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1965

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Altes Testament

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 7

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verschiedenen Gattungen des Thora-Bereiches: eigentliche
Thora, Priester-Da'at und Rituale, Kataloge u. ä. in verschiedenen
Kapiteln, wie Kap. 17; 21 f.; 24, eine große Rolle
spielen1. Viele der als Eigenarten der verschiedenen literarischen
Redaktoren angesehenen terminologischen und Stilmerkmale
sind aber in Wirklichkeit Gattungsmerkmale, wie
z. B. die Formeln ion -ras, Nin "pi und Nin rmT, Nin Fosnr
Nif! 53n in Kap. 18 und seinem Rahmen und entsprechend in
Kap. 20, oder die Ausdrücke 13 m in Kap. 20 und die Wiederholungen
des Tatbestandes in 20, 9 ff. Dies sind nicht „Stilerweichungen
paränetischer Art" (S. 71), die dann als literarisch
sekundär erklärt werden könnten, sondern deklaratorische Formeln
, Hinweise auf den ursprünglichen Sitz im Leben dieser
Stoffe im Kultrechtsbereich. Die gattungsmäßige Erforschung
der pentateuchischen Rechtsbücher steckt trotz mancher daran
schon getanen Arbeit noch ganz in ihren Anfängen, und ehe
wir hier nicht festere Maßstäbe gewinnen, werden wir auch kein
zutreffendes Bild des literarischen Werdegangs dieser Korpora
gewinnen.

Das muß vor allem im Hinblick auf die Gesamtgestalt des
H gesagt werden. So erscheint das Urteil über Lev 26 als
eines erst durch den zweiten Redaktor von H (Rh) in exilischer
Zeit hinzugefügten Anhanges (S. 157) unmöglich vor dem
Hintergrund der neuesten Erkenntnisse über den Aufbau des
Bundesformulars (die einschlägige Literatur fehlt im Literaturverzeichnis
völlig, bis auf Mendenhall, dessen Bedeutung
aber nicht erkannt ist)4, zu dem Segen und Fluch als fester
Bestandteil dazugehören. Auch H zeigt so deutlich die Merkmale
dieses Formulars, daß es ohne Kap. 26 ein Torso wäre.
Davon wird aber auch das Urteil über die Einzelstoffe dieses
Kapitels bestimmt. Der Verfasser ist eifrig bestrebt, das hierzu
vom Rezensenten herausgearbeitete Formular in Stücke zu
reißen. In Einzelheiten vielleicht sogar mit Recht (daß eine Rekonstruktion
die Gefahr der Konstruktion mit sich bringt
[S. 149, Anm. 6], sei nicht geleugnet!), und Verbesserungsvorschläge
wären zu überlegen. Aber daß grundsätzlich ein
Segen- und Fluchformular deutlich genug hervortritt, kann m. E.
nicht abgestritten werden, und das ist wieder mehr als ein
literarisches Machwerk, sondern weist auf seinen Sitz im Leben
zurück. Der Verfasser rührt selbst einmal an diese Hintergründe
, indem er als „Quelle" von Lev 26 auf die „Bilder und
Termini der Unheils- bzw. Heilsweissagung" hinweist (S. 160),
in denen Berührungen mit den älteren Propheten und dem
Deuteronomium (vor allem Dt 28) vorlägen. Ein anderer wichtiger
Hinweis ist der auf die levitische Predigt, wo nun sogar
(wenn auch zu spät) an die Zusammenhänge mit der israelitischen
, auch prophetischen Rechtsverkündigung erinnert wird.

Hier aber entsteht die Frage: Was ist Predigt, was ist
Paränese? Auch in der Untersuchung dieser Gattung stehen
wir noch in den Anfängen. Soviel aber ist klar, daß Paränese
mehr ist als ein Merkmal „redaktioneller Zutaten" (S. 170),
daß vielmehr das paränetische Rahmenwerk, das allenthalben,
auch in H, den gesetzlichen Kern der Rechtsbücher umgibt,
selbst eine Funktion in der lebendigen Verkündigung dieses
Gesetzes besitzt. Und hier müßte wieder nach dem Sitz im
Leben im Zusammenhang mit dem Bundesformular zurückgefragt
werden. Offensichtlich hat die Predigt am Verkündigungscharakter
des Gesetzes selber teil, und diese Funktion des
Rahmens, der ihn mit dem Kern verbindet statt ihn von ihm
trennt, gälte es zu bestimmen. Mit der Benennung von „Redaktoren
" ist uns da wenig geholfen, und eine kaum sachgemäße
Vorstellung vom Werdegang derartiger Stoffe scheint hier im
Hintergrund zu stehen.

Von diesen Grundüberlegungen her wären dann auch Folgerungen
für andere Punkte zu ziehen, wie die Fragen der
Datierung. Richtig erkennt Kilian, daß in H teilweise sehr alte
Stoffe vorliegen, vor allem im Falle von Kap. 17. Aber ist die
Thora jünger? Und wie ist das Verhältnis zu D und P? An-

3) Der Verfasser weiß das (vgl. S. 48), zieht aber keine Folgerungen
daraus.

*) Leider habe idi in meiner eigenen Arbeit (Anm. 2) darauf
ebenfalls einzugehen versäumt.

Setzungen wie die auf S. 169 leiden unter dem Mißverständnis,
daß es sich in diesen Dokumenten um punktuelle Größen handelt
(die man dann auch in eine zeitliche Abfolgelinie einordnen
könne), während sie in Wirklichkeit jedes der Niederschlag
einer langen Geschichte sind und eher neben einander
zu sehen sind'. Eine Verhältnisbestimmung müßte wiederum
eingehend die formgeschichtlichen Merkmale jeder Quelle berücksichtigen
. Das gilt auch für das Verhältnis zu Ezechiel,
mit dem Kilian doch etwas zu schnell fertig wird (vgl. bes.
S. 163, Anm. 58). Dieses Verhältnis wird durch den Sitz im
Leben der Stoffe im Segen-Fluchformular und in der prophetischen
Verkündigung bestimmt, und da bezieht sich die prophetische
Botschaft auf das Formular und nicht umgekehrt. Das
läßt sich aber nicht durch allgemeine Überlegungen (wie auf
S. 161), sondern nur durch eine genaue Prüfung der Funktionen
beweisen, welche die Stoffe in der prophetischen Verkündigung
besitzen.

Daß der Rezensent also mehr mit Fragen als mit Zustimmung
von der Arbeit scheidet, bedeutet nicht, daß er nicht
in vielen Dingen dankbar von ihr gelernt hätte. Eine nüchterne
Selbsteinschätzung zeigt, daß wir alle noch weit von der Lösung
der schwierigen Probleme der alttestamentlichen Rechts-
bücber entfernt sind.

Kiel Hönning Graf R e ven t lo w

") Das hat schon J. Pedereen, Die Auffassung vom Alten Testament
. ZAW 49, 1931, S. 161—181, richtig erkannt.

Ehlen, Arlis John: Old Testament Theology as Heilsgeschichte
(Concordia Theological Monthly 35, 1964 S. 517—544).

Fohrer, Georg: Das sogenannte apodiktisch formulierte Recht und
der Dekalog (KuD 11, 1965 S. 49—74).

Habel, Norman C: Deuteronomy 18 — God's Chosen Prophet
(Concordia Theological Monthly 35, 1964 S. 575—582).

Ludwig, Theodore M.: The Law-Gospel Tension in Jeremiah (Concordia
Theological Monthly 36, 1965 S. 70—79).

Mayer, Herbert T.: The Old Testament in the Pulpit (Concordia
Theological Monthly 3 5, 1964 S. 603—608).

M o r i a r t y, Frederick L.: The Lament over Tyre (Ez. 27) (Gregori-
anum 46, 1965 S. 83—88).

Müller, Hans-Peter: Mann und Frau im Wandel der Wirklichkeitserfahrung
Israels (ZRGG 17, 1965 S. 1—19).

Rast, Walter E.: Current Roman Catholic Thought on Prophetic Interpretation
(Concordia Theological Monthly 3 5, 1964 S. 545—555).

R o e h r s, Walter R.: Covenant and Justification in the Old Testament
(Concordia Theological Monthly 3 5, 1964 S. 583—602).

Rohr Sauer, Alfred von: Problems of Messianic Interpretation
(Concordia Theological Monthly 35, 1964 S. 566—574).

NEUES TESTAMENT

T i n n e f e I A, Franz Hermann: Untersuchungen zur altlateinischen
Überlieferung des 1. Timotheusbriefes. Der lateinische Paulustext in
den Handschriften D E F G und in den Kommentaren des Ambrosiaster
und des Pelagius. Wiesbaden: Harrassowitz 1963. XVIII, 115 S.
gr. 8° = Klassisch-Philol. Studien, hrsg. v. H. Herter u. W. Schmid,
H. 26. DM 16.-.

Die Arbeit an der altlateinischen Übersetzung oder den altlateinischen
Übersetzungen des Neuen Testaments ist seit längerer
Zeit völlig im Fluß. Daran ist einerseits die im Erscheinen
begriffene Ausgabe der Vetus Latina durch das Beuroner Vetus-
Latina-Institut mit seiner bisher unerreichten Materialfülle
schuld, andererseits die methodische Schulung und eigene Arbeit
von H. Vogels und seinem Nachfolger K. Th. Schäfer in Bonn.
Zu den aus dieser Schule stammenden Arbeiten über den
2. Korintherbrief (H.Zimmermann, 1960) und den Epheserbrief
(H. J. Frede, noch ungedruckt) hat sich nun die hier anzuzeigende
Untersuchung zum 1. Timotheusbrief gesellt, die ebenfalls von
K. Th. Schäfer angeregt, aber dann als philologische Dissertation
von W. Schmid betreut worden ist. Tinnefeid hat sich freilich
eine sehr begrenzte Aufgabe gestellt: er will nicht die Geschichte
des altlateinischen Textes des 1. Timotheusbriefes als
ganze untersuchen und stellt darum weder die Frage nach einer
etwaigen einheitlichen Grundlage des altlateinischen Textes die-