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1965

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Neues Testament

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 7

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habe das hellenistische Judenchristentum den auch von Petrus bejahten
Standpunkt Jesu ernst genommen, indem es den Missionsbefehl
als Auftrag des Erhöhten und Weltbeherrschers verstand (S. 57). H.
muß sich auf die relativ späte Stelle Matth. 28, 18—20 stützen und
kann dann dafür der Apostelgeschichte die — etwas schematisierte, verkürzte
— Berücksichtigung des „tatsächlichen historischen Verlaufs"
quittieren. Man hätte sich Heber eine Aufschlüsselung der in vor-
paulinischen (z. B. Rom. 1, 3 f.) und paulinischen Partien niedergelegten
Angaben gewünscht.

Fragen würde ich auch, ob in dem Absatz „Aposteldekret und
Apostelkonvent" alles richtig gezeichnet wird. Wurde Titus „als Repräsentant
des gesetzesfreien Heidenchristentums mitgenommen" (S. 68),
oder hat Paulus nur nachträglich an dem zufälligen Begleiter seine
These illustriert? Ist den Jerusalemer Verhandlungen tatsächlich „eine
6charfe Auseinandersetzung des Paulus und Barnabas mit den Judaisten
in Antiochien vorausgegangen" (S. 66), vgl. Apg. 15,2? Mit anderen
Forschern erkennt der Autor in Jakobus, Kephas und Johannes „das
für die Jerusalemer Gemeinde zuständige Dreierkollegium" (S. 69);
Petrus habe die Hauptstadt noch nicht verlassen gehabt (S. 68, Anm. 3),
wie man überhaupt Apg. 15 vor Kap. 13 f. zu stellen habe, was ein
Exkurs über die urchristliche Chronologie S. 74 ff. zu erweisen versucht.
Ich stehe dem sehr skeptisch gegenüber; denn die Annahme würde ja
ausreichen, Petrus sei zum Apostelkonvent in die Hauptstadt gerufen
worden (und zwar aus der Wanderarbeit, in die er nach 12, 17 geht).
Nur eben müßten dann alle Folgerungen fallen, die man an das
„Dreierkollegium" knüpfen könnte.

Kurz und überzeugend schildert § 4 (S. 80—94) das Missionsverständnis
des Paulus. § 5 (S. 95—119) ist den Evangelisten gewidmet:
Nach Matthäus hätten sich die Jünger als an Israel gesandt verstanden,
ohne die Völker aus den Augen zu verlieren. Bei Lukas erkennt H. die
heilsgeschichtliche Entfaltung zur Heidenmission nach einer vorangegangenen
Übergangs- und Wartezeit in Jerusalem. Vor dem abschließenden
Ausblick (S. 146—155) bringt § 6 noch eine These im
Blick auf die Deuteropaulinen (hier werden spätere Schriften, Kolosserund
Epheserbrief und das Johanneische Schrifttum behandelt): Das
Kennzeichen der Spätzeit sei das Auseinandertreten von Kirche und
Mission.

Die vorliegende Untersuchung regt zu einigen Überlegungen
an. Zunächst: Da wir die missionstheologischen und -methodischen
Fragen im gegenwärtigen Zeitpunkt erst wieder erarbeiten
müssen, sollten wir ganz besonders auf die Begrifflichkeit
achten. Daß Paulus sich begnügte, „jeweils die Zentren
einer Landschaft zu missionieren" (S. 10), daß er also eine Art
„Metropolitanmission" betrieb, ist eine Folgerung aus der
Apostelgeschichte, die schon A. v. Harnadc zog, wegen Apg. 14, 6
kaum zu Recht. Darf man heute noch von paulinischen
„Missionsreisen" reden (S. 50)? Oder handelte es sich dabei um
Vorstöße, die zu erfassen eine ganz neue Begrifflichkeit nötig
machen würde? Darf man Paulus und Barnabas in Apg. 13 f.
„eine antiochenische Delegation" nennen (S. 74, Anm. 2), oder
handelte es sich einfach um ein Apostelpaar? Dann: Die redaktionsgeschichtliche
Betrachtung lehrte uns, daß die Apostelgeschichte
nicht eigentlich zu den primären, sondern zu den Sekundärquellen
zu zählen ist, weil ihre Angaben durch die lukanische
Reflexion gegangen sind. Noch vermissen wir schmerzlich den
Karl-Ludwig-Schmidt der Apostelgeschichte, der mit philologischer
Akribie die Nahtstellen zwischen den einzelnen Traditionsstücken
und den redaktionellen Zufügungen aufzeigen würde,
auch wenn dies etwas schwieriger als im dritten Evangelium ist.
Eine fruchtbare Fragestellung wäre z. B., ob sich die Darstellung
der Apostelgeschichte an deren eigenen Überlieferungsstücken
verifizieren läßt. Fragt man etwa, wie viele der nach Apg. 1, 13 f.
in Jerusalem Versammelten von den lukanischen und anderen
echten Traditionen für Jerusalem bestätigt werden, so bricht die
Differenz auf. Merkwürdigerweise werden derartige Fragen, die
man den Synoptikern gegenüber seit langem zu stellen pflegt,
bei der Apostelgeschichte ausgesetzt. Vermutlich würde unser
Urteil über die historische Brauchbarkeit lukanischer Angaben
doch etwas anders als bisher ausfallen, wenn wir so zu fragen begännen
. Endlich: Die Formgeschichte war bei ihrer Suche nach
den urchristlichen Redegattunjgen vom Begriff der Missionspredigt
ausgegangen, hatte den Begriff des Missionarischen aber
schon bald aus den Augen verloren. Wenn die Mission wirklich,
wie es nach H. den Anschein hat und kaum bestritten werden
kann, in einigen urchristlichen Gruppen zentrale Bedeutung besessen
hat, sollte man diesen Begriff wieder in die traditionsgeschichtliche
Debatte einschalten. D. h: Eine Untersuchung über
die missionarischen Redeformen der Urchristenheit wird kaum zu
umgehen sein. Alles in allem: Die vorliegende Studie kann als
ein Anfang empfohlen werden, sollte uns aber erst in die Einzelarbeit
zur Sache fuhren. Daß dabei noch manche Korrektur nötig
werden wird, wage ich jetzt schon zu sagen.

Borsdorf / Leipzig Gottfried Sc h i 11 e

Braun, Herbert: Die Diaspora und ihre Verheißung im Neuen Testament
(Die evangelische Diaspora 3 5, 1965 S. 97—105).

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. London: SCM Press LTD [1965]. 95 S. 8°. Lw. 12 s. 6 d.

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Lampe, G. W. H.: Die neutestamentliche Lehre von der Ktisis (KuD
11, 1965 S. 21—32).

Marxsen, Willi: Die Kontrolle der Exegese (DtPfrBl 64, 1964
S. 527—533).

Müller-Bardorff, J.: Der historische Jesus und der Christus des

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O r b e, Antonio: Los primeros 40 dias de Adän (Gregorianum 46,

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Rissi, Mathias: Die Erscheinung Christi nach Off. 19, 11—16 (ThZ

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Stempvoort, P. A. van: De betekenis van Filippenzen 2:5t/m 11

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Weber, Joseph C.: Jesus and the Kerygma in Light of the Law and

Gospel in Bultmann's Theology (dialog 3, 1964 S. 288—293).

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

M a I i n i n e, Michel, Prof. Dr., P u e c h, Henri-Charles, Prof., Q u i s-
pel, Gilles, Prof., Till, Walter, Prof., Wilson, R. McL, Rev.,
Ph. D., u. Dr. Jan Zandee: De resurrectione (epistula ad Rhegi-
num). Codex Jung F. XXIIr — F. XXVv (p. 43—50). Zürich-Stuttgart:
Rascher 1963. XXXIV, 72 S., 8 Faks. S. 4°. Lw. DM 70.-.

Die koptische Schrift, die hier das erste Mal das Licht der
Öffentlichkeit erblickt, gehört zu dem Funde, der etwa 1945 in
Nag Hammadi (Ober-Ägypten) gemacht wurde; und zwar (größtenteils
) zu dem einen codex, der nach Zürich kam und jetzt
„Hs. Jung" heißt; der Rest liegt im koptischen Museum zu Altkairo
; die Haupt-Hs. ist dieselbe, aus der 1956 das sog. Evangelium
der Wahrheit herausgegeben wurde. Die neue Ausgabe ist
in der gleichen Art durchgeführt, also mit besonderer Pracht: an
Universitätslehrer, die das Buch in ihren Übungen behandeln,
wird wieder nicht gedacht. Ich habe auch immer noch nicht begriffen
, warum drei Übersetzungen dargeboten werden, eine französische
, deutsche, englische (die deutsche von1 Walter Till, der
im Herbst 1963 nach einem arbeitsreichen Leben heimging,
wenige Monate vor seinem 70. Geburtstage). Andere Beigaben
schätze ich sehr, obwohl sie teilweise eine Kürzunig vertragen
hätten: die Einleitung (vor allem zur Geschichte der Gnosis), die
Erläuterungen (die Puech zusammenfassend bearbeitete), das
Wörterbuch (von Till). Dagegen ist mir nicht klar, warum beim
Abdruck (auch der Übersetzungen) die Anordnung der Hs. gewahrt
wurde: das ist dort zu empfehlen, wo die Hs. stark verletzt
ist; davon kann hier keine Rede sein. Der Text wird so
nur unübersichtlich. Ein) fortlaufender Abdruck ist leichter zu
übersehen und ermöglicht es, das Ganze sinngemäß einzuteilen
und die Abschnitte mit fortlaufenden Ziffern zu kennzeichnen,
die ein bequemes Anführen und Auffinden gestatten. Aber wir
müssen dankbar sein, daß die Bearbeiter nach sieben Jahren
wieder ein Stück ihrer kostbaren Schätze vorlegen.

Es handelt sich diesmal um ein kleines Stück, nicht ganz
sieben Seiten der Hs., koptisch in derselben subachmimischen
Mundart und ohne „Rechtschreibung", wie die bereits bekannten
Teile der Hs. Die Unterschrift lautet „Der Logos über die
anastasis". Das Ganze hat aber Briefform; der Anfang lautet
„Es gibt einige, mein Sohn Reginos, die viel lernen wollen. . .";
auch das koptische Wort für „grüßen" kommt an gehöriger Stelle
vor (50, 15).