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1965

Kategorie:

Religionswissenschaft

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505

Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 7

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Kennzeichnungen und Kategorisierungen den Leser zu vorschnellen
Verdikten verleiten. Es muß deshalb ausdrücklich betont
werden, daß es dem Verfasser gelungen ist, die ungeheure
Fülle des Stoffes in ein überzeugendes Gesamtbild einzuordnen
. Das Streben zu objektiv gerechter Würdigung ist durchweg
deutlich erkennbar. Zu fragen wäre jedoch, ob nicht von Heideggers
so berechtigter Unterscheidung zwischen Sein und Seiendem
aus der neuthomistische Seinsbegriff deutlich als hierin
noch undifferenziert gekennzeichnet werden müßte; und ob
Paul Tillich so sehr in die Nähe dieser „Seinsfrömmigkeit" gerückt
werden darf (S. 196); ferner ob die Einstellung von Karl
Jaspers zur biblischen Religion ganz zutreffend gekennzeichnet
ist; und schließlich und eben damit zusammenhängend, ob
Philipps Begriff von Mystik nicht zu stark ausgeweitet ist.

In einem knappen abschließenden Ausblick bestätigt der
Verfasser die Erkenntnis, die sich dem Leser des flüssig und faßlich
geschriebenen Buchs allein aus der Fülle des Materials heraus
nahelegte: daß die Religion so stark ist wie je und daß die
künftigen Entwicklungen unabsehbar sind; gerade deshalb wird
sich die Christenheit „vor bisher unerhörte Aufgaben und Verpflichtungen
" gestellt sehen (S. 275). Für die theologische Vorbereitung
auf diese neuen Aufgaben leistet das überaus lehrreiche
Buch Wolfgang Philipps einen guten Dienst.

Saarbrücken Ulrich Mann

Bichon, Jean: Der nordafrikanische Islam (EMZ 21, 1964 S. 145
-151).

Hasselblatt, Gunnar: Der Islam und das Evangelium (EMZ 21,

1964 S. 152—157).
Howe, Günter: Zum gegenwärtigen Gespräch mit dem Zen-Buddhis-

mus (Quatember 29, 1964 S. 23—29).
K e r e n y i, Karl: Die griechischen Götter (Der Gottesgedanke im

Abendland, hrsg. von Albert Schaefer. Stuttgart: Kohlhammer 1964).
Roh le der, Paul: Gandhi als Faster (Quatember 29, 1964 S. 15—22).

ALTES TESTAMENT

Schreiner, Josef: Sion-Jerusalem. Jahwes Königssitz. Theologie der
Heiligen Stadt im Alten Testament. München: Kösel-Verlag 1963.
312 S. gr. 8° = Studien z. Alten u. Neuen Testament, hrsg. v. V.
Hamp u. J. Schmid, Bd. VII. Kart. DM 3 5.-.

Die Würzburger Habilitationsschrift ist der erste Band eines
dreiteiligen Werkes. Während er die auf Zion - Jerusalem bezüglichen
Texte bespricht, „die diesen heiligen Ort legitimieren
und die theologische Bedeutung seiner Wesensart herausstellen",
sollen später „die Heilige Stadt und Israel" und „die Eschato-
Iogie der Heiligen Stadt" behandelt werden.

Im vorliegenden Band soll der l.Teil „Jerusalem, der erwählte
Ort" (S. 17—71) die Frage beantworten, worauf sich die Bedeutung
Jerusalems gründet. Er verweist dafür vor allem auf die Ladeerzählung
I Sam 4—6; II Sam 6, die durch die Überführung der Lade, des religiösen
Zentrums des israelitischen Zwölfstämmeverbandes, nach Jerusalem
dessen Erwählung zum zentralen Kultort für ganz Israel ausspricht.
Dazu werden ferner Ps 78 und 132 herangezogen. Auch II Sam 24
bietet Heiligtumsgeschichte, indem der Ort der Verehrung Jahwes in
Jerusalem ein für allemal festgelegt wird.

Der 2. Teil „Jerusalem, der Sitz des Königs Jahwe" (S. 73—216)
geht von einer Analyse der sog. Natanverheißung II Sam 7 aus, nach
der Natan den Tempelbau nicht grundsätzlich, sondern nur im Sinne
eines Gebundenwerdens Jahwes ablehnt: Jerusalem ist Ort seiner Gegenwart
nur im Sinne der früheren amphiktyonischen Zentralorte, so
daß er in voller Freiheit Aufenthalt nimmt und sein ständiges Bleiben
eine immer neu geschenkte Gnade ist. Da II Sam 7 sich außerdem auf
David und sein Haus bezieht, bestimmt der nächste Abschnitt das Verhältnis
des davidischen Königs zum Zion und erörtert dazu eingehend
Ps 2; 20; 110 und 132 sowie das Problem einer israelitischen Königsideologie
. Dabei ergibt sich die Auffassung, daß die Verheißung des
Bestandes der Davidsdynastie in der Erwählung des Zion durch Jahwe
gründet und daß der Davidide der Amtsträger und Stellvertreter Jahwes
als des Königs von Jerusalem ist. Die Untersuchung wendet sich sodann
dem Bau des salomonischen Tempels zu, der weder Privat- noch
Reichsheiligtum, sondern Jahwes Haus ist, dem Weiterwirken des
Tempelbaus (Schern-Theologie, „bauen" und „gründen"), der Feier des
Einzugs Jahwes an Hand von Ps 24 B; 68 und 132 und der Beschreibung
der Königsherrschaft Jahwes nach Ps 47; 93; 96—99; 149 und
Ex 15, 13 ff. unter Ablehnung der Annahme eines Thronbesteigungsfestes
.

Der 3. Teil „Jerusalem, die feste Gottesstadt" (S. 217—295) erörtert
die hymnische Verherrlichung des Zion nach Ps 46; 48 und 76
mit der angeblich vorisraelitischen Kultüberlieferung von der Uneinnehmbarkeit
der Stadt, die geschichtliche Auswirkung dessen in der
theologischen Deutung der Rettung Jerusalems vor Sanherib II Kön
18, 17 ff. (701 v. Chr.), die doppelseitige Verkündigung von Gericht
und Heil für Jerusalem durch Jesaja an Hand von Jes 10, 5 ff.; 14,24
—27; 29,1—8; 30, 27—33 und 31, und den Preis der Stadt Jahwes als
Mittelpunkt Israels nach Ps 50; 84; 87; 102; 122 und 147. Ein Schlußwort
, Verzeichnisse und Register runden den Band ab.

Überblickt man das Ganze — sicherlich eine sorgfältig geplante
und ausgeführte Arbeit, die der« Verf. im Alten Testament
und in der älteren wie der neueren Literatur als wohlbewandert
ausweist —, so ergibt sich ein eindrückliches und anscheinend
in sich folgerichtiges und geschlossenes Bild. Bei näherem
Zuschauen werden indes mancherlei Fragen und Bedenken
wach, von denen einige der dringendsten genannt sein sollen —
freilich in aller Kürze, weil eine eingehende Auseinandersetzung
eine eigene Monographie erforderte (vgl. zur Ergänzung meine
Ausführungen über Zion - Jerusalem in ThW VII, S. 291-313).

Da das Buch vorwiegend Besprechungen atl. Texte bietet,
wären — wie kaum anders zu erwarten — viele exegetische Fragen
zu stellen. Gewiß teile ich manche der vorgetragenen Ansichten,
z. B. die Aufteilung von II Kön 18, 17 ff. in zwei Paiallelbe-
richte und die Ablehnung der Annahme eines Thronbesteigungsfestes
. Ebenso unbegründet aber wie dieses sind die vom Verf.
akzeptierte Annahme eines Bundeserneuerungsfestes und die —
wenn auch der augenblicklichen restaurativen Tendenz entsprechende
— Hinaufdatierung von Texten und Vorstellungen in eine
möglichst frühe Zeit (z. B. diejenige der Vorstellung von der
„Erwählüng" Jerusalems). Auch bezweifle ich, daß Jesaja „zur
selben Zeit (701) Gericht und Heil für Jerusalem verkündigt habe"
— Gericht für Judas Hauptstadt, Heil für die heilige Stadt Jahwes.
Obschon diese Auffassung von alt- und neukonservativer Seite
mit nicht unerheblicher Lautstärke und mit einer Beharrlichkeit,
die einer gerechteren Sache würdig wäre, gepredigt wird, bleibt
sie abwegig. Insbesondere hat Jesaja nicht zwischen zwei Zion -
Jerusalem unterschieden und die Hauptstadt niemals, die heilige
Stadt dagegen meist „Zion" genannt; das zeigen die Verwendung
von „Zion" für die „Hauptstadt" in Jes 1, 8; 3, 16 f. und
die Parallelität „Zion - Jerusalem" in 10, 32.

Bedenken habe ich gegen manche geschichtlichen und religionsgeschichtlichen
Ideen. Von Jerusalem als dem „zentralen
Kultort" für Israel kann man doch erst in der Zeit Josias, nicht
aber schon in derjenigen Davids sprechen. Und in dessen Zeit
hat Jerusalem seine Bedeutung schwerlich durch die Überführung
der Lade gewonnen, die danach praktisch gar keine Rolle mehr
spielt. Ganz abgesehen von der hier nicht zu erörternden Frage,
ob es überhaupt eine israelitische Amphiktyonie gegeben hat,
deren Heiligtum die Lade gewesen wäre, gründet die Bedeutung
Jerusalems sich m. E. „auf die Erhebung zur Residenz der Davi-
diden, die Übertragung der Gegenwart des Jahwe Zebaoth, des
Kerubenthroners, dorthin und auf die Erweiterung des Jahweglaubens
durch Aneignung kanaanäischen Gedankenguts" (ThW
VII, S. 301).

Von da aus treffe ich auf zwei weitere Komplexe: Einmal
nimmt der Verf. an, daß bereits in sehr alter Zeit alle wesentlichen
Gedanken und Vorstellungen vorliegen — wo sie sich in
Israel nicht nachweisen lassen, wie die Vorstellung von der Uneinnehmbarkeit
der Stadt, postuliert er ohne einen Beweis bereitwillig
kanaanäischen Ursprung — und daß sie in späterer Zeit
nur entfaltet, erweitert und vertieft werden. Jedenfalls hat es
dann nichts Neues mehr gegeben. Eine solche Ansicht stünde nun
sicherlich dem Kohelet wohl an, den tatsächlichen Verhältnissen
entspricht sie nicht. Bis in die Spätzeit hinein sind in Israel und
im Judentum neue Gedanken wach geworden; auch die Geschichte
der Vorstellungen von Zion - Jerusalem liefert m. E. ausreichende
Beweise dafür. Ferner vertritt der Verf. die Meinung, daß der
Jahweglaube dem übernommenen Gut neuen Gehalt und Bezug
gegeben habe. Das ist richtig, jedoch nur die eine Seite der Sache.
Gleichzeitig ist nämlich der Jahweglaube selbst durch solche Übernahme
wieder erweitert und gewandelt worden.

Unverkennbar scheint mir eine gewisse fundamentalistische