiet
der alten Kirchengeschichte als auch für den Bereich der
spätantiken Profangeschichte von großer Bedeutung sind. Schon
vom Titel her klingt eine Reihe wichtiger Gesichtspunkte an,
die T. freilich nicht als erster beleuchtet; vielmehr sind diese
„Aspekte" aufs Ganze gesehen bereits seit Jahrzehnten zur Domäne
maßgeblicher Theologen, Philologen und Historiker verschiedener
Länder geworden.

Die Arbeit macht vor allem äußerlich den besten Eindruck.
T. beherrscht die deutsche Sprache — von einigen Stilisierungen
abgesehen — in beachtlicher Vollendung; er konnte es sich daher
zumuten, häufig ventilierte Fragen von großer methodischer